smow Blog Designkalender: 10. März 1915 – Happy Birthday Harry Bertoia!

„Ich bin eher still, resolut und arbeitsam. Jedes Werkzeug und jede Maschine verwende ich mit Geschicklichkeit:“

So beschrieb sich der 21-jährige und offenbar extrem selbstbewusste Harry Bertoia in seiner Bewerbung für die Cranbrook Academy of Art.

Dass diese Angeberei alles andere als ein leeres Versprechen war, sollte Harry Bertoia immer wieder und in ganz verschiedenen Bereichen unter Beweis stellen.

Harry Bertoia 1915 1978

Harry Bertoia 1915 – 1978 (Foto mit freundlicher Genehmigung von Knoll International)

Der am 10. März 1915 im italienischen San Lorenzo geborene Arieto Bertoia zog im Jahr 1930 nach Detroit zu seinem älteren Bruder Oreste, der schon in der Stadt lebte, und nannte sich fortan Harry, also Harry Bertoia.

Dank seines beispielhaften, außergewöhnlichen künstlerischen Talents studierte Harry Bertoia Kunst in Detroit, bevor er 1937 das bereits erwähnte Stipendium für die Cranbrook Academy of Art erhielt, wo er Malerei und Zeichnung studierte, und mit Leuten wie Walter Gropius, Carl Milles, Charles Eames, Maija Grotell, Florence Knoll, Eero Saarinen, Ray Kaiser und vielen anderen bekannt wurde.

Im Jahr 1929 bot der Cranbrook Direktor Eliel Saarinen, Vater von Eero, Bertoia die Leitung der Metallwerkstatt an der Cranbrook an. Bertoia willigte ein und unterrichtete während der folgenden 4 Jahre Metallarbeit und Schmuckdesign. Daneben entwickelte er seine eigenen Skulpturen und Malereien, wie beispielsweise eine Serie von Monoprints, die er dem Guggenheim Museum of Non-Objective Painting, dem Vorgänger des modernen Guggenheim Museums, für die fürstliche Summe von 1000 Dollar verkaufte.

1943 verließ Harry Bertoia die Cranbrook und zog nach Los Angeles, um sich Ray und Charles Eames wachsenden Designstudio anzuschließen, und vor allem auch, um Charles Eames bei seinen Experimenten mit dem Verformen von Schichtholz zu assistieren. Auch wenn das Verhältnis der drei sehr vertraut war – Harry Bertoia hatte beispielsweise Ray Kaisers Ehering kreiert – fand Bertoia seinen Beitrag zu den gemeinsamen Projekten nicht ausreichend gewürdigt. Alle Arbeiten wurden nämlich offiziell nur den Eames zugeschrieben; und so verließ Bertoia im Jahr 1946 das Eames Studio.

Nachdem Harry Bertoia verschiedene Jobs angenommen hatte, kam 1950 Florence Knoll auf ihn zu und lud ihn ein, in der brandneuen Möbelfabrik von ihr und ihrem Mann mitzuarbeiten. Ein Angebot, das Bertoia annahm und das im Jahr 1952 zur Lancierung der Diamond Chair Kollektion führte – einer Ikone des amerikanischen Möbeldesigns der 1950er Jahre. Zudem eine Produktserie, die Harry Bertoia direkt neben Eames, Nelson, Saarinen usw. an die Spitze der amerikanischen Mid-cenutury Modern beförderte und dem Künstler zur notwendigen finanziellen Sicherheit verhalf, um sich voll und ganz auf seine Bildhauerei zu konzentrieren: denn ähnlich wie sein Zeitgenosse Isamu Noguchi verstand sich Harry Bertoia in erster Linie immer als Bildhauer, und sah, wie Noguchi auch, seine Produktdesigns eher als ein Austesten der Grenzen seiner Bildhauerei und als eine Möglichkeit seine Kunst in andere Kontexte zu rücken.

Im Verlauf seiner Karriere produzierte Harry Bertoia wohl geschätzt 50.000 Skulpturen, um die 50 skulpturale Objekte und Interventionen für öffentliche Gebäude und Plätze, und wandte sich ab der frühen 1960er Jahre vermehrt der Musik zu.

In diesem Zusammenhang entwickelte Bertoia auch eine Serie sogenannter Klangskulpturen, zu denen er sich von Kindheitserinnerungen inspirieren ließ. Er hatte ungarischen Roma bei der Reparatur und Herstellung von Küchengeräten zugesehen und war fasziniert von der Idee einer Skulptur als universelles Musikinstrument, das jeder – unabhängig von Talent und Übung –  „spielen“ kann. Seine Klangskulpturen produzierte er überwiegend aus Stangen  unterschiedlicher Länge und Umfang sowie aus verschiedenen Metallen. Hinzu kamen aber auch Gongs und andere hängende Elemente. Mit diesen Instrumenten spielte Bertoia 11 Alben in seiner Scheune im ländlichen Pennsylvania ein und produzierte sie schließlich auch.

Die unter dem Namen „Sonambient“ veröffentlichten Arbeiten sind heute genauso avantgarde und anspruchsvoll wie zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung: Sie reichen von Passagen fast schon spiritueller Schönheit zu unverzeihlich brutalen Angriffen auf die Sinne. Trotzdem kommen sie dem Glöckchenklingeln für unseren Geschmack manchmal etwas zu nah.

Nach jahrelanger Funkstille veröffentlichte Important Records 2015 ein Re-issue aller 11 Sonambient Alben zusammen mit einem 100 Seiten starken Booklet, um Harry Bertoias 100. Geburtstag gebührend zu feiern. Eine Kickstarter-Kampagne brachte zudem genug Geld zusammen, um die originalen Aufnahmen zu digitalisieren und so erhalten zu können.

Ein mehr als passendes Geschenk also, für einen unserer originellsten Designer.

Happy Birthday Harry Bertoia!

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