Hofmobiliendepot Wien: Sixties Design

Hofmobiliendepot Vienna Sixties Design

Hofmobiliendepot Wien: Sixties Design

Am Mittwoch, den 29. Februar, hat das Hofmobiliendepot Wien seine Frühjahrsausstellung 2012 eröffnet. Wir haben wirklich gehofft, es zur Eröffnung zu schaffen, aber wie das Leben so spielt, hat es es leider nicht geklappt. Das ist nicht zuletzt deshalb so schade, weil in der Ausstellung eine unserer Lieblingsdesignepochen erkundet wird: die Sechziger. Die finden wir nicht etwa interessant im Sinne von „Wow! Guck mal wie schrill, ausgeflippt und groovy alles ist!!!“ Wirklich nicht! Die Sechziger sind so interessant, weil sie viel zum Designvokabular beigesteuert und einige Türen geöffnet haben. Und die Ausstellung bietet eine gute Gelegenheit, zu zeigen, wie sehr die Dekade oft noch immer missverstanden wird.

In zehn Abschnitte gegliedert, beginnt die Ausstellung Sixties Design in den 1950er Jahren, bevor sie über das „Design des Weltraumzeitalters“ zur Pop Art und letztlich zum Anti-Design führt. Dabei werden u.a. Arbeiten von Leuten wie Vico Magistretti, Joe Colombo, Verner Panton und Eero Saarinen präsentiert.

Doch was für uns viel interessanter ist, ist die Verortung der Ausstellung im Kontext zweier kultureller Revolutionen, die die 1960er Jahre bestimmt haben: das Aufkommen des Konsumdenkens zu Beginn des Jahrzehnts und die Gegenrevolution am Ende.
Die Veränderung des Konsumverhaltens wurde weitgehend durch die wachsende soziale und finanzielle Sicherheit der Zeit und die Geschwindigkeit, mit der neue Materialien auf den Markt gebracht wurden, eingeleitet. Diese neuen Materialien ermöglichten nicht nur immer mehr, sondern forderten die Designer jener Zeit geradezu heraus, Grenzen zu überschreiten.

In unserem Interview mit Susanne Graner, der Leiterin der Sammlungsabteilung des Vitra Design Museums – übrigens ein Interview, das wir wirklich so langsam mal veröffentlichen sollten -, sprach sie darüber, dass eines der größten Probleme bei der Restaurierung von Möbeln aus den 1960ern darin besteht, dass oft niemand genau weiß, um was für ein Material es sich überhaupt handelt. Die Entwicklung neuer Materialien ging damals so schnell, dass sie oft schon verwendet wurden, bevor sie vollständig erforscht waren. In den frühen 1960ern begannen Designer zu experimentieren und ihre Aufgabe als etwas anderes zu begreifen, als nur attraktive, praktische Objekte zu gestalten. Und die Öffentlichkeit jener Zeit war bereit, ihr zusätzliches verfügbares Einkommen für alles auszugeben, was auf den Markt kam.

vico magistretti selene

Selene von Vico Magistretti von 1968. Gesehen bei der Ausstellung Zoom im Vitra Design Museum

Die logische Konsequenz der neu gewonnenen kreativen und kommerziellen Freiheit zeigte sich 1966 im Anti-Design.

Initiiert durch Florentiner Kollektive wie Archizoom und Superstudio, die ihre Zeit im Wesentlichen damit verbrachten alles und jeden zu hinterfragen, sah sich die Anti-Design-Bewegung selbst als Gegenbewegung zur Überkommerzialisierung des Designs durch Pop-Furniture und die grellen Farben der frühen 1960er Jahre. Sie wollten Design sozial und kulturell bedeutsam machen und keine Produkte für den Massenmarkt schaffen. Ironischerweise trugen sie zum heutigen übersättigten Markt bei, indem sie Design zu etwas Modischem statt Begehrenswertem machten.

Trotz der scheinbaren Gegensätzlichkeit sind die beiden Bewegungen eng miteinander verbunden – und das nicht nur hinsichtlich ihres Anliegens, sich vom allgegenwärtigen Modernismus zu lösen, der das europäische Design und die europäische Architektur seit vielen Jahrzehnten beherrscht hat. Obwohl beide Bewegungen von Architekten dominiert wurden, öffneten sie sich auch für andere Fachrichtungen und ermutigten nicht-Architekten, ihre eigene Stimme zu finden, ihre eigene Formensprache zu entwickeln und Verantwortung für ihre Arbeit zu übernehmen. Und beide schafften es, Spaß leicht aussehen zu lassen. Was uns wiederum dahin zurückbringt, dass die Ära oft missverstanden wird: So steckt beispielsweise im Cone Chair von Verner Panton trotz seines spaßigen Aussehens jede Menge Arbeit.

Wie gesagt haben wir Sixties Design im Hofmobiliendepot Wien leider noch nicht gesehen. Deshalb können wir auch nicht einschätzen, wie gut die Ausstellung mit den verschiedenen Themen des Jahrzehnts umgeht. Aber für diejenigen, die in den nächsten Monaten in Wien sind, lohnt sich ein Abstecher ganz bestimmt. Auch weil das Hofmobiliendepot Wien die beste Sammlung von Wiener Möbeln des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts beherbert, darunter auch einige bedeutende Arbeiten von Michael Thonet, Josef Hoffmann, Otto Wagner etc.

Sixties Design ist noch bis zum 17. Juni 2012 im Hofmobiliendepot Wien zu sehen.

Mehr Infos gibt’s unter www.hofmobiliendepot.at

verner panton flowerpot lamp

Flowerpot Lamp von Verner Panton von 1968 - hier bei der Panton-Ausstellung in der Dänischen Botschaft in Berlin

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