5 neue Architektur- und Designausstellungen im November 2019

Am 1. November 1512 feierte Papst Julius II. die Allerheiligenmesse in der Sixtinischen Kapelle. Dabei handelte es sich auch um die erste öffentliche Präsentation der Fresken von Michelangelo und damit um die Eröffnung einer Dauerausstellung, die auch heute noch zu sehen ist und nach wie vor ein großes Publikum anzieht.

Zwar sind Dauerausstellungen wichtig und sinnvoll, wenn es darum geht einen Überblick und eine Einführung in ein bestimmtes Thema zu ermöglichen, vor allem aber die ständig neuen  Wechselausstellungen gewähren im Idealfall echte, neue Einblicke. Genau solche Einblicke und versprechen fünf neue Architektur- und Designausstellungen, die im November 2019 eröffnet werden und die wir hier wie jeden Monat empfehlen wollen. Diesmal handelt es sich um Ausstellungen in München, New York, Wien, Esslingen und Gotha.

 

5 New Architecture & Design Exhibitions for November 2019

„Ingo Maurer intim. Design or what?“ in Die Neue Sammlung – Design Museum, München

Am 15. November 2019 eröffnet das Design Museum Die Neue Sammlung in München die Ausstellung „Ingo Maurer intim. Design or what?“. Dabei handelt es sich um die fünfte einjährige Ausstellung im Paternosterraum des Museums und um eine Ausstellung nicht nur über, sondern auch von Ingo Maurer.

Ingo Maurer starb am 21. Oktober 2019 im Alter von 87 Jahren in seinem Heimatort München. „Ingo Maurer intim. Design or what?“ wird folglich durch Ingo Maurers Tod zu einer umso relevanteren und intimeren Erforschung seines Werkes, seiner Herangehensweise und seines Designverständnisses. Das betrifft vor allem das Genre Lichtdesign, für das er zweifellos am bekanntesten ist. Erstmals wurde er in diesem Bereich 1966 mit der programmatisch benannten Leuchte „Bulb“ berühmt. In den nächsten 50 Jahren sollte er sowohl die technologischen Grenzen des Leuchtendesigns als auch dessen Grenzen in Bezug auf Kunst, Design und Architektur immer wieder neu ausloten.

Mit einer Präsentation von Objekten, Skizzen, Modellen und Fotografien von Projekten aus diesen fünf Jahrzehnten verspricht „Design or what?“ einen sehr persönlichen Rundgang durch Maurers Leben und Karriere, bei dem der Besucher die Perspektive Maurers einnimmt. Ihm soll so nicht nur ein besseres Verständnis von Ingo Maurer, sondern auch von zeitgenössischem Lichtdesign ermöglicht werden.

„Design or what?“ wurde am Freitag, den 15. November in der Neuen Sammlung – Design Museum, Pinakothek der Moderne, Barer Straße 40, 80333 München eröffnet und läuft bis Sonntag, den 18. Oktober.

Bulb by Ingo Maurer, 1966 (Photo A. Laurenzo, © and courtesy, Die Neue Sammlung – The Design Museum

Bulb von Ingo Maurer, 1966 (Foto A. Laurenzo, © und mit freundlicher Genehmigung, Die Neue Sammlung – Design Museum)

„Herbert Bayer: Bauhaus Master“ im Cooper Hewitt, Smithsonian Design Museum, New York City, USA

Es erscheint angebracht und sehr relevant, dass in diesem Jubiläumsjahr des Bauhaus‘ Weimar eine Ausstellung in Amerika stattfinden soll, die sich dem Werk jenes Bauhäuslers widmet, der vielleicht den größten Anteil daran hatte das Bauhaus in Amerika zu promoten und damit die Legende des Bauhaus‘ aufzubauen.

Geboren in Haag am Hausruck im heutigen Österreich, trat Bayer 1921 ins Bauhaus Weimar ein, übernahm 1925 die neu gegründete Druckwerkstatt in Dessau und war dort neben der Etablierung von Bauhausgrafik und Bauhausfotografie beispielsweise auch für die Entscheidung verantwortlich, alle Texte in Kleinbuchstaben zu drucken. Eine ebenso politische wie gestalterische Entscheidung, die die akzeptierte Grundlage des schriftlichen Deutsch und seine eigentümliche Mischung aus Groß- und Kleinbuchstaben in Frage stellte.

1928 wechselte Bayer in sein eigenes Studio in Berlin und etablierte sich dort bald als einer der führenden Grafikdesigner, Werbe- und Ausstellungsgestalter der 1920er und 1930er Jahre. Er setzte neue Maßstäbe und half sowohl zeitgenössische Formensprachen als auch die Entwicklung dieser noch relativ neuen und sich entwickelnden Disziplinen voranzubringen. Ein Ruf, der ihm nach seiner Auswanderung 1938 nach Amerika erhalten blieb, was nicht zuletzt mit der Ausstellung „Bauhaus 1919-28“ des New Yorker Museums für moderne Kunst, MoMA, zusammenhing, die dazu beitrug, die Bauhauslegende in Amerika zu etablieren.

Die Ausstellung verspricht die Präsentation selten gesehener Werke eines Designers, der zweifellos ein führendes Talent seiner Generation war, und damit die Chance auf eine viel umfassendere Bewertung seines Beitrags zur Entwicklung des Grafikdesigns.
Wir vertrauen darauf, dass das Cooper Hewitt Museum Raum findet, um Bayers zahlreiche Projekte für die NSDAP aus der Zeit vor seiner Ausreise aus Deutschland zu diskutieren.

„Herbert Bayer: Bauhaus Master“ wird am Samstag, den 16. November im Cooper Hewitt, Smithsonian Design Museum, 2 East 91st Street, New York 10128 eröffnet und läuft bis Sonntag, den 5. April.

Divisumma by Herbert Bayer for Olivetti (1953) (Image © and courtesy Collection of Cooper Hewitt, Smithsonian Design Museum)

Divisumma von Herbert Bayer für Olivetti (1953) (Image © und mit freundlicher Genehmigung der Sammlung des Cooper Hewitt, Smithsonian Design Museum)

„“Sitzen 69″ Revisited“ im MAK – Museum Angewandte Kunst, Wien, Österreich

Im Jahr 1969 zeigte das damalige Österreichische Museum für angewandte Kunst (das heutige MAK Wien) die Ausstellung „Sitzen 69“ zum Thema Sitzmöbeldesign.

Und während es im Jahr 1969 – nach 1968 – überall in Europa um Pop-Art, radikales Design, utopische Visionen und Farbe ging, präsentierte „Sitzen 69“ ausschließlich Holzstühle, vor allem skandinavische Holzstühle von Ole Wanscher, Hans J. Wegner oder Alvar Aalto. Und damit eben auch nicht unbedingt zeitgenössische skandinavische Holzstühle.

Warum? Das ist eine gute Frage, die in „“Sitzen 69″ Revisited“ erforscht wird. Die Präsentation verspricht die Ausstellung von 1969 nicht nur nachzubilden und neu zu inszenieren, sondern will auch einige jener Objekte ausstellen, die man 1969 von einer Ausstellung zum Thema Sitzmöbel zurecht hätte erwarten können, darunter Werke von Pierre Paulin, Joe Columbo oder Verner Panton.

Dabei geht es nicht nur darum herauszufinden, warum „Sitzen 69“ 20 Jahre Möbeldesign einfach verpasst zu haben schien, sondern auch darum, einige sehr interessante und wichtige Fragen über die Vermittlung von Design zu stellen. Darüber, was relevant, wichtig, interessant, „gut“ ist und welche Rolle die Museen bei solchen Fragen spielen.

„“Sitzen 69″ Revisited“ wird am Mittwoch, den 13. November im MAK – Museum für angewandte Kunst, Stubenring 5, 1010 Wien eröffnet und läuft bis Sonntag, den 29. März.

No wonder she's upset, it 1969 and there are only wooden chairs in Vienna!! The original Sitzen 69 poster by Christoph Schartelmüller (image © and courtesy MAK Wien)

Kein Wunder, dass sie traurig ist, es ist das Jahr 1969 und in Wien sind nur Holzstühle zu sehen! Das originale „Sitzen 69“ Poster von Christoph Schartelmüller (Bild © und mit freundlicher Genehmigung des MAK Wien)

„Hans Erich Slany – Das Werk“ in der Villa Merkel, Esslingen

Geboren 1926 in Loučná pod Klínovcem, damals Teil von Österreich-Ungarn, heute Tschechien, ist Hans Erich Slany den meisten vielleicht kein Begriff im Zusammenhang mit europäischem Industriedesign. Es besteht aber eine gute Chance, dass viele eine seiner Kreationen bereits verwendet haben. Zu seinen Kunden zählten u. a. Kärcher, Bosch und Leitz. Für letztere entwickelte er Ordner, Lagersysteme sowie Lochstanzen. Außerdem entwickelte Slany Bürostühle für Wilde + Spieth, Filmprojektoren für Bauer und angeblich sogar Stifte für Edding. Darüber hinaus war er als Designer und Professor für Industriedesign an der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart tätig und war neben Peter Raacke, Arno Votteler und Herbert Hirche Mitbegründer des Verbandes Deutscher Industriedesigner.

Trotz allem haben die meisten nie von ihm gehört. Um dem entgegenzuwirken veranstaltet der Esslinger Kunstverein eine Retrospektive von Slanys Werk in der Esslinger Villa Merkel. In Anbetracht der Anzahl der von ihm realisierten Projekte wird es kaum gelingen den Menschen und seine Arbeit vollständig zu erfassen. Die Ausstellung wird aber einen besseren Einblick in Slanys Werk ermöglichen und für mehr Sichtbarkeit eines der „bedeutendsten Produktgestalter Deutschlands“ (so der Untertitel der Ausstellung) sorgen.

„Hans Erich Slany – Das Werk“ wird am Freitag, den 29. Januar in der Villa Merkel, Pulverwiesen 25, 73726 Esslingen am Neckar eröffnet und läuft bis Sonntag, den 19. Januar.

Zeiss Ikonette by Hans Erich Slany (& Heinrich Löffelhardt)

Zeiss Ikonette von Hans Erich Slany (& Heinrich Löffelhardt)

„Inspiriert von Bauhaus. Gotha erlebt Moderne“ im KunstForum, Gotha

Im Jahr 2019 jährt sich nicht nur die Gründung des Bauhaus‘ Weimar zum 100. Mal, es sind auch 90 Jahre vergangen, seit die Bauhäuslerin Marianne Brandt Chefdesignerin beim Gothaer Metallwarenhersteller Ruppelwerk geworden ist. Und während die Ausstellung „Inspiriert von Bauhaus“ vielleicht im Kontext des ersten Jubiläums entstanden ist, geht es in ihr vor allem um letzteres. Genauer gesagt um jene drei Jahre, in denen Brandt nicht nur das Ruppelwerk-Portfolio, sondern auch das ästhetische, formale und funktionale Verständnis des Herstellers überarbeitete, neu entwickelte und belebte.

Das führte nicht nur zu einer der interessantesten Übersetzungen des Bauhaus-Gedanken in den industriellen Kontext, sondern auch dazu, dass Ruppelwerk-Objekte in die Sammlung des New Yorker Museum of Modern Art eingingen. Dazu gehörte ein Wecker, der, wie wir im Rahmen der Ausstellung Vier „Bauhausmädels“ im Angermuseum Erfurt feststellen konnten, in einem Braun-Katalog nicht deplatziert wirken würde. Nur eben fünfundzwanzig Jahre bevor Hans Gugelot oder Dieter Rams bei Braun anfingen.

2009 inszenierte Gotha eine ziemlich große Bauhaus-Ausstellung. Bei „Inspiriert von Bauhaus“ hört es sich so an, als sei die Ausstellung von dieser Schau beeinflusst und weitgehend auf ihr aufgebaut, was keine Beanstandung ist – weit gefehlt. Einerseits liegen zehn Jahren zwischen den beiden Ausstellungen, in denen weiter zu Marianne Brandt geforscht wurde, und diese Tatsache betont die Ausstellung durch die Präsentation bisher unbekannter Brandt-Arbeiten. Andererseits, wie wir bereits häufig festgestellt haben, ist ihre Geschichte eine, die es verdient weitererzählt zu werden und die noch besser verstanden werden sollte.

„Inspiriert von Bauhaus“ klingt nach einer solchen Möglichkeit.

„Inspiriert von Bauhaus. Die Moderne in Gotha“ wird am Freitag, den 15. November im KunstForum Gotha, Querstraße 13-15, 99867 Gotha eröffnet und läuft bis Sonntag, den 29. Dezember.

Numerous napkin holders by Marianne Brandt for Ruppelwerk Gotha, as seen at Bauhaus_Sachsen, Grassi Museum für Angewandte Kunst Leipzig

Diverse Serviettenhalter von Marianne Brandt für Ruppelwerk Gotha, hier bei „Bauhaus_Sachsen“, Grassi Museum für Angewandte Kunst Leipzig

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