„Arne Jacobsen – Dänemarks Designer“ im Trapholt Museum Kolding

Hvis jeg får et nyt liv, vil jeg være gartner“ – „In einem anderen Leben wäre ich Gärtner geworden“, so einst der dänische Architekt und Designer Arne Jacobsen.

Das heißt natürlich nicht, dass die Ausstellung „Arne Jacobsen – Dänemarks Designer“ im Trapholt Museum in Kolding den BesucherInnen nahelegen würde, Jacobsen habe den falschen Beruf gewählt.

Arne Jacobsen - Designing Denmark, Trapholt, Kolding

„Arne Jacobsen – Dänemarks Designer“, Trapholt Museum Kolding

Arne Emile Jacobsen wurde am 11. Februar 1902 in Kopenhagen als Kind einer allem Anschein nach gehobenen Mittelstandsfamilie geboren. Seine Mutter war gelernte Bankkauffrau und auch die erste Frau in Dänemark, die eine solche Ausbildung absolvierte. Sein Vater war Großhändler von Sicherheitsnadeln, Druckknöpfen und ähnlichen kleinen Metallprodukten, die im Bekleidungseinzelhandel eingesetzt wurden. Da wir die Biografie von Arne Jacobsen in einem früheren Beitrag (kurz) besprochen haben, verweisen wir Sie dorthin, um sich einen Überblick über die Eckdaten zu verschaffen und beginnen unseren Beitrag im Trapholt Museum mit dem ersten Abschnitt der Ausstellung „Arne Jacobsen – Dänemarks Designer“. Dieses Eröffnungskapitel ist mit der Frage überschrieben „Er det dansk?“ – „Ist das dänisch?“. Eine Frage, auf die wir zurückkommen werden, und ein Abschnitt der Ausstellung, der für uns einen Großteil ihres Vergnügens ausmacht.

Nicht, dass die anderen Ausstellungskapitel nicht interessant, informativ und unterhaltsam wären (Spoiler alert!), das sind sie, aber sie präsentieren auch größtenteils vertraute Objekte und Requisiten aus der Arne-Jacobsen-Biografie. Das Eröffnungskapitel zeigt hingegen Werke, die weniger oft diskutiert und sicherlich seltener ausgestellt werden, jedoch allesamt Relevanz haben. Anders ausgedrückt: Die populäre Biografie von Arne Jacobsen beginnt 1952 mit seinem Stuhl Ameise. Arne Jacobsen wurde jedoch am 11. Februar 1902 geboren und war als Die Ameise im Oktober 1952 offiziell vorgestellt wurde 50 Jahre alt. Er näherte sich seinem 51. Lebensjahr und hatte bereits, wie das erste Kapitel von „Dänemarks Designer“ elegant erklärt, eine lange, abwechslungsreiche und erfolgreiche Karriere hinter sich.

Arne. Architect. Designer. Pipe smoker.

Arne Jacobsen. Architekt. Designer. Pfeifenraucher.

Diese lange und abwechslungsreiche Karriere begann in vielerlei Hinsicht mit einer Leidenschaft und einem Talent für Malerei und war während ihrer gesamten Dauer von Malerei beeinflusst und geprägt. Eine Leidenschaft, die Jacobsen möglicherweise von seiner Mutter geerbt hat. Ziemlich sicher ist, dass sein Vater dagegen war, dass Jacobsen aus dieser Leidenschaft einen Beruf macht, und so entschied sich der junge Arne für die Landschaftsarchitektur, ein Beruf, der in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts noch sehr eng mit der Kunst verbunden war. Arne Jacobsen war also noch (weitgehend) ein Künstler, ein Maler, weil sein Beruf ihm die Möglichkeit bot, der Malerei nahe zu sein. Den Einstieg in die Landschaftsarchitektur boten ihm Grundkurse im Bauwesen an der örtlichen Technischen Hochschule, ergänzt durch einen Sommer als Steinmetzlehrling, bevor er 1924 in die Architekturabteilung der Königlich Dänischen Kunstakademie in Kopenhagen wechselte. Während Studienreisen nach Frankreich und Italien lernte Jacobsen nicht nur die klassische Architektur kennen, sie wurde auch zu einem direkten Einfluss für ihn. Jedenfalls zu einer Vorliebe, die sich in seinem Abschlussprojekt von 1927 widerspiegelte: ein Museumsgebäude mit einem ausgeprägten neoklassizistischen und leicht nationalromantischen Akzent.

Im Laufe der 1920er Jahre war Arne Jacobsen jedoch zunehmend mit zeitgenössischen Positionen und Auffassungen von Architektur und Design konfrontiert. Dazu gehören Momente wie die „L’Exposition internationale des arts décoratifs et industriels modernes“ in Paris 1925, eine Veranstaltung, die Jacobsen auf einer Studienreise besuchte und bei der die StudentInnen „davor gewarnt wurden, sich von dem modernen Bluff beeindrucken zu lassen“1. Diese Warnung hat Jacobsen offensichtlich nicht beherzigt, stattdessen gewann er eine Silbermedaille für einen leider lange verlorenen Stuhlentwurf. Darüber hinaus war insbesondere Deutschland, vor allem mit Projekten wie dem Neuen Frankfurt oder der Weißenhofsiedlung in Stuttgart, für Jacobsen ein Anlass sein Verständnis von Architektur und Design neu zu überdenken. So kam es Ende der 1920er Jahre zu einem deutlichen Wandel in Jacobsens Gestaltungsauffassung, der in den ersten beiden Projekten, auf die man bei „Dänemarks Designer“ stößt, deutlich und nachvollziehbar wird. Dabei handelt es sich um das Haus der Zukunft und das Bellevue Strandbad.

A presentation of the 1929 House of the Future inclduing the Forest Snail chair by Arne Jacobsen, as seen at Arne Jacobsen - Designing Denmark, Trapholt, Kolding

Präsentation des Haus der Zukunft von 1929 und ein Forest Snail Stuhl von Arne Jacobsen, „Arne Jacobsen – Dänemarks Designer“, Trapholt Museum Kolding

Das Haus der Zukunft war ein Projekt, das er zusammen mit seinem Jugendfreund Flemming Lassen im Kontext der dänischen Architektenausstellung von 1929 realisierte. Ein zukunftsweisendes Haus, das mit einer Mischung aus Stahlrohr-Freischwingern von Mies van der Rohe und Lilly Reich und mit Rattan-Loungestühlen von Jacobsen, dem sogenannten Forest Snail Chair, ausgestattet war. Die Rollen und Kurven der Forest Snail Stühle ergänzten nicht nur die Spirale des Hauses, sondern deren unzweideutige Solidarität mit dem Art Déco. Eine ziemliche Herausforderung, bedenkt man, wie dominant das Quadratische und Lineare während der internationalen Zwischenkriegsmoderne war. Mit seiner unbändigen Fantasie, aber auch dank seiner humanen, spiralförmigen, formalen Ausdrucksweise wurde das Haus der Zukunft nach allem, was man so hört, zum Medienhit Dänemarks im Jahr 1929 und wäre wohl überall auf Instagram zu finden gewesen. In jedem Fall trug es dazu bei, dass sich die Namen Lassen und Jacobsen etablierten.

Darüber hinaus half das Haus der Zukunft Arne Jacobsen wohl auch dabei, im Jahr 1930 den Wettbewerb für das Bellevue Strandbad in Klampenborg am Nordrand von Kopenhagen zu gewinnen. Wie hier bereits an früherer Stelle besprochen, war Bellevue das erste kommerzielle Großprojekt Jacobsens. Der modernistische Landschaftsarchitekt C.Th. Sørensen entwickelte einen Park in Strandnähe und Arne Jacobsen entwarf die Umkleidekabinen, Kioske und die dazugehörigen Gebäude. Zum Strandbad gehörten zwar auch quadratische weiße Gebäude, aber auch verspielte, sommerliche Rettungsschwimmertürme. Später wurde Bellevue um eine Wohnsiedlung und ein Theater erweitert. Heute ist dieses erste Großprojekt zwar nicht mehr vollständig erhalten, das Bellevue Strandbad ist aber nach wie vor einen Besuch wert, wenn man in Kopenhagen ist. Bei „Dänemarks Designer“ ist das Strandbad mit Möbeln, Fotos und vor allem in Form eines Films vertreten, der unterstreicht, wie beliebt das Bellevue Strandbad in den 1930er Jahren war. Eine Popularität, die unweigerlich auf den kaum 30 Jahre alten Arne Jacobsen abfärbte.

Arne. Architect. Designer. Photographer.

Arne Jacobsen. Architekt. Designer. Fotograf.

Von diesen frühen Projekten geht „Dänemarks Designer“ zu nachfolgenden Projekten über, darunter u. a. seine ersten Kooperationen mit Novo Pharmaceuticals, eine Firma, die zu einem wichtigen Kunden und Bestandteil der Jacobsen-Biografie werden sollte. Außerdem das Rathaus von Aarhus, ein Projekt, das mit Erik Møller und einem jungen Hans J. Wegner als Assistent realisiert wurde. Oder die Munkegård-Schule in Gentofte am nordöstlichen Rand von Kopenhagen.

Wie in „Dänemarks Designer“ gezeigt und diskutiert wird, hat diese Entwicklung dazu beigetragen, die zentrale Rolle des Gesamtkunstwerks für Jacobsens Verständnis von Architektur und Design herauszustellen. Arne Jacobsen realisierte nämlich seit dem Bellevue Strandbad nicht nur Architekturprojekte, sondern auch die Einrichtung und das Mobiliar dafür. Auch wenn nicht alle Möbel- und Leuchtenentwürfe Arne Jacobsens ausschließlich im Kontext von Architekturprojekten entwickelt wurden, entstand die überwiegenden Mehrheit  kontextbezogen und eher konzeptionell.

Das ist wichtig zu verstehen, wenn man Arne Jacobsen und seine Möbel und Leuchten besser verstehen will. Genauso hilfreich ist es, die Projekte zu verstehen, in deren Kontext Arne Jacobsen seine Designs entwarf.

A presentation of moulded plywood chairs by Arne Jacobsen, as seen at Arne Jacobsen - Designing Denmark, Trapholt, Kolding

Eine Präsentation von Stühlen aus geformtem Sperrholz von Arne Jacobsen, „Arne Jacobsen – Dänemarks Designer“, Trapholt Museum Kolding

Im Laufe des ersten Kapitels von „Dänemarks Designer“ verändern sich die Materialien und Produktionsprozesse der Jacobsen Möbel auf gefährliche Weise, aus handwerklich wird industriell und aus Massivholz wird Sperrholz. Alle Stühle gehen zunehmend von handwerklich gefertigtem Massivholz zu industriell geformtem Sperrholz über.

Diese Präsentation von geformten Sperrholzschalen erinnert uns alle daran, dass Arne Jacobsen und Fritz Hansen mit der Ameise die erste kommerzielle einteilige dreidimensional geformte Sitzschale aus Sperrholz realisierten. Zwar arbeiteten auch ein Aalto oder ein Breuer in den 1930er Jahren mit geformtem Sperrholz, das zwar auch wellig und fließend, aber eher zweidimensional geformt war. Die Versuche der Eames und Eero Saarinens im Rahmen des Wettbewerbs Organic Design in Home Furnishings des MoMA im Jahr 1940 , aus einem einzigen Stück 3D-geformte Sperrholzsitzschalen herzustellten, blieben experimentell und wurden erst später aus alternativen Materialien realisiert, sodass die Sperrholzstühle der 1940er Jahre von Charles und Ray Eames oder Egon Eiermann immer über eine separate Sitzfläche und Rückenlehne verfügten. Die erste einteilige 3D-geformte Sitzschale aus Sperrholz, und damit ein wichtiger Moment in der Geschichte des Möbeldesigns, war die des ansonsten unscheinbaren Stuhls Ameise.

So wird auch deutlich, dass während für die Eames oder Egon Eiermann Formsperrholz ein Mittel zum Zweck war, das heißt ein Material und ein Verfahren, das die industrielle Produktion von Möbeln ermöglichen würde, Formsperrholz für Arne Jacobsen eine neue Freiheit bedeutete. So wurde das Material von Jacobsen in immer neuen Ausdrucksformen erprobt und genutzt. „Kann so etwas hergestellt werden?“, wird Jacobsen im Ausstellungskatalog zu „Dänemarks Designer“ 2 zitiert, wie er seine IngenieurInnen oft fragte. Dem folgten dann zahlreiche Experimente auf dem Weg zu einer Lösung. Manchmal kam es dazu, manchmal nicht, aber Jacobsen erforschte und experimentierte weiter.

Die Freiheit dieses neuen Materials sollte auch in neuen Kontexten erprobt, genutzt und erforscht werden, sodass zu den Projekten, die Jacobsen entwarf, nicht mehr nur seine Architekturaufträge gehörten, sondern auch Projekte mit umfassenderen sozialen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen.

Auch wenn Jacobsen bis zum Ende seiner Karriere ein unnachgiebiger Gesamtkünstler blieb, begann er durch seine Experimente mit Formsperrholz auch Möbel für die anonyme Masse zu kreieren, eine wichtige Entwicklung in seinem Designverständnis. Der Formsperrholz-Schalenstuhl markiert so logischerweise den Beginn der populären Arne-Jacobsen-Biografie, den Moment, ab dem jeder einen Jacobsen-Entwurf besitzen konnte und an dem Jacobsen in Dänemark ebenso Teil des häuslichen Lebens wurde, wie er es in den beiden vorangegangenen Jahrzehnten im bürgerlichen, kommerziellen und institutionellen Leben geworden war.

Teil der populären Arne-Jacobsen-Biografie und ein entscheidender Beitrag zur Skyline der Kopenhagener Innenstadt ist vor allem das SAS Royal Hotel.

The SAS Royal Copenhagen, the round version, as seen at Arne Jacobsen - Designing Denmark, Trapholt, Kolding

Das SAS Royal Hotel Kopenhagen, hier die runde Version, „Arne Jacobsen – Dänemarks Designer“, Trapholt Kolding

Dieses Hotel, dieses Gesamtkunstwerk mit seinen „Schwänen“, „Giraffen“ und „Eiern“, wurde auf diesen Seiten schon bei etlichen Gelegenheiten besprochen und auch an anderer Stelle viel diskutiert und deshalb wollen wir das Projekt schnell überspringen. Es bleibt zu bemerken, dass die Art und Weise, wie die meisten quadratischen Objekte in „Dänemarks Designer“ in den runden Regalen präsentiert und diskutiert werden, etwas absolut Erfreuliches hat. Sehr frech, aber respektvoll.

Zu beachten ist außerdem, dass das SAS Royal Hotel nicht nur sowieso international ist, sondern auch den Beginn von Jacobsens internationaler Karriere markierte, und zwar kurz vor seinem 60. Geburtstag. Eine internationale Karriere, die nach seinem vorzeitigen Tod am 24. März 1971 im Alter von nur 69 Jahren weit fortgeschritten war. Während Arne Jacobsen Projekte wie den Hauptsitz der Hamburgischen Elektrizitätswerke (HEW) oder das St. Catherine’s College in Oxford noch nach ihrer Fertigstellung erleben konnte, wurden Projekte wie das Mainzer Rathaus oder die Kuwait National Bank zwar von Jacobsen begonnen, aber erst von Hans Dissing und Otto Weitling, zwei langjährigen Partnern und Mitarbeitern Jacobsens, abgeschlossen.

„Dänemarks Designer“ endet mit einem Ausstellungsabschnitt unter dem Titel „Arne’s Legacy“, der sich aber eher mit zeitgenössischen Editionen ausgewählter Möbel- und Objektdesigns Jacobsen befasst.

Damit kommen wir zum Thonet-Test, der herausfinden soll, ob ein Ausstellungspartner bzw. Sponsor in einer Ausstellung inhaltlich übermäßig stark vertreten ist. Dieser Test wird so genannt, weil er fast immer im Zusammenhang mit Thonet-Ausstellungen zum Einsatz kommt. „Dänemarks Designer“ besteht diesen Test, wäre das nicht der Fall, würde es diesen Post wahrscheinlich nicht geben.

Arne considering if it is an Egg, or maybe a developing bud, a yet unfurled leave, a seed.....

Arne Jacobsen denkt über seinen Egg Chair nach

Mit über 400 Exponaten auf ca. 900 Quadratmetern liegt der Schwerpunkt von „Arne Jacobsen – Dänemarks Designer“, wie der Titel schon andeutet, auf Jacobsens Designs. Wobei die Kontexte, in denen diese Entwürfe entstanden sind, so präsentiert werden, dass sich die Hintergründe der einzelnen Projekte nachvollziehen lassen und man die einzelnen Projekte im breiteren Werk und der Biografie Jacobsens verorten kann. Die präsentierten Arbeiten werden durch prägnante, zweisprachige dänisch/englische Texte und zahlreiche Videos ergänzt. Hier kommt Arne Jacobsen in vielen Fällen, und das ist sehr erfreulich, selbst zu Wort. Dass DesignerInnen in Ausstellungen für sich selbst sprechen, ist eher eine Seltenheit, meist wird diese Aufgabe den Objekten überlassen.

Unter den vielen Werken, mit denen wir uns in der Ausstellung lange beschäftigt haben, findet sich ein Lounge Chair von 1927, der nicht nur formal ein Genuss ist, sondern uns dank des Mahagoniholzes daran erinnert, dass auch Kaare Klint zu den Lehrern des jungen Jacobsen gehörte. Hinzu kommt ein dreibeiniger Bürodrehstuhl aus den 1930er Jahren, der zusammen mit Fritz Hansen entwickelt wurde. Außerdem der Bücherwagen für die Bibliothek von Rødovre, der  perfekt Jacobsens ganzheitlichen Ansatz unterstreicht und der Stahlrohr- und Lederpolsterstuhl 3400 von 1971 für und mit Fritz Hansen, der die Bedeutung der fast 40-jährigen Beziehung zu Fritz Hansen deutlich macht. Diese Aufzählungen ließe sich natürlich fortsetzen.

Die Anzahl und vor allem die Vielfalt der einzigartigen Möbel- und Beleuchtungsentwürfe, die bei „Dänemarks Designer“ präsentiert werden, machen deutlich, welch geringer Prozentsatz von Jacobsens Entwürfen heute einer breiten Öffentlichkeit bekannt ist. Es stellt sich heraus, dass die große, eher unbekannte Mehrheit genauso relevant ist wie die populären Entwürfe. Nicht unbedingt jedes einzelne Stück für sich genommen, aber die Objekte in ihrer Gesamtheit. Deshalb ist es ein Irrtum, das Werk Arne Jacobsens allein auf der Grundlage seiner Möbel- und Leuchtenentwürfe und seiner populärsten Arbeiten, die alle nach 1950 entstanden sind, erfassen zu können, was die Ausstellung sehr deutlich zeigt.

Telephone table developed by Arne Jacobsen with Flemming Lassen for Søllerød Town Hall, and a great deal more, as seen at Arne Jacobsen - Designing Denmark, Trapholt, Kolding

Telefontisch von Arne Jacobsen und Flemming Lassen für das Søllerød Rathaus und vieles mehr, „Arne Jacobsen – Dänemarks Designer“, Trapholt Museum Kolding

Anfang der 1940er Jahre lernte Arne Jacobsen seine zweite Frau kennen. Joanna Møller war Textilmalerin und half Arne Jacobsen dabei seine Gemälde, vor allem seine Blumenbilder, in Textilien und Tapeten zu übertragen. 1943 war Jacobsen aufgrund seiner jüdischen Abstammung gezwungen vor den Nazis zu fliehen. Jacobsen und Møller überquerten daraufhin den Öresund nach Schweden in einem Ruderboot mit Inger und Poul Henningsen.

Sicher angekommen benötigte Arne Jacobsen Arbeit und eine Einkommensquelle. Beides fand er in Form einer Zusammenarbeit mit dem Stockholmer Kaufhaus Nordiska Kompaniet. Dabei handelte es sich um eine Institution, die Möbel und Accessoires nicht nur verkaufte, sondern auch produzierte und für die Jacobsen und Møller eine Textilkollektion realisierten, die weitgehend auf Jacobsens floralen botanischen Gemälden basierte. Diese Karriere als  Textildesigner führte Jacobsen nach dem Krieg in Form von Kooperationen mit dänischen Herstellern wie Grautex und C. Olesen (Cotil) fort. Sein formaler Ausdruck wurde dabei immer abstrakter, basierte aber nach wie vor häufig auf Formen aus der Natur, vor allem auf Pflanzenformen. Diese Arbeiten werden in „Arne Jacobsen – Dänemarks Designer“ ausführlich gezeigt, besprochen und erforscht. Wir gehen davon aus, dass diese Arbeiten bald mit viel Trara neu aufgelegt werden. Vor allem aber bilden die Arbeiten einen Moment in der Biografie des Designers, der differenzierte Betrachtungen zu Jacobsen und seinem Werk zulässt und deutlich macht, dass nicht nur die Weltsicht des Künstlers, sondern auch die des Gärtners Jacobsens Werk geprägt haben.

Seine Behauptung, dass er in einem anderen Leben Gärtner geworden wäre, war also nicht aus der Luft gegriffen und nicht auf eine Unzufriedenheit mit seiner Berufswahl zurückzuführen. Vielmehr ging es dabei um eine lebenslange Leidenschaft, ähnlich seiner Leidenschaft für die Malerei. Er war also in vielerlei Hinsicht auch ein Gärtner: Er unterhielt einen privaten Garten mit Pflanzen, die er auf seinen Reisen sammelte, und wann immer sich die Gelegenheit dazu bot, wie zum Beispiel in der Munkegård-Schule, der Katharinenschule oder der dänischen Nationalbank, gestaltete Jacobsen auch Gärten im Rahmen seiner Architekturprojekte.

Hat man diese Affinität zur Pflanzenwelt und die präzise Beobachtung des Pflanzenreichs wie sie sich in seiner Malerei und Fotografie niederschlägt einmal verstanden, lässt sich Jacobsens Werk ganz neu beurteilen. Mann nähert sich so einem Verständnis der Kurven, Rollen und fließenden organischen Formen seiner Entwürfe an, das Arne Jacobsen durchaus in die figurative, florale Tradition des Jugendstils stellt.

Arne Jacobsen, ein Vertreter des Jugendstils?

Das wäre wohl nicht zutreffend, allerdings ließe sich ein Argument dafür anführen, vor allem wenn man Jacobsens Hang zum Konzept des „Gesamtkunstwerks“ in Betracht zieht. Vielmehr aber war er ein Designer inspiriert vom Reich der Pflanzen. Doch während die Faszination des Jugendstils für das Florale weitgehend in der Romantik verwurzelt war und so im Sinne einer Rückbesinnung auf die Natur verstanden werden kann, war Jacobsens Faszination für die Pflanzenwelt viel praktischer, objektiver und sachlicher ausgelegt. Sie war vielmehr mit einem genauen Studium formaler und konstruktiver Aspekte verbunden, Jacobsen interessierten eher die Strukturen und weniger das symbolische Potential der Pflanzenwelt. Man könnte sagen, es ging eher um Fakten statt um Idealisierung.

Diesem Referenzraum ist Jacobsen treu geblieben. Auch wenn er sich als Designer im Laufe der Jahre ständig weiterentwickelte, sein Art Déco der 1920er und 30er Jahre unterscheidet sich nicht von seinem organischen Modernismus der 1950er und 1960er Jahre. Im Kern blieb Jacobsens Verständnis und Position unverändert, auch wenn sich natürlich Mittel und Wege, Materialien und Prozesse, Kontexte und Lesarten sowie Gesellschaft und Kultur ständig wandelten.

Indem Arne Jacobsen sich selbst treu blieb, entwickelte er ein Gesamtwerk, in dem die Form zwar funktional ist, aber nicht allein durch die Funktion bestimmt wird. Form und Funktion können bei Jacobsen unabhängig, wenn auch in enger und respektvoller Verbindung miteinander existieren. Man könnte sagen, Jacobsen kultivierte dieses Werk, statt es zu schaffen. Statt auf einen Ausdruck ausgerichtet zu sein, entwickelte sich dieser Ausdruck aus der Arbeit und ist deshalb anpassungsfähig, formbar und unabgeschlossen geblieben. Damit enzieht sich Jacobsens Werk festen Kategorien und Schubladen und bleibt allein Jacobsens Verständnis und Beobachtung der natürlichen floralen Welt und seiner Vorstellung des Gesamtkunstwerkes verhaftet.

Was uns zu der Frage zurückbringt, „Er det dansk?“, „Ist das dänisches Design?“

Arne looks uncertain...... The wallpaper is called Crown Imperial, as seen at Arne Jacobsen - Designing Denmark, Trapholt, Kolding

Arne Jacobsen schaut unschlüssig. Die Tapete heißt Crown Imperial und basiert auf einem Gemälde von Arne Jacobsen, „Arne Jacobsen – Dänemarks Designer“, Trapholt Museum Kolding

Eine Frage, die wir aus Platzgründen in einem zweiten Beitrag beantworten werden. In jedem Fall lohnt es sich, diese Frage beim Besuch der Ausstellung im Kopf zu behalten.

Die Ausstellung „Arne Jacobsen – Dänemarks Designer“ bietet genug Raum und Zeit um über Antworten nachzudenken. Trotz des Umfangs und der Tragweite bietet „Dänemarks Designer“ einen sehr offenen, gemütlichen und leicht zugänglichen Rundgang durch Arne Jacobsens Leben und Design. Die Präsentation belehrt die AusstellungsbesucherInnen nicht und ermutigt einen vielmehr, alles, was man über den Designer Arne Jacobsen zu wissen glaubt, zu hinterfragen und den Weg, den Arne Jacobsen von den 1920er bis zu den 1970er Jahren gegangen ist, in seiner ganzen Länge nachzuvollziehen.

Statt der verkürzten, populären Version geht die Ausstellung auf unterschiedliche Einflüsse, denen er in diesen Jahrzehnten ausgesetzt war, ein und untersucht, wie Jacobsen auf diese Einflüsse und die historischen Veränderungen in Dänemark reagiert hat. Der Ausstellungsbesucher oder die Ausstellungsbesucherin kann die Prozesse, in denen Jacobsens Entwürfe entstanden sind, die Einflüsse, denen er ausgesetzt war, nachvollziehen. Anschaulich wird auch Jacobsens Einfluss auf die damals jungen Designer wie Hans J. Wegner oder Verner Panton, die für und mit ihm arbeiteten. Die Ausstellung geht auf seine Materialien, seine Konstruktionen, seine Kompositionen und auch auf die Tatsache ein, dass Jacobsen in den 1990er Jahren ziemlich out und sein SAS Royal entkernt war. Möbel und Einrichtungsgegenstände landeten im Müllcontainer. Zu bedenken ist die Diskrepanz zwischen der Jacobsen-Rezeption in den 1990er und in den 2020er Jahren. Die BesucherInnen lernen Jacobsen als Maler, Gartenbauer und Fotograf kennen und erfahren, wie Jacobsen auf Instagram ankommt, man folgt Jacobsen von den 1920er bis zu den 2020er Jahren und bekommt alles andere als die populäre, gekürzte Version vorgesetzt.

Letztendlich stellt sich die Frage, was unser Möbel- und Objektdesign heute ohne Arne Jacobsen wäre.

„Arne Jacobsen – Dänemarks Designer“ läuft noch bis Montag, den 24. Mai im Trapholt Museum, Æblehaven 23, 6000 Kolding.

Außerdem kann man in Trapholt das ehemalige Gartenhaus der Familie Jacobsen besichtigen, eine Konstruktion, die im Kontext von Arne Jacobsens modularem Kubeflex-Bausystem im Jahr 1969/1970 realisiert wurde.

Alle Infos finden Sie unter https://trapholt.dk. Bitte machen Sie sich vor dem Besuch der Ausstellung mit den aktuellen Regeln bezüglich Eintrittskarten, Sicherheit, Hygiene, Garderobe usw. vertraut.

1. Lisbet Balslev Jørgensen quoted in Carsten Thau and Kjeld Vindum, Arne Jacobsen, Architektens Forlag, Copenhagen, 2002

2. Katrine Stenum Poulsen [Ed.], Arne Jacobsen – Designing Denmark, Trapholt, Kolding, 2020

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