(smow) Blog Designkalender: 28. April 1925 – Exposition internationale des arts décoratifs et industriels modernes wird in Paris eröffnet

„Was ist die Pariser Ausstellung?“, fragte Roger Gilman in der Ausgabe des „The Art Bulletin“ vom September 1925 und gab die Antwort, „Es ist eine neue Welt der Angewandten Kunst. Es ist eine neue Realität – Realität im Quadratmaß einer konkreten Konstruktion, Realität in der glatten Oberfläche von Maschinen, Realität in wundervollen neuen Materialien, die durch unsere Beherrschung der Wissenschaften und des Transports ermöglicht wurden, Realität in der strengen Klarheit unseres praktischen Zeitalters, Realität in dem überwältigenden Erfolg, alles designen zu können und nichts zu kopieren. Und es ist eine neue Farbenwelt reicher und fremder Harmonien.“1

Übertrieben?

Vielleicht. Aber die Exposition internationale des arts décoratifs et industriels modernes, die am 28. April 1925 in Paris eröffnet wurde, war ohne Frage eine der wichtigsten und vor allem interessantesten Messen ihrer Zeit.

1907 ursprünglich von dem französischen Politiker und Literaturkritiker Charles-Maurice Couyba als Ausstellung mit der Fragestellung, „Warum ergreifen unsere Kaufleute und Dekorateure, die bei der Gestaltung und Herstellung einzelner Stücke so genial sind, nicht die Initiative und entwerfen erschwingliche Designs, die sich für den Vertrieb in unbegrenzter Stückzahl eignen?“2 – also die Debatte über Handwerk vs. industrielle Produktion, die die zentraleuropäische Kreativszene jener Zeit dominierte – geplant, waren einige verschiedene Positionen notwendig, bis 1912 ein Konsens gefunden wurde und die Messe für 1915 geplant werden konnte. Bis dahin machten das sich verschlechternde Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich und vor allem der Erste Weltkrieg die Veranstaltung jedoch unmöglich.

Bis in die 1920er hatte sich die Lage Europas so weit entspannt, dass die Vorbereitungen beginnen konnten und 1922 bestätigten die Veranstalter, dass die Messe von April bis Oktober 1925 stattfinden soll.3

Obwohl hauptsächlich eine frankophone Veranstaltung, waren bei der Pariser Ausstellung Pavillons von 18 Ländern, darunter Italien, Russland, Polen, Großbritannien und Österreich, beteiligt. Nicht dabei waren das Bauhaus und De Stijl.

Die Abwesenheit des Bauhauses kann auf die Tatsache zurückgeführt werden, dass die Franzosen die Einladung an die Deutschen so spät rausgeschickt haben, dass diese keine Möglichkeit mehr hatten, sich angemessen vorzubereiten. Und während die Niederlande einen Pavillon ausstatteten, lag die Abwesenheit des De Stijls laut Marie-Thérèse van Thoor vor allem an Theo van Doesburgs Eigensinn.5 Wir können das weder bestätigen noch widerlegen, aber es klingt interessant.

Es soll aber auch kurz erwähnt werden, dass die Ausstellung trotz der Abwesenheit dieser beiden wichtigen Strömungen einen wichtigen Meilenstein für zahlreiche aufgehende Sterne am Designhimmel jener Zeit, wie Poul Henningsen, Arne Jacobsen und Gio Ponti, darstellte.8

Trotz der Fülle an Pavillons, dem erleuchteten Eiffelturm und den fast unvergleichlichen Mengen Marmor, Ebenholz, Lack und tropischem Hartholz, die von den führenden Architekten und Designern für die Pavillons verwendet wurden, blieb die Messe vor allem aus zwei Gründen im Gedächtnis: die Tatsache, dass sie der damaligen Hauptströmung in Architektur und Angewandter Kunst einen Namen gab – Art déco – und der „l’Esprit nouveau“-Pavillon von Le Corbusier. Der Pavillon war einer von gerade einmal zwei wirklich modernen Pavillons (der andere war der russische von Konstantin Melnikov).

Und in Bezug auf den Namen Art déco: Wie Alastair Duncan richtig aufzeigte, war die Bewegung, als der Begriff geprägt wurde, fast schon an ihrem Ende10; schließlich muss man also die Exposition internationale des arts décoratifs et industriels modernes mehr als Taufe denn als Erwachen des Art décos betrachten. Eine recht dekandente, wenn man so will… Oder mit den Worten von Roger Gilman, „…die fesselndste und anregendste Sehenswürdigkeit in Europa diesen Sommer.“

Wir bedauern es wirklich, nicht dabei gewesen zu sein.

Exposition internationale des Arts Décoratifs et industriels modernes Paris 1925

1. Roger Gilman, The Paris Exposition: A Glimpse into the Future, The Art Bulletin Vol. 8, No. 1, September 1925

2. Simon Dell, The Consumer and the Making of the „Exposition Internationale des Arts Décoratifs etIndustriels Modernes,“ 1907-1925, Journal of Design History, Vol. 12, No. 4, 1999

3. Alastair Duncan in Maurice Dufrene Authentic Art Deco Interiors from the 1925 Paris exhibition, Antique Collectors‘ Club, Woodbridge, Suffolk 1989

4. Frank Scarlett & Marjorie Townley, Arts décoratifs 1925 : a personal recollection of the Paris exhibition, Academy editions, London, 1975

5. Marie-Thérèse van Thoor, Amsterdamse School in Parijs. Het Nederlandse paviljoen op de Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes (1925) Bulletin KNOB, Bulletin KNOB 96,1997

6. Mark Mussari, Poul Henningsen – Cubism and the Conscience of Modernism, Scandinavian Studies, Vol.85 Nr. 1, 2013

7. Carsten Thau & Kjeld Vindum, Arne Jacobsen, Danish Architectural Press, Kopenhagen, 2002

8. Art Deco: The 1925 Paris Exhibition http://www.vam.ac.uk/content/articles/a/the-1925-paris-exhibition/ Accessed 28.04.2014

9. Frank Scarlett & Marjorie Townley, Arts décoratifs 1925 : a personal recollection of the Paris exhibition, Academy editions, London, 1975

10. Alastair Duncan in Maurice Dufrene Authentic Art Deco Interiors from the 1925 Paris exhibition, Antique Collectors‘ Club, Woodbridge, Suffolk 1989

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