Der Winter ist kurz davor die Oberhand zugewinnen. Wir können uns deshalb im Dezember kaum einen besseren Zufluchtsort als eine Architektur- oder Designausstellung vorstellen: die ist nämlich nicht nur sicher und warm, sondern auch lehrreich, unterhaltsam und inspirierend.
Unsere fünf Empfehlungen für neu eröffnende Architektur- und Designausstellungen im Dezember umfassen Zufluchtsorte in Winterthur, Barcelona, New York, München und Moskau.
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Während es ziemlich einfach ist eine emotionale Verbindung zu einem Stuhl, einem Sessel oder einem Sofa zu entwickeln, entlocken einem Schränke grundsätzlich weniger emotionale Reaktionen, bzw. überhaupt irgendein Interesse. Und dennoch, was wären wir ohne Schränke Und das bezieht sich jetzt nicht nur auf Schränke, Küchenregale, Büroregale oder den heimischen Kleiderschrank im physischen Sinne, sondern auch auf den Schrank als Hüter des Unbekannten, als Ort, an dem wir unsere Geheimnisse und längst vergessene Dinge aufbewahren. Mit einer Mischung von historischen wie zeitgenössischen Schrank- und Regaldesigns von Designern wie Le Corbusier, Maarten Baas, Willy Guhl oder Enzo Mari und Schränken in Kunstprojekten, das heißt in kinematografischen und literarischen Kontexten, hat sich Cupboard Love vorgenommen einerseits das physische Objekt Schrank in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu erforschen, und andererseits der sozialen, kulturellen und metaphorischen Relevanz des Schrankes auf den Grund zu gehen. So soll unser Verhältnis zum Schrank neu bewertet werden… und vielleicht realisieren wir so, dass Schränke genauso unsere Aufmerksamkeit verdient haben wie Sitzmöbel.
„Cupboard Love“ wird im Gewerbemuseum Winterthur, Kirchplatz 14, 8400 Wintherthur am Sonntag, den 3. Dezember eröffnet und läuft bis Sonntag, den 22. April 2018.
Durch seine Architektur, sein Design und auch durch seine Schriftstücke (im Grunde vor allem durch seine Schriftstücke) ist der österreichisch-ungarische Architekt Adolf Loos zu einem der führenden Protagonisten des Übergangs vom dekorativen Stil des 19. Jahrhunderts hin zu dem was die Internationale Moderne werden sollte geworden. Nicht zuletzt durch seine oft wiederholte, wenn auch nicht immer richtig verstandene, Maxime von „Ornament und Verbrechen“. Mit einem Fokus auf Interiordesign-Projekten, die im Kontext mit Wiener Privatwohnungen realisiert wurden, und unterteilt in sechs Themenbereiche, darunter „Otto Wagner and the Secession“, „Form and Function in Furniture“ oder auch „Tradition and Modernity“, hat sich „Adolf Loos – Private Spaces“ zum Ziel gesetzt nicht nur Loos‘ Œuvre zu untersuchen, sondern auch zu beleuchten wie sein Werk etablierte Konzepte des frühen 20, Jahrhunderts herausforderte und so half den Weg für Gropius, Rietveld oder Mies van der Rohe zu ebnen. In diesem Sinne also sollten wir seiner praktischen Architektur und Designarbeit die gleiche Aufmerksamkeit zukommen lassen wie seiner theoretischen Arbeit.
„Adolf Loos – Private Spaces“ wird im Museu del Disseny de Barcelona, Pl. de les Glòries Catalanes 37-38, 08018 Barcelona, am Donnerstag, den 14. Dezember eröffnet und läuft bis Sonntag, den 25. Februar 2018.
Wenn die Form der Funktion folgt, was heißt das dann für Objekte, die designed wurden um eine nicht intakte menschliche Funktion zu kompensieren? Mit der Ausstellung „Access + Ability“ will das Copper Hewitt zeitgenössisches Design im Kontext von Behinderungen (physischen wie geistigen) untersuchen und so nicht nur einige Antworten auf besagte Fragen liefern, sondern auch erforschen, wie zeitgenössische Materialien und Technologien in Verbindung mit intelligentem Design Lösungen kreieren können, die über die jeweilige Funktionalität hinaus gehen. Angekündigt wird eine Präsentation von um die 70 Objekten, darunter einige fragwürdig dekorative Beinprothesen. „Access + Ability“ liefert so einen Überblick über zeitgenössisches Design für Behinderungen und verspricht das Potential für einen wichtigen Beitrag zu einer Diskussion zu entwickeln, die sich mit diesem Nischen-Designgenre befasst. Eine Bezeichnung, die natürlich für alle Betroffenen völlig unzutreffend ist.
„Access + Ability“ wird im Cooper Hewitt, Smithsonian Design Museum, 2 East 91st Street, New York, New York 10128 am Freitag, den 15. Dezember eröffnet und läuft bis Montag, den 3. September 2018.
Ein Kinderstuhl ist nicht nur eine kleinere Version eines Erwachsenenstuhls. Vielmehr muss ein Kinderstuhl die spezifischen Anforderungen eines sitzenden Kindes reflektieren und ihnen gerecht werden. bzw. den Anforderungen des nicht sitzenden Kindes. Diese Anforderungen beziehen sich also nicht nur auf Situationen in denen auch die Erwachsenen sitzen, sondern auch auf die unregulierte Fantasiewelt der Kinder und die regulierte Welt des Spielens in der Schule. Basierend auf einer Sammlung von über 290 Kinderstühlen der Münchnerin Gisela Neuwald versammelt „… nur Stühle?“ eine Mischung von einheimischen Objekten aus weltweiten Kulturen und Designklassikern von Designern wie unter vielen anderen: Luigi Colani, Hans J. Wegner, Alvar Aalto, Konstantin Grcic. Die Kuratoren wollen so nicht nur den Besonderheiten von Kinderstühlen auf den Grund gehen, sie wollen so auch die Entwicklung des Kinderstuhls im Kontext der sozialen und technologischen Evolution erforschen.
„… nur Stühle? Kinderstühle aus der Sammlung Neuwald“ wird im Die Neue Sammlung – Designmuseum München, Türkenstraße 15, 80333 München am Donnerstag, den 7. Dezember eröffnet und läuft bis Sonntag den 4. Februar 2018.
„Design System in the USSR“ wurde im November eröffnet, ist uns erstmal durchs Netz gegangen aber glücklicherweise dann nicht gänzlich entwischt. Die vom Moskauer Design Museum und dem All-Russian decorative Art Museum organisierte Ausstellung ist keine Ausstellung über Design der Soviet-Ära, sondern eher eine Ausstellung, die erklären will wie Design in der früheren UdSSR organisiert wurde. Die Antwort scheint überraschenderweise ausgesprochen gelungen zu sein. Trotz all der Behinderungen, die man in ökonomischen und politischen Systemen der Sowjetunion zu erwarten hatte. Angefangen mit einem Dekret des Ministerrates der Sowjetunion von 1962, das die Umsetzung von Designmethoden verlangte um die Qualität von Industrie- und Konsumobjekten zu verbessern, wird „Design System in the USSR“ anhand von ungefähr 500 Ausstellungsobjekten die Prozesse, Systeme und Erfolge der zahlreichen Institutionen nach verfolgen, die gegründet wurden um Design in der Sowjetunion zu koordinieren und zu promoten. Und zu diesem Zweck liefert die Ausstellung einerseits einen allzu seltenen, und deshalb um so willkommeneren Einblick in die Rolle und Relevanz des Designs in der sowjetischen Industrie und klärt zudem wer die wichtigen Entscheidungen traf. Auf diese Wiese werden eventuell die einen oder anderen populären Mythen des sowjetischen Designs entweder bestätigt oder zerstört.
„Design System in the USSR“ läuft im Fashion & Design Center/All-Russian Decorative Art Museum, Delegatskaya Ulitsa 3, Moskau bis 12. Januar 2018.
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