smow Blog kompakt Spezial: Mailand 2016 – Hay

Das dänische Label Hay wurde 2002 gegründet und entwickelte sich schnell zu einem bedeutenden Hersteller auf dem europäischen Markt für Möbel und Wohnaccessoires. In vielerlei Hinsicht diente das Unternehmen auch als Vorbild für die unzähligen Labels, die auf dem ganzen Kontinent innerhalb der letzten fünf bis sechs Jahre entstanden sind. Doch gemessen an der Größe, am Umfang und der offensichtlichen Kosten ihres Standes auf der Messe in Mailand 2016 plant Hay sicherlich nicht, sich in nächster Zeit auf seinen Lorbeeren auszuruhen: Diese Marke, so sagte man uns, wird auf die nächste Stufe steigen und ist darauf vorbereitet, weiter zu wachsen.

Für unseren Geschmack machen sie vielleicht etwas zu viel, versuchen zu sehr, immer alles für jeden zu sein. Ungeachtet dieser Überlegungen gab es dennoch einige Juwelen in den Tiefen von Mailands ehemaligem La Pelota Schwimmbad zu entdecken, wo Hay seine neue Kollektion für 2016 vorstellte.

Dapper and New Order from HAY, as seen at Milan Design Week 2016

Dapper Lounge Chair von Doshi Levien und New Order Regalsystem von Stefan Diez für Hay, gesehen auf der Milan Design Week 2016

Die echten Highlights der Hay Kollektion 2016 sind und waren für uns ohne Frage das Can Sofa und der Can Sessel von Ronan und Erwan Bouroullec. Das Can Sofa und der Sessel werden flach gepackt verkauft und können zu Hause selbst aufgebaut werden. Sie bestehen aus einem Stahlrohrrahmen mit überschwänglich einladenden Kissen, die mithilfe von Textilwänden an ihrem Platz gehalten werden. Außerdem dient das Can Sofa als provisorisches Bett. Die Can Familie besteht aus sehr einfachen, zugänglichen Objekten und ist zeitgenössisch und doch konservativ, leger und doch diszipliniert. Wir finden, dass die Möbel formal, in ihrer Konstruktion und hinsichtlich des ihnen zugrunde liegenden Geistes der Mobilität, der Leichtigkeit und Temporalität an die Küche Cuisine désintégrée oder an das Raum-im-Raum-Konzept Lit clos aus den Anfängen der Bouroullec-Karrieren erinnern. Eine Sachlage, die wir durchaus anerkennen. Neben diesen formalen Aspekten spielt beim Can Konzept der relativ niedrige Preis eine wichtige Rolle. Dieser wird größtenteils durch die Konzentration auf die Anzahl der Komponenten und Produktionsschritte und deren Optimierung erreicht und für Ronan Bouroullec liegt dieser Aspekt im Kern der Kooperation der Brüder mit dem Unternehmen: „Bei Hay arbeiten leidenschaftliche Menschen, die zwischen Ikea und exklusiveren Designfirmen erfolgreich sein wollen“, erklärt er, „Mir gefällt dieser Ansatz und es bedeutet auch, dass wir eine Plattform haben, mit der wir versuchen können, Grundbedürfnisse zu erfüllen, etwas zu entwerfen, was in der Modeindustrie das weiße T-Shirt wäre. Einfache Alltagsobjekte also, die kein Vermögen kosten und viele Menschen ansprechen.“ Unserer Ansicht nach haben sie mit Can genau das erreicht. Diese Ansicht vertritt auch Ronan Bouroullec, was nicht so überraschend ist. „Ich bin ziemlich stolz darauf, dass wir es geschafft haben, mit dem Sofa und dem Sessel etwas entworfen zu haben, was Grundbedürfnisse auf elegante Weise erfüllt“, so Bouroullec. Und stolz dürfen sie auch sein.

Can by Ronan and Erwan Bouroullec for HAY, as seen at Milan Design Week 2016

Can von Ronan und Erwan Bouroullec für Hay, gesehen auf der Milan Design Week 2016

Wie treue Leser wissen werden, fiel uns bei der IMM 2015 unter unabhängigen Designstudios eine unverkennbare Beliebtheit relativ niedriger Stühle auf, die das hatten, was wir als „bewusst überproportionierte, gepolsterte Sitzfläche und Rückenlehne“ bezeichneten. Als Begründung führten wir den Bridge Armchair von Rui Alves, den Pocket Chair von Jesper Junge und den Lenz Lounge Chair von Bartmann Berlin, Silvia Terhedebrügge & Hanne Willmann an. Wir schreckten offensichtlich davor zurück, das böse „T-Wort“ zu benutzen, aber da lag definitiv etwas in der Luft. Das Fieber befiel offensichtlich auch das in London ansässige Studio Doshi Levien. Ihr neuer Dapper Lounge Chair für Hay ist nicht ganz so niedrig wie die oben erwähnten Produkte. Daher eignet er sich vielleicht besser als Esszimmerstuhl oder z.B. als Beistellstuhl im Wintergarten, in einem Hotelzimmer oder in einem Wartezimmer, und weniger als klassischer Lounge Chair schlechthin. Dennoch strahlt er in demselben warmen Glanz von Hans J. Wegner in einer Post-Disco-Melancholie der 1980er Jahre und ist somit attraktiv. Nicht zuletzt, weil er als Objekt selbstbewusst, sehr gut proportioniert, ästhetisch ansprechend und daher äußerst einladend ist.

Ansonsten beeindruckte uns das modulare New Order System von Stefan Diez genauso sehr wie immer und das wird auch so bleiben. Wir können uns nicht vorstellen, dass es uns mal nicht mehr begeistern könnte. Die neue Outdoor Kollektion Palissade der Bouroullecs hält, was sie verspricht. Und sogar etwas mehr, was immer erfreulich ist.

Mit den Neuzugängen in ihrem Portfolio gibt es für uns keinen Zweifel, dass Hay auf die offensichtlich herbei gesehnte nächste Ebene steigen wird. Wenn der Fall eintritt, kann man nur hoffen, dass sie sich daran erinnern, dass Qualität und Quantität im Designbereich selten die besten Freunde sind und dass zu viel von Letzterem den erstgenannten Aspekt nachteilig beeinflussen kann und unweigerlich wird. Ja, man muss sich entwickeln. Man muss sich aber auch, wie in allen Aspekten des Lebens, selbst treu bleiben.

Hier noch einige Eindrücke der Hay Kollektion 2016 in Mailand.

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