5 neue Architektur- und Designausstellungen im April 2021

Fast so hat es der englische Dichter Robert Browning im 19. Jahrhundert bereits formuliert:

Oh jetzt, wo der April gekommen ist, in Berlin, Wien, Chemnitz, ’s-Hertogenbosch oder Berlin zu sein. Denn wer in Berlin, Wien, Chemnitz, ’s-Hertogenbosch, oder Berlin erwacht,
der wird eines Morgens eine höchst interessante, unterhaltsam und lehrreich klingende Architektur- und/oder Designausstellung entdecken, und das während der Buchfink im Obstbaum singt…

5 New Architecture & Design Exhibitions for April 2021

„Hella Jongerius: Kosmos weben“ im Gropius Bau, Berlin, Deutschland

Die niederländische Designerin Hella Jongerius ist zwar vor allem für ihre Objekte bekannt, bei einem großen Teil ihrer Arbeit geht es aber um das Experimentieren und Erforschen von und mit Farben, Materialien und Produktionsprozessen. Zudem reflektiert Jongerius mit ihren Arbeiten die Beziehungen zwischen Objekten, Räumen und Nutzern und den breiteren sozialen, kulturellen, ökologischen und ökonomischen Systemen, sowie die zeitgenössische Produktion und mögliche zukünftiger Alternativen.

Solche Überlegungen wird Hella Jongerius auch im Rahmen von „Kosmos weben“ anstellen, und zwar, wie der Titel schon andeutet, im Zusammenhang mit der Webtechnik. Dabei handelt es sich nicht nur um eines der ältesten und ein weltweit verbreitetes handwerkliches Produktionsverfahren, sondern auch um ein Verfahren, das sich im Laufe der Jahrhunderte ständig weiterentwickelt und diversifiziert hat, und in immer neuen Kontexten auftaucht. Damit begleitet die Webtechnik nicht nur die Entwicklung unserer globalen Gesellschaften, sondern spiegelt sie auch wider.

Ihre Überlegungen zum Thema Weben wird Hella Jongerius in einer Ausstellung präsentieren, die bereits im Gropius Bau Form annimmt: Seit Herbst 2020 weben Jongerius und ihr Team Installationen im und am Gropius Bau. Dieser Prozess soll während der gesamten Laufzeit von „Kosmos Weben“ fortgesetzt werden. Damit wird „Kosmos Weben“ zu einer Ausstellung, die ebenso dynamisch und interaktiv ist wie der Akt des Webens selbst. Damit passt die Ausstellung in vielerlei Hinsicht auch zu der von Hella Jongerius & Louise Schouwenberg mit „Beyond the New“ in der Neuen Sammlung München vertretenen Position, dass Produkt- und Industriedesign nicht ins Museum gehören, weil ein funktionaler Gegenstand, dem seine Funktion abgesprochen wird, im Grunde eine sinnlose Absurdität darstellt. Die Art wie Jongerius‘ Installationen und Projekte in „Kosmos Weben“ präsentiert werden, soll diese Gegenstände, wenn man so will, zumindest ein wenig authentischer machen.

In gewisser Hinsicht handelt es sich bei „Komsos weben“ um eine Weiterentwicklung der 2019 von Jongerius im Lafayette Anticipations in Paris inszenierten und präsentierten Ausstellung „Interlace, textile research“. Die Ausstellung im Gropius Bau verspricht die Besucher*innen nicht nur durch Jongerius‘ Reflexionen zum Thema Weben zu führen, sondern auch Fragen nach unserem Verhältnis zum Weben, nach dem Wert des Webens in der heutigen Gesellschaft oder dem Platz des Webens in der zukünftigen Gesellschaft aufzuwerfen. So werden Themen wie Nachhaltigkeit und  Verantwortung im Zusammenhang mit den Beziehungen zwischen Objekten, Räumen, Nutzern und weiteren sozialen, kulturellen, ökologischen und ökonomischen  Systemen thematisiert und es wird nach dem Zustand der heutigen Produktion und zukünftigen Alternativen gefragt. „Kosmos weben“ verspricht dabei eine Ausstellung zu sein, die ebenso viel über Hella Jongerius, ihre Arbeit, ihre Positionen und ihr Verständnis wie über das Weben selbst erzählt, und dabei neue Perspektiven auf das Gewebte ermöglicht.

„Hella Jongerius: Kosmos weben“ wird voraussichtlich am Donnerstag, den 29. April im Gropius Bau, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin eröffnet und läuft bis Sonntag, den 15. August. Aktuelle Informationen erhalten Sie auf der Website des Gropius Bau.

Hella Jongerius. Weaving. (Photo Roel van Tour © Hella Jongerius, courtesy Lafayette Anticipations and Gropius Bau Berlin)

Hella Jongerius webend. (Foto Roel van Tour © Hella Jongerius, mit Genehmigung von Lafayette Anticipations und Gropius Bau Berlin)

„Die Frauen der Wiener Werkstätte“ im MAK – Museum für angewandte Kunst, Wien, Österreich

Die 1903 gegründeten Wiener Werkstätten spielten eine wichtige und  führende Rolle bei der Entwicklung des Verständnisses von Design in Österreich-Ungarn im frühen 20. Jahrhunderts als auch bei der Etablierung des zeitgenössischen Designdenkens und formalen Ausdrucks des frühen 20. Jahrhunderts in Europa. Damit nimmt die Institution einen wichtigen Part bei der Entwicklung weg vom Jugendstil des späten 19. Jahrhunderts hin zu den zahlreichen neuen Ausdrucksformen und Auffassungen der Zwischenkriegszeit ein. Trotzdem würde es den meisten von uns schwer fallen neben den Mitbegründern der Wiener Werkstätten, Josef Hoffmann und Koloman Moser, weitere kreative Personen zu nennen, die mit den Wiener Werkstätten assoziiert werden.

Das Museum für angewandte Kunst, Wien, nennt weitere 180 Namen von Kreativen, die mit den Wiener Werkstätten aus der Zeit vor ihrer formellen Gründung bis zu ihrem Untergang in den frühen 1930er Jahren verbunden waren. 180 Kreative, die die Wiener Werkstätten zu dem geformt haben, als das sie heute wahrgenommen werden, deren Namen nur selten, wenn überhaupt, in der Öffentlichkeit zu sehen sind und die alle weiblich sind. Rund 90 Werke dieser Künstlerinnen werden in der Ausstellung „Die Frauen der Wiener Werkstätten“ zu sehen sein.

Mit diesen Werken möchte das Museum für angewandte Kunst den Beitrag weiblicher Kreativer zur Geschichte der Wiener Werkstätten erforschen und erhellen, und damit deutlich machen, dass auch Frauen zu dieser Geschichte beigetragen haben. So soll dem Ausstellungsbesucher eine Perspektive auf das Leben und die Arbeit von Frauen innerhalb der Entwicklung des Designs im 20. Jahrhunderts eröffnet werden: Angefangen von der Ausbildung über die Möglichkeiten, die sie hatten und nicht hatten, bis hin zu den Anfeindungen und Diskriminierungen, denen sie ausgesetzt waren.

Damit soll nicht nur für ein besseres Verständnis der Geschichte der Wiener Werkstätten in Österreich-Ungarn gesorgt werden, sondern vor allem soll den 180 Kreativen zu ihrem Platz in der Designgeschichte verholfen werden, sodass ihre Namen und Werke hoffentlich regelmäßiger zu sehen sein werden.

„Die Frauen der Wiener Werkstätte“ wird voraussichtlich am Mittwoch, den 21. April im MAK – Museum für angewandte Kunst, Stubenring 5, 1010 Wien eröffnet und läuft bis Sonntag, den 3. Oktober. Bitte besuchen Sie die Website des MAK – Museum für angewandte Kunst für aktuelle Informationen.

Charlotte Billwiller, Mathilde Flögl, Susi Singer, Marianne Leisching and Maria Likarz, in ca 1924, just 5 of the Women Artists of the Wiener Werkstätte (Photo © and courtesy MAK - Museum für angewandte Kunst Vienna)

Charlotte Billwiller, Mathilde Flögl, Susi Singer, Marianne Leisching and Maria Likarz, ca 1924, nur 5 der vielen „Frauen Wiener Werkstätten (Foto © und mit freundlicher Genehmigung des MAK – Museum für angewandte Kunst Wien)

„Die Stadt. Zwischen Skyline und Latrine“ im smac – Staatliches Museum für Archäologie, Chemnitz

Städte bestehen nicht nur aus Gebäuden, Straßen und Vegetation, noch nur aus Menschen und anderen Tieren, die sie bewohnen. Städte zeichnen sich auch nicht nur durch die Produktion, die Politik und den Handel, der in ihnen stattfindet oder ihre Beziehungen zu anderen Orten aus. Vielmehr sind Städte all diese Dinge auf einmal, und damit Orte, die sich vor allem durch die Wechselwirkungen ihrer vielen Komponenten auszeichnen: Komplexe, ineinander verschlungene, soziale, kulturelle, wirtschaftliche, politische Interaktionen. Und das bedeutet, dass jede Stadt immer mehr ist als die Summe ihrer Teile.

Und das war schon immer der Fall.

Diese Überlegungen machen ein Archäologiemuseum zu einem höchst geeigneten, wenn auch nur selten genutzten Ort, um sich einem differenzierten Verständnis des Begriffs Stadt anzunähern.

„Zwischen Skyline und Latrine“ verspricht eine Präsentation, die zeitlich von den antiken Zivilisationen über das Mittelalter und die jüngere Zeit bis in die Zukunft reicht und Städte von der internationalen bis zur lokalen, sächsischen Metropole in den Blick nimmt. Es sollen sowohl physische als auch funktionale Aspekte unserer gebauten Umwelt erforscht werden. Die Worte Skyline und Latrine aus dem Titel sollen dabei stellvertretend für Städte stehen, die im Laufe der Zeit an Höhe und Statur gewinnen und immer dichter besiedelt und anspruchsvoller werden. Der Titel spielt aber auch auf theoretische Aspekte wie beispielsweise die Fragen, wem eine Stadt gehört, und wie die verschiedenen Stämme, die seit jeher Städte bewohnen in sie integriert werden, an.

Die Ausstellung soll dabei nicht nur neue Einsichten in die Entwicklung der Stadt als menschengemachtes Ökosystem ermöglichen, sondern auch neue Impulse für ein differenzierteres Nachdenken über gegenwärtige und zukünftige Stadtplanung, Architektur, Mobilität etc. setzen.

„Die Stadt. Zwischen Skyline und Latrine“ sollte am Donnerstag, den 1. April im smac – Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz, Stefan-Heym-Platz 1, 09111 Chemnitz eröffnet werden. Die Ausstellung öffnet jedoch erst sobald es die örtlichen Gegebenheiten zulassen und läuft dann bis Sonntag, den 26. September. Bitte informieren Sie sich auf der Website des smac – Staatliches Museum für Archäologie über den aktuellen Stand.

Chemnitz ca 1760, you'll see how the surrounding villages have cleverly built a moat to keep the Chemnitzer penned in..... (Photo László Tóth, Kunstsammlungen Chemnitz, Schloßbergmuseum, courtesy smac - staatliches Museum für Archäologie Chemnitz

Chemnitz um 1760, Sie sehen, wie die umliegenden Dörfer geschickt einen Wassergraben angelegt haben, um die Chemnitzer einzukesseln. (Foto László Tóth, Kunstsammlungen Chemnitz, Schloßbergmuseum, mit freundlicher Genehmigung des smac – staatliches Museum für Archäologie Chemnitz)

„Radical Austria – Everything is Architecture“ im Design Museum Den Bosch, ’s-Hertogenbosch, Niederlande

Der Bruch, den die erwähnten Wiener Werkstätten und die mit ihr verbundene Wiener Secession mit dem damals in Österreich vorherrschenden ästhetischen Verständnis herbeiführten, war wohl bei weitem kein so radikaler Bruch, wie er im Österreich der 1960er und 1970er Jahre von Individuen und Kollektiven wie, und unter vielen anderen, Hans Hollein, Coop Himmelb(l)au oder Haus-Rucker-Co angestrebt wurde.

Die Bedeutung und Relevanz der in Österreich in den 1960/70er Jahren realisierten Arbeiten ist nicht nur für die Entwicklung von Architektur und Design seit dieser Zeit, sondern auch für heutige Diskurse unbestreitbar.

„Radical Austria“ verspricht eine Präsentation von Projekten, Installationen und Objekten verschiedenster Protagonist*innen, die sich über ein breites Spektrum von Genres erstreckt. Ein primärer Fokus der Ausstellung scheint die Position des menschlichen Körpers zu sein, die in vielen dieser Projekte thematisiert wird: so zum Beispiel ganz physisch in Arbeiten, wie Valie Exports Tapp-und-Tastkino oder auch eher metaphysisch in Arbeiten, wie den verschiedenen Mind Expander Projekten von Haus Rucker-Co. Und dabei handelt es sich nur um zwei von diversen Projekten, die von den Radikalen Österreichern realisiert wurden und die das spekulative, experimentelle, provokative Moment in den Vordergrund rücken. Ein Moment jedoch, das auf einem theoretischen Fundament aufbaut und bewusst eingesetzt wurde, um durch einen fundamentalen Bruch mit dem Alten eine neue Gesellschaft hervorzubringen.

„Radical Austria – Everything is Architecture“ wird am Mittwoch, den 21. April im Design Museum Den Bosch, De Mortel 4, 5200 AA ’s-Hertogenbosch eröffnet und läuft bis Sonntag, den 3. Oktober. Bitte besuchen Sie die Website des Design Museum Den Bosch für aktuelle Informationen.

Mind Expander II by Haus Rucker-Co, 1969. (Photo © mumok - Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, courtesy Design Museum Den Bosch)

Mind Expander II von Haus Rucker-Co, 1969. (Foto © mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, mit freundlciher Genehmigung des Design Museum Den Bosch)

„Braun 100“ im Bröhan-Museum, Berlin, Deutschland

Kaum ein Unternehmen ist für die westdeutsche Nachkriegszeit so bekannt und gilt weithin als Synonym für Design wie die Firma Braun. Doch wie der Titel der Ausstellung des Bröhan-Museums treffend andeutet, geht die Geschichte von Braun sehr viel weiter zurück.

Dieser Geschichte geht das Bröhan-Museum in „Braun 100“ nach: Angefangen bei den frühen Jahren auf der Achterbahn während der 1920er und 30er Jahre geht die Ausstellung über zur Etablierung des Unternehmens als Inbegriff für zeitgemäßes Design und zeitgemäßen Lifestyle in den 1950er Jahren Dank diverser Kooperationen mit Fritz Eichler, Herbert Hirche, Wilhelm Wagenfeld, oder der HfG Ulm in Person von u.a. Hans Gugelot und Otl Aicher. Es folgen die Jahrzehnte unter der gestalterischen Leitung von Dieter Rams, die in vielerlei Hinsicht goldene Jahre, fast mythische Jahre waren. Schließlich endet die Geschichte mit dem Übergang zu Brauns aktueller Position und einer Verortung der Firma im Kontext der internationalen Designverständnisse und Industrie.

Damit handelt es sich um eine Präsentation, die verspricht die Geschichte von Braun zu erhellen und zu erforschen, und die Marke nicht nur unter dem Aspekt der formalen Reduktion in der Nachkriegszeit in den Blick zu nehmen. Darüberhinaus öffnet die Ausstellung ein Fenster, durch das man die Entwicklung des Designs in Deutschland von den 1920er und 30er Jahre über die vier Jahrzehnte in Westdeutschland bis hin zu unserer zunehmend globalen Welt nachvollziehen kann.

„Braun 100“ wird am Mittwoch, 21. April, im Bröhan-Museum, Schlossstraße 1a, 14059 Berlin, eröffnet und läuft bis Sonntag, den 29. August. Aktuelle Informationen erhalten Sie auf der Website des Bröhan-Museums.

The HLD 4 hair dryer by Dieter Rams for Braun ... no honest, not a radio, a hair dryer.....

Der HLD 4 Haartrockner von Dieter Rams für Braun … wirklich kein Radio, sondern ein Haartrockner!

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