Diogene vom Renzo Piano Building Workshop und Vitra

„Man kann Ideen an einem kleinen Ort nicht verlieren.“ Mit dieser einfachen, nahezu kon­fu­zi­a­nis­tischen Weisheit erklärt der italienische Architekt Renzo Piano die tiefere Philosophie hinter Diogene, seiner Zusammenarbeit mit Vitra, das zugleich das neueste Objekt auf dem Vitra Campus darstellt. Nach der SANAA Produktionshalle, dem zweifelsfrei größten Gebäude auf dem Vitra Campus, ist Diogene fraglos das kleinste. Wenn unsere Berechnungen stimmen, würden 2600 Diogenes in die SANAA Halle passen.

Diogene by Renzo Piano Building Workshop and Vitra

Diogene vom Renzo Piano Building Workshop und Vitra

Seinen eigenen Aussagen nach war es ein lang gehegter Traum von Renzo Piano, ein 2 x 2 Meter Haus zu bauen. Das mag ein Wunsch sein, der wenig mit dem zu tun hat, was Piano sonst so macht. Zu seinen berühmtesten Arbeiten gehören z.B. das Centre Pompidou Paris, der Kansai Flughafen in Japan und das Shard in London. Weniger bekannt sind seine Entwürfe von Booten, Autos und die Kammern der Nonnen vom Klarissenorden in Ronchamp, Frankreich.

Die Idee für Diogene entstand vor ungefähr 10 Jahren als selbst-initiiertes Work-in-Progress-Konzept. 2009 präsentierte das italienische Design- und Architekturmagazin Abitare dann das Projekt und Pianos Suche nach einem Partner. Vitra CEO Rolf Fehlbaum meldete sich und seit 2010 haben Vitra und der Renzo Piano Building Workshop (RPBW) zusammen das Projekt entwickelt.

Bestehend aus einem Holzkern mit einer Aluminiumschale ist Diogenes ein passives, energieneutrales Haus, das eine komfortable Unterkunft für eine Person bzw. eine passable Unterkunft für Zwei darstellt. Und wir benutzen absichtlich das Wort „Haus“, weil es sowohl für Renzo Piano als auch für Rolf Fehlbaum wichtig ist und war, dass das Objekt ein Haus ist. Und nicht nur ein Container oder Wohnwagen. Ein Haus. Deswegen hat es auch ein Satteldach. Genau wie das VitraHaus.

Ausgestattet mit Solarplatten für Strom und Warmwasser, sammelt Diogene darüber hinaus Regenwasser und ist mit einer Komposttoilette ausgestattet. Insofern ist das Haus autark. Alles, was es von der Umwelt nimmt, sind ein paar Quadratmeter Grund. Eine Dusche und eine kleine Küche machen die angenehmen Seiten des Lebens möglich und der Wohnraum ist mit einem dreiteiligen Schreibtisch, der flach an die Wand geklappt werden kann, und einer Bett-Bank-Kombination bestückt. Es gibt auch eine Heizmöglichkeit, aber wir bitten um euer Verständnis, dass wir die Details vergessen haben. Und wenn auch nicht per se mobil, kann Diogene so wie es ist transportiert werden.

Die Referenzen in dem Objekt sind vielfältig. Aber die offensichtlichsten Anspielungen findet man unserer Meinung nach auf Le Corbusiers Cabonon oder auf die vielen experimentellen Konstruktionen von Jean Prouvé, was zurzeit bei der Design Basel bestaunt werden kann.

Diogene by Renzo Piano Building Workshop and Vitra

Großes Vitra Haus. Kleines Vitra Haus

Im Moment ist Diogene noch ein Prototyp, aber Rolf Fehlbaum gelingt es bestimmt, das Projekt in ein fertiges Produkt zu entwickeln. Der Plan scheint im Moment so, als würde Diogene schließlich in einer Reihe von Modellen von Basis bis Luxusausstattung angeboten werden.

Es sind auch schon vorsichtige erste Preiskalkulationen gemacht worden. Der Preis ist vergleichbar mit einem Mittelklassewagen. Eine Tatsache, die natürlich die unvermeidliche Frage aufwirft, wer eigentlich so etwas braucht. Kurz gesagt, niemand. Aber dann braucht auch niemand einen Mittelklassewagen oder ein Ferienhaus an der Algarve oder ein tragbares Telefon, das Fotos macht und Musik abspielt. Aber im Hinblick auf unsere Konsumgesellschaft und unsere angeborene Lust unsere Situation zu verbessern, ist es wichtig, dass die Dinge, die wir haben und konsumieren sozial und ethisch vertretbar sind und dass ihr Eingreifen in unsere Natur so gering wie möglich ausfällt.

Um das zu erreichen, brauchen wir Forschung, die viele der Fragen angeht, die in der simplen Form von Diogene stecken. Also lasst uns die Frage etwas umformulieren und fragen, für wen Diogene nützlich und sinnvoll sein könnte.

Bei der Lancierung gab es eine Diskussion darüber, es als Notfall-Unterkunft zu nutzen. Dafür ist es unserer Meinung nach zu komplex, zu klein und zu hausförmig. Einfache Container stellen eine schnellere, flexiblere, einfacher zu transportierende und lagerbare Lösung dar – und werden das auch weiterhin. Aber als pflegeleichte, feste Bleibe in der Wildnis, dem Wald oder ähnlichem, warum nicht?

Klar, man könnte auch einfach Holzhütten bauen, aber der Punkt bei Diogene ist die Technologie. Technologie, die eine Holzhütte normalerweise nicht zu bieten hat.

Das andere große Thema, das diskutiert wurde, war Diogene als persönlichen Rückzugsort im Garten oder als Wochenendhaus zu nutzen. Für Workaholics wäre es auch als Schlafplatz nahe ihrem kreativen Schaffensort denkbar und wir könnten uns ein umweltschonendes, high-end „Outdoor“-Hostel oder eine Alternative zum mitgebrachten Zelt bei Festivals vorstellen.

Diogene ist ca. 3 x 2,5 Meter groß. Renzo Piano hat seinen Traum also nicht ganz erreicht. Aber was bei Diogene zählt, ist sowieso nicht die Größe, sondern das Konstruktionsprinzip, die Technologie darin, seine fortschrittliche Aussage und vor allem, was es über die Möglichkeiten des Gebäudebaus der Zukunft lehrt.

Diogene wird nie ein großer Kassenschlager werden, aber als kleiner Raum, der große Ideen erforscht, ist es sicher eines der abenteuerlicheren, interessanteren Projekte und kündigt ein neues Kapitel in der Geschichte Vitras an. Wir werden das beobachten.

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