5 neue Architektur- & Designausstellungen im Juli 2020

Im Juli werden üblicherweise eher wenige Architektur- und Designausstellungen eröffnet. Dieses Jahr ist es anders, und zwar nicht durch veränderte Ansichten der Design- und Architekturmuseen, wann am besten Ausstellungen eröffnet werden sollten, sondern weil aufgrund des Coronavirus und geschlossener Museen viele Eröffnungen verschoben werden mussten. Da im Laufe des Monats noch viele weitere Häuser öffnen sollen, wird die Zahl der Ausstellungen sogar noch steigen. Während das physische Reisen noch eingeschränkt ist, können wir uns immerhin kognitiv auf kulturelle Reise begeben, was auch nicht schlecht ist. Wenn Sie sich einen Museumsbesuch zutrauen und körperlich dazu in der Lage sind, informieren Sie sich bitte über die aktuellen örtlichen Vorschriften zu Eintritt, Sicherheit, Hygiene, Garderobe etc., passen Sie auf sich und andere auf und bleiben Sie vor allem neugierig.

5 New Architecture & Design Exhibitions for July 2020

„Licht an! Eine Stadtgeschichte der künstlichen Beleuchtung“ im Kulturhistorischen Museum Rostock

Vor langer Zeit richtete sich das Leben stark nach der Sonne: Man stand bei Sonnenaufgang auf und begann zu arbeiten und ging bei Sonnenuntergang schlafen. Feuer spenden zwar Wärme und fördern zumindest etwas die soziale Interaktion, beleuchten aber nur ihre unmittelbare Umgebung und sind zudem gefährlich. Im Laufe der Zeit lernten wir das Feuer und das Licht zu kontrollieren und mit der Technologie entwickelten sich auch die Beleuchtung und unsere Gesellschaft weiter, bis im Zuge der Nutzung des elektrischen Lichts nicht nur unser Wohnraum gemütlicher wurde, sondern sich auch unsere Städte veränderten. Leben, Industrie, Handel, Kultur und Gesellschaft waren nicht mehr nur auf den Tageslichtzeitraum beschränkt, sondern fanden rund um die Uhr statt.

Dies brachte sehr offensichtliche, grundlegende Auswirkungen nicht nur auf unsere Städte, sondern auch auf unsere Gesellschaften, unsere Kulturen und unsere Lebensweisen mit sich.

Die Ausstellung „Light on!“ im Kultuhistorischen Museum Rostock zeigt am Beispiel der Stadt, welchen Einfluss die Beleuchtung auf Entwicklungen in der Gesellschaft, Kultur und Lebensweise hat. Dieses spezielle lokale Beispiel könnte ruhig genereller angewendet werden um zu zeigen, wie anders die Gegenwart ohne etwas aussehen würde, dem wir kaum Beachtung schenken. Ein wichtiger Gedanke in der heutigen Zeit.

„Licht an! Eine Stadtgeschichte der künstlichen Beleuchtung“ wird am Donnerstag, den 23. Juli im Kulturhistorischen Museum Rostock, Klosterhof 7, 18055 Rostock eröffnet und läuft bis Sonntag, den 25. Oktober.

Technically Warnemünde lighthouse, but an example of how developments in lighting have contributed to the development of life in Rostock......

Eigentlich nur ein Leuchtturm in Warnemünde, aber auch ein Beispiel dafür, wie Beleuchtung das Leben in Rostock veränderte

„Art Nouveau Decoration“ im Horta Museum Brüssel, Belgien

Unter den unzähligen Komponenten, die den Jugendstil ausmachen, ist eine der am schnellsten erkennbaren und wohl populärsten die großzügige Verwendung von Dekoration und Ornamenten. Ausnahmslos, aber nicht ausschließlich, handelt es sich um reduzierte, figurative Naturmotive, insbesondere Blumen und Pflanzen.

Mit der Ausstellung „Art Nouveau Decoration“ möchte das Horta Museum den Entstehungsprozess solcher Motive von der ersten Skizze bis zum Endprodukt erforschen. Gezeigt werden 80 Stoff- und Tapetendesigns, die von führenden internationalen ProtagonistInnen wie Charles Rennie Mackintosh, William Morris, Josef Hoffmann und natürlich Victor Horta realisiert wurden, aber auch anonyme, weitgehend hauseigene Entwürfe, unter denen sich eventuell auch Beiträge von Designerinnen zur Entwicklung des Jugendstils befinden. Die Ausstellung soll dazu beitragen, die Komplikationen und Probleme zu verdeutlichen, die im späten 19. bzw. frühen 20. Jahrhundert auftraten, als KünstlerInnen und ArchitektInnen versuchten, Motive zu realisieren, die nicht nur dekorativ und zeitgemäß waren, sondern auch industriell hergestellt werden konnten.

Vor allem soll die Ausstellung durch ihre Erforschung der Entwicklung des Dekorativen dazu beitragen, den Fokus vom Visuellen weg und hin zu dem zu lenken, was dem Visuellen innewohnt, um die Wertschätzung des Visuellen zu verbessern und damit ein differenziertes Verständnis des Jugendstils zu ermöglichen.

Darüber hinaus wird mit „Art Nouveau Decoration“ auch der Raum, in dem einst die ZeichnerInnen Victor Hortas arbeiteten, für die MuseumsbesucherInnen offiziell eröffnet, ein Ausstellungsraum, der so konzipiert ist, dass er den BesucherInnen die Entwicklung der Designprojekte Hortas von den Entwürfen bis zu den Ergebnissen näherbringen soll. Oder im Falle von Hortas Tapeten und Textilien, vom Entwurf bis zum Druck. Es soll gezeigt werden, dass Victor Horta nicht nur Victor Horta, sondern ein Team war und dass kein/e international tätige/r ArchitektIn oder DesignerIn nur er/sie selbst ist, sondern dass alle Bestandteil eines Teams sind.

„Art Nouveau Decoration“ wird am Donnerstag, den 2. Juli im Musée Horta, Rue Américaine, 27, 1060 Brussels eröffnet und läuft bis Sonntag, den 27. September.

Radish by Mabel Syrett, circa 1900. It took us five minutes to spot the radishes...... (© Van Hoe Collection, Brussels, courtesy Musée Horta)

Radieschen von Mabel Syrett, ca. 1900. Bereits nach fünf Minuten haben wir die Radieschen erkannt… (© Van Hoe Collection, Brüssel, mit freundlicher Genehmigung des Horta Museum)

„Bakelit. Die Sammlung Georg Kargl “ im MAK – Museum für angewandte Kunst Wien, Österreich

Das Material Bakelit, das der belgische Chemiker Leo Hendrik Baekeland 1907 patentieren ließ, ist/war nicht nur einer der ersten synthetischen Kunststoffe, sondern trug auch mehr zur Entwicklung des Produktdesigns und der Formensprache unserer Produkte bei als irgendein anderes Material, seit Menschen anfingen, Kupfer und Zinn zu Bronze zu schmelzen.

Bakelit war relativ günstig, hitze- und säurebeständig, ließ sich wunderbar formen und, in Anbetracht der Zeit, in der es erfunden wurde vielleicht am wichtigsten, nicht leitfähig. Dadurch eignet es sich nicht nur für alle Arten von neuen und bestehenden Industrieobjekten in der schönen neuen elektrifizierten Welt, sondern auch für alle Arten von neuen und bestehenden Konsumgütern in unserer schönen neuen Konsumgesellschaft.

Anhand von etwa 300 zwischen 1930 und 1970 entworfenen Bakelit-Produkten widmet sich die Ausstellung im MAK nicht nur dem Material, sondern auch seiner Rolle in der Geschichte des Produktdesigns, was ein tieferes Verständnis der Bedeutung neuer Materialien und Verarbeitungstechnologien für die Entwicklung des Designs ermöglichen soll. Und weitere Überlegungen zu der Frage, ob das Problem bei den Kunststoffen oder bei uns liegt.

„Bakelit. Die Sammlung Georg Kargl“ wird am Mittwoch, den 15. Juli im MAK – Museum für angewandte Kunst, Stubenring 5, 1010 Wien eröffnet und läuft bis Montag, den 26. Oktober.

Not just in brown. Thermos flasks, model no. 24 from circa 1930 in white, green and blue (Photo © MAK/Georg Mayer, courtesy MAK Wien)

Gibt’s nicht nur in Braun. Thermoskannen, Modell No. 24 von ca. 1930 in Weiß, Grün und Blau (Foto © MAK/Georg Mayer, mit freundlicher Genehmigung des MAK Wien)

„Atelier Nelly and Theo van Doesburg“ im Het Nieuwe Instituut Rotterdam, Niederlande

Trotz seines Todes im Jahr 1931 im Alter von nur 47 Jahren ist/war der niederländische Künstler Theo van Doesburg einer der einflussreichsten Protagonisten in der Entwicklung des Kreativbereichs im frühen 20. Jahrhundert und sogar seitdem. Allerdings wird sein Werk häufig auf bunte Quadrate reduziert. Mit der Ausstellung „Atelier Nelly and Theo van Doesburg“ möchte Het Nieuwe Instituut nicht nur zeigen, dass seine Kunst mehr als das ist/war, sondern dass auch Nelly van Doesburg als Künstlerin mitgenannt werden sollte.

Im Fokus der Ausstellung steht das von Theo van Doesburg entworfene Haus/Studio des Paares in Meudon im Südwesten von Paris, dessen Fertigstellung der Künstler nicht mehr miterlebte. „Atelier Nelly and Theo van Doesburg“ zeigt nicht nur neue Perspektiven auf den Kanon und die Biografie der van Doesburgs, sondern stellt auch, wenn wir es richtig verstanden haben, den Beginn einer längeren, detaillierteren Auseinandersetzung mit ihren Karrieren und Lebenswegen dar, die parallel zur intensiven Restaurierung diverser Werke aus dem van Doesburg Archiv verläuft. So bietet sich eine gute Gelegenheit, ein besseres, realistischeres Verständnis für nicht nur eine, sondern zwei der einflussreichsten ProtagonistInnen in der Entwicklung des Kreativbereichs im frühen 20. Jahrhundert zu entwickeln.

„Atelier Nelly and Theo Van Doesburg“ wird am Samstag, den 11. Juli im Het Nieuwe Instituut, Museumpark 25, 3015CB Rotterdam eröffnet und läuft mindestens bis Juli 2021.

Design for the studio/atelier, Meudon-Val-Fleury, 1929, by Theo van Doesburg (Image © and courtesy of Collectie Het Nieuwe Instituut)

Entwurf für das Studio/Atelier, Meudon-Val-Fleury, 1929, von Theo van Doesburg (Bild © und mit freundlicher Genehmigung der Collectie Het Nieuwe Instituut)

„Common Knowledge – Design in Zeiten der Informationskrise“ im Kunstgewerbemuseum Dresden

Als „Common Knowledge“ ursprünglich zwischen November 2019 und Februar 2020 im Rahmen der 26. Design-Biennale in Ljubljana inszeniert wurde, waren die dringlichsten „Informationskrisen“, die Fragen und Herausforderungen zur Verlässlichkeit/Gültigkeit/Wahrhaftigkeit von Informationen, in Europa die Debatten über Klima und Migration. Doch während der Biennale setzte sich langsam ein ebenso dringendes Thema durch: Corona.

„Common Knowledge“ wurde von Thomas Geisler, Direktor des Kunstgewerbemuseums Dresden, und der Kuratorin und Journalistin Aline Lara Rezende für die Biennale in Ljubljana kuratiert und stellte eine breite Palette bestehender und speziell in Auftrag gegebener Projekte vor, die individuell und kollektiv das zeitgenössische und immer drängendere Problem des Vertrauens in Informationen/Wissen/Fakten erforschten sowie die Frage, was unser „gemeinsames Wissen“ ausmacht und wer entscheidet/entschied, dass dies unser „gemeinsames Wissen“ ist. Die Wahrheit war einmal da draußen, früher haben Kameras nie gelogen, aber heute? Es ging besonders um Projekte, die darstellten, wie Design der Gesellschaft nicht nur zu stabileren, zuverlässigeren Informationssystemen, einem wahrscheinlicheren „Allgemeinwissen“ verhelfen kann, sondern auch, wie Design zur Krise beiträgt.

Die Ausstellung in Dresden fällt aus Platzgründen kompakter und kürzer als die in Ljubljana aus, soll sich aber nicht weniger intensiv mit den Fragen der Informationsversorgung im Zeitalter der permanenten „Informationsversorgung“ auseinandersetzen. Und im Zeitalter von immer mehr Krisen…

„Common Knowledge – Design in Zeiten der Informationskrise“ wird am Samstag, den 4. Juli im Kunstgewerbemuseum, Schloss Pillnitz, August-Böckstiegel-Straße 2, 01326 Dresden eröffnet und läuft bis Sonntag, den 1. November.

Relative size of 23 most spoken languages around the world by Studio Ludje, part of, Common Knowledge - Design in the age of the information crisis, Kunstgewerbemuseum Dresden (image © Studio Ludje, courtesy Kunstgewerbemuseum Dresden)

Relative size of 23 most spoken languages around the world von Studio Ludje, Teil der Ausstellung „Common Knowledge – Design in Zeiten der Informationskrise, Kunstgewerbemuseum Dresden (Bild © Studio Ludje, mit freundlicher Genehmigung des Kunstgewerbemuseum Dresden)

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