5 neue Designausstellungen im Oktober 2014

In Lucy Maud Montgomerys Erzählung „Anne of Green Gables“, die Geschichte ist im englischsprachigen Raum in etwa so bekannt wie Pippi Langstrumpf in Deutschland, verkündet Anne Shirley: „Ich bin so froh, dass es den Oktober gibt. Es wäre doch schrecklich, wenn wir einfach vom September auf den November übergehen müssten.“

Ja Anne, das wäre es tatsächlich.

Während Ms Shirley allerdings im Oktober ganz und gar damit beschäftigt ist, ihr Schlafzimmer mit farbenfrohen Ahornästen zu dekorieren, die zu dieser Jahreszeit auf der Prince Edward Insel sehr verbreitet sind, erfreuen wir uns an neuen Architektur- und Designausstellungen.

Deshalb hier also in zufälliger Reihenfolge unsere Top 5 für den Oktober 2014:

„Studio Wieki Somers – Out of the Ordinary“ im Museum Boijmans, Rotterdam, Niederlande

Auf die Arbeiten des in Rotterdam ansässigen Studios Wieki Somers alias Dylan van den Berg und Wieki Somers sind wir erstmals 2012 gestoßen, als die beiden einen Beitrag zur Ausstellung „Contemporary Dutch Design Live“ im Vitra Design Museum lieferten. Da dieser aus einer 100 Kilogramm schweren Praline bestand, hatten die beiden Designer natürlich schnell unsere volle Aufmerksamkeit. Sehr viel beeindruckender als die 100 Kilogramm war allerdings der realtiv brutale Prozess, dem die Praline unterzogen wurde, um die beeindruckenden, fast unbemerkten Veränderungen im Muster der Praline zu erzeugen. Der Sinn für die kleinen Details in Ästhetik und Konstruktion, die Fähigkeit, die innere Schönheit eines Objektes an die Oberfläche zu holen, ohne ihre Funktionalität einzubeziehen, stehen grundsätzlich für die Arbeit von Studio Wieki Somers. Die Arbeiten des Studios wurden von so unterschiedlichen Herstellern wie Kahla Porzellan, Tectona oder Droog produziert – hinzu kommen zahlreiche Kooperationen wie beispielsweise die mit der Galerie Kreo Paris, dem Textile Museum in Tilburg und der Galerie Vivid Rotterdam. Um den 10. Geburtstag des Studios zu feiern, zeigt das Museum Boijmans in Rotterdam nun eine Ausstellung zum Werk des Studio Wieki Somers. Mit Projekten wie den Trinkgläsern „Trophies“ von 2004, dem „Bathboat“ von 2005 oder der „Frozen in Time“-Kollektion aus dem Jahr 2010, verspricht „Out of the Ordinary“ einen prägnanten Überblick zu einem sehr interessanten Designstudio. Erfreulich ist auch, dass die Besucher, da die Ausstellung während des Winters stattfindet, in den Genuss kommen werden, die Karussell-Garderobe zu benutzen, die 2009 vom Studio Wieki Somers für den Eingangsbereich des Museums Boijmans entworfen wurde.

„Studio Wieki Somers – Out of the Ordinary“ wird am Samstag, den 11. Oktober 2014, im Museum Boijmans, Museumspark 18, 3015 CX Rotterdam eröffnet und ist dort bis 11. Januar 2015 zu sehen.

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„Chocolate Mill“ von Studio Wieki Somers , entstanden im Rahmen der Ausstellung „Contemporary Dutch Design Live“ im Vitra Design Museum, 2012

„Skud på Stammen 2014“ im Trapholt – Museum für Moderne Kunst, Angewandte Kunst, Design und Architektur, Kolding, Dänemark

Seit 2007 bringt das Programm „Skud på Stammen“, was so viel heißt wie „Span aus dem alten Block“ oder „Neue Äste“, Tischlerstudenten der Technischen Hochschule Kopenhagen mit erfahrenen Designern zusammen, um an einem gemeinsamen Projekt zu arbeiten. Und seit 2007 werden die Ergebnisse dieser Kooperationen auch in Ausstellungen im Trapholt Kunst- und Designmuseum in Kolding präsentiert. Nach Themen wie „Von der Saat zu … “ im Jahr 2011, „Rezession“ 2012 und „Globalisierung“ 2013 wurden die Teilnehmer im Jahr 2014 gebeten, Arbeiten zum Thema „Über die Linie“ zu entwickeln. Im Zusammenhang mit den hundertsten Geburtstagen von Hans J. Wegner und Borge Mogensen sollen verbreitete Vorstellungen des dänischen Designs, die mit den beiden Hundertjährigen eng zusammenhängen, in Frage gestellt werden. Alles in allem kein unpassendes Thema – waren es doch Kooperationen zwischen Designern wie Mogensen oder Wegner mit Tischlereibetrieben, die die Grundlage für die Arbeiten legten, die heute das verbreitete Verständnis des viel gepriesenen dänischen Designs ausmachen. Ein Verständnis, mit dem, wie wir wissen, viele junge dänische Designer ein echtes Problem haben, von dem Zimmermänner und Möbeltischler allerdings nach wie vor profitieren. So wird es wohl interessant sein zu sehen, was bei den Kooperationen zeitgenössischer Designer wie Kasper Salto, Sigurd Larsen und Jonas Pedersen mit den Studenten heraus gekommen ist, und wer den Löwenanteil an der fertigen Arbeit hat.

„Skud på Stammen“ 2014 ist ab Dienstag, den 28. Oktober 2014, im Trapholt – Museum für Moderne Kunst, Angewandte Kunst, Design und Architektur, Æblehaven 23, DK-6000 Kolding zu sehen und läuft bis 1. Februar 2015.

Børge Mogensen FDB Chair Danish Museum of Art and Design Copenhagen

Ein Børge Mogensen FDB Chair und ein englischer Stuhl aus dem 18./19. Jahrhundert, gesehen im Dänischen Museum für Kunst und Design in Kopenhagen. Ein perfektes Beispiel für die Ursprünge des "Dänischen Designs" im traditionellen Tischlerhandwerk.

„Frank Gehry“ im Centre Pompidou, Paris, Frankreich

Wir behaupten nicht, große Fans des kanadischen Architekten Frank Gehry zu sein – besser gesagt sind wir gar keine Fans der formelhaften Wiederholungen in den Konstruktionen von Gehry Partners. Dazu haben wir uns erst kürzlich in unserem Post zum geplanten Gehry Partners Hochhaus am Berliner Alexanderplatz geäußert. Dort haben wir auch argumentiert, dass die Schuld für diese Wiederholungen nicht allein bei Gehry zu suchen ist, sondern zu einem großen Teil bei den Auftraggebern liegt, die stillschweigend Gebäude erwarten, die aussehen wie schon realisierte Gehry-Gebäude. Frank Gehry sollte solche Aufträge einfach ablehnen. Aber man kann ihm nicht verübeln, dass er sie annimmt. Wir finden die Debatten um die Gehry Partners Projekte zwar wichtig, allerdings muss man sagen, dass diese Debatten auch etwas von dem Beitrag ablenken, den Frank Gehry unbestritten zur zeitgenössischen Architektur geleistet hat. Dazu gehören seine frühen Experimente mit dekonstruktivistischen Formen, die Umgestaltung moderner Standards, seine Überlegungen zur Wahrnehmung des Raumes und seine Rolle bei der Entwicklung von 3D-computerbasierten Planungsmethoden. All diese Innovationen unterstreichen natürlich das Zitat der Pritzker-Architekturpreis-Jury von 1989, in dem es heißt: „Gehrys Werk steht für eine raffinierte, intellektuelle und abenteuerliche Ästhetik, die die Kunst der Architektur betont.“1 Die anstehende Ausstellung im Centre Pompidou scheint eine gute Gelegenheit zu sein, um sich selbst ein Urteil über derartige Behauptungen zu bilden. Den Organisatoren zufolge ist die von Frédéric Migayrou und Aurélien Lemonier vom Musée National d’art Moderne kuratierte Ausstellung die erste größere Frank Gehry Retrospektive in Europa. Sie wird 225 Zeichnungen und 67 Modelle umfassen, darunter das Vitra Design Museum in Weil am Rhein, die Walt Disney Concert Hall in Los Angeles und natürlich das Guggenheim Museum in Bilbao. Und welch glücklicher Zufall, im Oktober wird auch die neueste „unverkennbare“ Gehry-Arbeit eingeweiht: Die Stiftung Louis Vuitton Paris – Gehry-sur-Seine, wenn man so will.

„Frank Gehry“ ist zwischen dem 8. Oktober 2014 und 26. Januar 2015 im Centre Pompidou Place Georges-Pompidou, 75191 Paris zu sehen.

1. http://www.pritzkerprize.com/1989/jury Accessed 29.09.2014

vitra design museum frank gehry

Das Vitra Design Museum in Weil am Rhein. Frank Gehrys erstes Gebäude in Europa.

„Gaudí. Eine zukunftsweisende Architektur“ im Architekturzentrum Wien, Österreich

Allen, die ein tieferes Verständnis von Frank Gehrys Oeuvre suchen, empfehlen wir von Paris aus gleich weiter nach Wien zu reisen und sich dort eine Ausstellung anzusehen, die einem anderen großen Vertreter der unverkennbaren, sogenannten „Signature Architecture“ gewidmet ist – Antoni Gaudi. Dieser Tipp geht natürlich vor allem auch an jene, die sich für den Menschen und Architekten hinter dem Parc Güell und der Sagrada Familia interessieren. Die vom Museu Nacional d’Art de Catalunya organisierte Ausstellung „Gaudi. Architecture Ahead of its Time“ verspricht nicht nur eine Untersuchung von Gaudis berühmtesten Werken, sondern auch die Erforschung seiner weniger bekannten, frühen Arbeiten, wie seine Möbel und anderen Designs. Darüber hinaus erklärt die Ausstellung, wie Gaudi seine Projekte anging und beschreibt seine empirische, auf Modellen basierende Methode, mit der er die Statik seiner Konstruktionen kalkulierte. Auf diese Weise will die Ausstellung ein Bild des Architekten Gaudi zeichnen, das über mosaikbedeckte Eidechsen und unvollendete Kirchen hinausgeht.

„Gaudi. Eine zukunftsweisende Architektur“ öffnet am 2. Oktober im Architekturzentrum Wien – Alte Halle, Museumsplatz 1, 1070 Wien  und läuft bis Sonntag, den 2. November 2014.

Antoni Gaudí. Krypta der Kirche der Colònia Güell. Innenansicht (1898-1917)

Antoni Gaudí. Krypta der Kirche in der Colònia Güell. Interieur. (Foto © Ricard Pla i Pere Vivas. Triangle Postals. Mit freundlicher Genehmigung des Architekturzentrums Wien)

„Villa Tugendhat“ in der Weissenhofwerkstatt im Haus Mies van der Rohe, Stuttgart

Genau wie Gaudis La Sagrada Familia ist auch Ludwig Mies van der Rohes deutscher Pavillon für die Weltausstellung 1929 fest mit Barcelona verbunden. Parallel zur Entwicklung des Pavillons arbeitete Mies van der Rohe aber noch an einem weiteren Projekt, das zu seinem Ruf als einen der wichtigsten Architekten seiner Generation führen sollte, der sogenannten Villa Tudendhat in Brno. Wie auch bei seinem Barcelona Pavillon ignorierte Mies van der Rohe bei der Villa Tugendhat „traditionelle“ Konstruktionprinzipien. Stattdessen verwendete er, wie beim Barcelona Pavillon auch, einen eisenverstärkten Betonrahmen. Durch diesen Rahmen wurden tragende Wände im Inneren überflüssig und der Raumplan konnte sehr viel individueller und vor allem offener gestaltet werden. Diese Konstruktionsprinzip war damals wirklich revolutionär. Die Mehrheit der Rückwände besteht indes aus Fenstern, die vom Boden bis zur Decke reichen. So entfaltet die Villa nicht nur eine ungemein leichte und offene Wirkung, sondern gewährt auch einen wunderbaren Blick über Brno. Neben dem revolutionären Konstruktionsprinzip verfügt die Villa Tugendhat auch über erstaunlich fortschrittliche technische Neuerungen, dazu gehört ein elektronisches System zum Öffnen und Schließen der Fenster sowie ein integriertes Heizungs- und Kühlsystem. Abgesehen vom Gebäude war Mies van der Rohe auch für alle Einbauten und die Einrichtung verantwortlich. Dabei verließ er sich größtenteils auf seine eigenen Möbelentwürfe, wie den Barcelona Chair und den MR 20 Freischwinger sowie zwei Stühle, die er eigens für das Projekt entwickelt hat. Dies waren der „Tugendhat Chair“ und der „Brno Chair„. Die einzige größere Ausnahme bei der Gestaltung des Interieurs war die Entscheidung, Poul Henningsens neue PH Lampen zu nutzen.

Die vom Villa Tugendhat Studien- und Dokumentationszentrum organisierte Ausstellung in Stuttgart will nicht nur die Konstruktion selbst erforschen, sondern auch über die erst kürzlich abgeschlossenen Renovierungsarbeiten informieren. Die Ausstellung verspricht so eine unterhaltsame und zugängliche Einführung zu diesem überaus faszinierenden Gebäude zu werden.

„Villa Tugendhat“ ist vom 11.Oktober bis 30. November 2014 in der Weissenhofwerkstatt im Haus Mies van der Rohe, Am Weissenhof 20, 70191 Stuttgart  zu sehen.

Ludwig Mies van der Rohe Villa Tugendhat Brno

Villa Tugendhat Brno von Ludwig Mies van der Rohe, Rückseite (Foto © David Židlický, Mit freundlicher Genehmigung des Villa Tugendhat Studien- und Dokumentationszentrums )

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