5 neue Architektur- & Designausstellungen im November 2017

So bunt wie die Gärten und Parks im Herbst ist auch die Auswahl an Design- und Architekturausstellungen, die im November 2017 eröffnet werden. Diesmal hätten wir mehrere Listen veröffentlichen können und haben das auch ernsthaft in Erwägung gezogen. Am Ende haben wir uns aber entschieden, es ungefähr bei der gewohnten Anzahl zu belassen. Da wir im August nur vier Empfehlungen hatten, versuchen wir den sommerlichen Engpass zu kompensieren und präsentieren sechs – streng genommen sieben – neue Ausstellungen statt der üblichen fünf (es hätten auch 15 sein können.)

Keine faulen Ausreden für unsere werten Leser also – ganz egal, wo man sich auch aufhält – es gibt eine Eröffnung in der Nähe! Macht euch also auf den Weg und fangt mit den Ausstellungsbesuchen an.

5 New Design Exhibitions for November 2017

„Radikaler Modernist. Das Mysterium Mart Stam“ im Marta Herford Museum für Kunst, Architektur und Design, Herford

Der Begriff „Mysterium“ im Ausstellungstitel ist wohl einer der prominentesten im zeitgenössischen Architektur- und Designkontext. Denn trotz seiner Allgegenwart in der Geschichte von Design, Architektur und Stadtplanung; trotz der großen Zahl an von ihm realisierten Objekten, Gebäuden und Texten; trotz seines Netzwerkes und der Menschen, die er beeinflusste, bleibt Mart Stam ein relativ geisterhafter Charakter. Jemand, der durch eine Reihe populärer Projekte verkörpert wird, darüber hinaus aber eben ein „Mysterium“ ist.

Die Ausstellung „Radikaler Modernist“ verspricht den Stationen von Stams Leben zu folgen, von  Rotterdam über seine zahlreichen Aufenthalte in Deutschland, Russland und in der Schweiz, wo Stam im Februar 1986 starb. Vermutlich hat „Radikaler Modernist“ also das Potential, aus dem Fragezeichen hinter dem Namen Mart Stam ein Ausrufezeichen zu machen. Auch wenn wir befürchten, dass es sich eher um eine Begleitausstellung zur parallel laufenden Ausstellung „Revolution in Rotgelbblau – Gerrit Rietveld und die zeitgenössische Kunst“ handelt und nicht um eine eigenständige. Es fehlt nämlich ein Ausstellungskatalog und nur der bietet schließlich genau jene Informationen, die eine Ausstellung allein schlicht nicht leisten kann.

Solche Überlegungen sollen allerdings nicht vom Thema ablenken: Mart Stam zu verstehen ist wichtig, um die Entwicklungen in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen nachzuvollziehen und auch, um herauszufinden, wo wir uns heute in Sachen Design und Architektur befinden. Die Möglichkeit Stams Leben und Arbeit im Kontrast zu Rietvelds Leben und Arbeit anzuschauen, birgt dabei zusätzlich großes Potential.

„Radikaler Modernist – Das Mysterium Mart Stam“ wird am Sonntag, den 5. November im Marta Herford Museum für Kunst, Architektur und Design, Goebenstraße 2-10, 32052 Herford eröffnet und läuft bis Sonntag, den 7. Januar.

Mart Stam’s W1 “Weissenhofsiedlung Cantilever” (here in the Vitra Design Museum Miniature version)

Mart Stams W1 “Weissenhofsiedlung Freischwinger” (hier in der Miniaturversion des Vitra Design Museums)

„From Belgium with Light. Belgians [almost] invented light…“ im CID – centre for innovation and design in Grand-Hornu, Hornu, Belgien

Dafür, dass es eines der kleinsten und am wenigsten lenkbaren Länder in Europa ist, muss man Belgien für seinen Wagemut bewundern! Als sei es mit der altbekannten Behauptung „Belgien = Design“ noch nicht genug – jetzt soll das Land auch noch für das Licht verantwortlich sein.

Während die Organisatoren dem innovativen belgischen Leuchtendesign bis zum Altmeister des belgischen Art Nouveau, Victor Horta, nachspüren, liegt der Ausstellungsschwerpunkt aber grundsätzlich auf der Geschichte des belgischen Leuchtendesigns seit den 1980er-Jahren, oder besser gesagt der Geschichte der belgischen Leuchtenindustrie seit den 1980er-Jahren. Das bedeutet, dass es bei „From Belgium with Light“ neben Arbeiten von belgischen Designern wie Maarten van Severen, Alain Gilles oder Alain Berteau auch Arbeiten von nicht belgischen Designern wie Alex de Witte, Assa Ashuach oder Studio Big Game zu sehen gibt.

Wie also in puncto Design oder bei den berühmten Frietjes: Belgien hat spezielle Fähigkeiten und eine besondere Verbindung zum Leuchtendesign – ist aber nicht alleiniger Urheber desselben.

„From Belgium with Light. Belgians (almost) invented light…“ wird am Sonntag, den 19. November im CID – centre for innovation and design at Grand-Hornu, Rue Sainte-Louise, 82, 7301 Hornu, eröffnet und läuft bis Sonntag, den 25. Februar.
Drill by Levi Sarha, included in From Belgium with Light. Belgians [almost] invented light… at CID – centre for innovation and design at Grand-Hornu (Photo © Levi Sarha)

Drill von Levi Sarha, zu sehen bei: „From Belgium with Light. Belgians [almost] invented light… “ im CID – centre for innovation and design, Grand-Hornu (Foto © Levi Sarha)

„Classics. Helle and Taevo Gans“ im Estonian Museum of Applied Art and Design, Tallinn, Estland

Am Zusammenstellen der fünf Ausstellungstipps ist besonders erfreulich, dass man stets auf Individuen, Institutionen oder auch Projekte trifft, von denen man noch nie zuvor gehört hat, wie beispielsweise Helle und Taevo Ganz. Beide waren Interior Design Absolventen des Estländischen Institute of Art (Taevo Gans im Jahr 1966 und Helle Gans 1967) – damit ist aber auch schon alles, was man mit Sicherheit wissen kann, gesagt. Hinzu kommt eine Liste von Projekten, an denen das Paar seit den 1960er-Jahren gearbeitet hat. Außerdem einige Fotos von diesen Projekten, ein paar Fotos von Produkten, Leuchten und Möbeldesignarbeiten, die während der Jahrzehnte realisiert wurden und einige Interviews in estnischer Sprache, durch die wir uns noch durcharbeiten müssen.

All das spricht dafür, dass es wohl noch viel mehr zu erforschen gibt. Und eine der Aufgaben von musealen Ausstellungen besteht sicherlich darin, dem Besucher neue Erkenntnisse zu vermitteln.

Selbst wenn einem nicht gefällt, was man sieht und man sich nicht auf die Themen und Individuen einlassen kann, wird man definitiv etwas dazugewinnen, wenn man sich der Ausstellung auf die richtige Art und Weise nähert. Und wenn einem gefällt, was man zu sehen bekommt und man sich einlassen kann auf Themen und Individuen – wer weiß, in welche unerforschten Richtungen es einen dann verschlagen wird.

„Classics. Helle and Taevo Gans“ wird am Samstag, den 18.November im Estnischen Museum für Angewandte Kunst und Design, 17 Lai Street, 10133 Tallinn eröffnet und läuft bis Sonntag, den 11. Februar.

A bedroom in the Viru Hotel Tallinn designed by Taevo Gans, 1964-68 (photo courtesy of the Estonia Architceture Museum via https://www.muis.ee/)

Ein Zimmer im Viru Hotel Tallinn, entworfen von Taevo Gans, 1964-68 (Foto mit freundlicher Genehmigung des Estnischen Architektur Museums via https://www.muis.ee/)

„Thinking Machines: Art and Design in the Computer Age, 1959–1989“ im Museum of Modern Art, MoMA, New York, USA

Im Dezember 1964 präsentierte Walter Gropius auf der ersten „Boston Architectural Center Conference“ eine Arbeit mit dem Titel „Computers for architectural design?“. Das Fragezeichen ist natürlich der interessanteste Part der Überschrift, denn wer würde das heute noch infrage stellen?

Mit seiner Ausstellung „Thinking Machines“ will das MoMA New York zu den Anfängen der Computertechnologie zurückkehren und erforschen wie Künstler, Architekten und Designer die junge Technologie einsetzten, um ihre Themenbereiche auszuweiten und weiterzuentwickeln. Oder besser gesagt wie sie mit der jungen Technologie experimentierten, um neue Möglichkeiten für ihre Arbeit zu entdecken. Mit Arbeiten von Kreativen wie unter anderem John Cage und Lejaren Hiller, Werken des Künstlers Richard Hamilton oder des Filmemachers Stan VanDerBeek will „Thinking Machines“ herausfinden, wie die Computertechnologie nicht nur die Arbeitsweise von Architekten und Designern veränderte, sondern auch wie sie sich auf Ästhetik und Kunstverständnis auswirkte.

Zudem beinhaltet „Thinking Machines“ auch Objekte von Herstellern wie IBM, Olivetti und Apple, mithilfe derer die Kuratoren zeigen wollen, auf welche Art und Weise Designer wie Gianni Colombo, Enzo Mari oder Mario Bellini Computern eine Form gegeben haben und so den Aufstieg personalisierter digitaler Technologie vorangetrieben haben.

Auch wenn es etwas merkwürdig erscheinen mag, dass sich ein Museum einem Thema widmet, das noch voll im Gange ist – das Tempo, mit dem sich die Computertechnologie weiterentwickelt, ist so rasant, dass viele der Gedanken und Arbeiten zu diesem Thema bereits Geschichte sind.

So wie Gropius?

„Thinking Machines: Art and Design in the Computer Age, 1959–1989“ wird am Montag, den 13. November im Museum of Modern Art, MoMA, 11 West 53 Street, New York eröffnet und läuft bis Sonntag, den 8. April.

Mario Bellini. Programma 101 Electronic Desktop for Olivetti, part of Thinking Machines: Art and Design in the Computer Age, 1959–1989 at the Museum of Modern Art, MoMA, New York

Mario Bellini. Programma 101 Electronic Desktop für Olivetti, zu sehen bei „Thinking Machines: Art and Design in the Computer Age, 1959–1989“ im Museum of Modern Art, MoMA, New York

„Gesten – gestern, heute, übermorgen“ im Sächsischen Industriemuseum, Chemnitz

Als Höhepunkt eines dreijährigen interdisziplinären Forschungsprojektes der Technischen Universität Chemnitz, das Gesten, Handzeichen und Handbewegungen im Kontext von Sprache, Kultur und Technologie untersucht, präsentiert das Sächsische Industriemuseum eine Ausstellung, die Handgesten erforscht. Und zwar von ihrer seit Urzeiten entscheidenden Rolle in der Kommunikation bis hin zur Relevanz, die ihnen heute im Kontext digitaler Nutzeroberflächen und der Kontrolle von Objekten zukommt.

Mit Fragen wie „Welche Rolle spielen Handbewegungen in der menschlichen Kommunikation?“, „Wie entstehen Gesten?“ oder „Was haben Gesten mit dem Gebrauch von Objekten zu tun?“ will „Gesten – gestern, heute, übermorgen“ die wissenschaftliche Untersuchung einem breiteren Publikum zugänglich machen und so unser Verständnis für einige unserer intuitivsten und natürlichsten Handlungen erweitern. In diesem Zusammenhang verspricht der Beitrag des in Linz ansässigen interdisziplinären Studios Ars Electronica Futurelab eine zentrale – wenn nicht die wichtigste – Rolle zu spielen. Das Studio hat einige interaktive, auf Gesten basierende Projekte entwickelt, darunter eine virtuelle Töpferscheibe.

„Gesten – gestern, heute, übermorgen“ wird am Freitag, den 17. November im Sächsischen Industriemuseum, Zwickauer Straße 119, 09112 Chemnitz eröffnet und läuft bis Sonntag, den 3. März.

Gestures – past, present, and future at the Sächsischen Industriemuseum, Chemnitz

„Gesten – gestern, heute, übermorgen“ im Sächsischen Industriemuseum, Chemnitz

„STILL/LIFE – Tapio Wirkkala Retrospective“ im Espoo Museum of Modern Art, EMMA, Espoo, Finnland

Im November 2017 übernimmt das Espoo Museum of Modern Art das Management, die Lagerung und die Konservierung des Archivs des finnischen Künstler-/Designerpaars Rut Bryk und Tapio Wirkkala. Deshalb muss das Museum um 1000 Quadratmeter erweitert werden. Die neuen Räume wurden als Lager- und Ausstellungsräume konzipiert. Anlässlich der Fertigstellung wird nun die Ausstellung „STILL/LIFE – Tapio Wirkkala Retrospective“ gezeigt. Dass „Ladies first“ hier augenscheinlich keine Rolle spielt, hängt offenbar mit dem speziellen finnischen Verständnis von Gender Equality zusammen.

Kuratiert von Harri Koskinen und der Tapio Wirkkala Rut Bryk Stiftung, zeigt die Ausstellung um die 400 Objekte. Das „STILL“ im Ausstellungstitel widmet sich einer Erforschung von Wirkkalas Arbeit als Designer und Künstler, das „LIFE“ verspricht wiederum nicht nur eine Untersuchung der Person Wirkkalas, sondern auch seiner kreativen Prozesse und Einflüsse.

Zudem markiert „STILL/LIFE“ die Eröffnung des – wie es das Espoo Museum of Modern Art nennt – „Visible Storage Space“ in Aukio, der Einblicke in das Archiv von Rut Bryk und Tapio Wirkkala erlauben soll und dem Besucher Umfang und Tiefe des Nachlasses des Designerpaars vermitteln wird.

„STILL/LIFE – Tapio Wirkkala Retrospective“ wird am Freitag, den 17. November im Espoo Museum of Modern Art, EMMA, Ahertajantie 5, Tapiola, Espoo eröffnet und läuft bis Sonntag den 22. April.

Rut Bryk and Tapio Wirkkala (Photo Maaria Wirkkala, Courtesy Espoo Museum of Modern Art, EMMA)

Rut Bryk und Tapio Wirkkala (Foto Maaria Wirkkala, mit freundlicher Genehmigung des Espoo Museum of Modern Art, EMMA)

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