5 neue Architektur- & Designausstellungen im Februar 2019

Dem US-Gonzo-Journalisten Hunter S. Thompson zufolge „braucht das menschliche Tier einen guten Grund, um an einem erbärmlichen Morgen im Februar aufzustehen.“ 1

Wir möchten demütigst einige Vorschläge unterbreiten: unsere fünf Tipps zu Architektur- und Designausstellungen im Februar 2019.

5 New Architecture & Design Exhibitions for February 2019

„Die Neue Heimat ­(1950–1982). Eine sozialdemokratische Utopie und ihre Bauten“ im Architekturmuseum der TU München

Bei einer Ausstellung über deutsche Hochhaussiedlungen mit dem Untertitel „Eine sozialdemokratische Utopie und ihre Bauten“ könnte man annehmen, es handele sich um Ostdeutschland. Falsch!

Die Anfang der 1950er-Jahre in Hamburg gegründete Neue Heimat war eine unter der Schirmherrschaft des Westdeutschen Gewerkschaftsbundes agierende Wohnungsbaugesellschaft, die neben dem Bau von über 400.000 Wohnungen in so unterschiedlichen Städten wie Bremen, Darmstadt, Kiel oder Regensburg unter anderem auch zahlreiche öffentliche und kommerzielle Projekte wie das ICC Berlin, das CCH Hamburg oder das Universitätsklinikum Aachen entwickelte. Bis die Institution Mitte der 80er-Jahre in einen Finanzskandal verwickelt war und daraufhin aufgelöst und in verschiedene regionale Unternehmen aufgeteilt wurde.

Dreißig Jahre nach dem Ende der Neuen Heimat wollen das Architekturmuseum der TU München, das Hamburgische Architekturarchiv und das Museum für Hamburgische Geschichte  die Geschichte der Institution erzählen. Dazu gehören vor allem die rund 700 Architekten und Stadtplaner, mit denen die Neue Heimat kooperierte, darunter Ernst May, der nach seinen Aufenthalten in Moskau und Frankfurt ab 1954 als Chefplaner tätig war. Zudem geht es darum über die Relevanz dessen, was die Neue Heimat realisiert hat (vor allem die großen Hochhaussiedlungen), im Kontext unserer zeitgenössischen urbanen Wohnsituation nachzudenken.

„Die Neue Heimat ­(1950–1982). Eine sozialdemokratische Utopie und ihre Bauten“ wird am Donnerstag, den 28. Februar im Architekturmuseum der TU München, Pinakothek der Moderne, Barerstraße 40, 80333 München eröffnet und läuft bis Sonntag, den 19. Mai.

Siedlung Kranichstein, Darmstadt by Ernst May (Photo © Hamburgisches Architekturarchiv, courtesy Architekturmuseum der TU München)

Hochhaussiedlung in Darmstadt-Kranichstein von Ernst May (Foto © Hamburgisches Architekturarchiv, mit freundlicher Genehmigung des Architekturmuseums der TU München)

„Netherlands ⇄ Bauhaus – Pioneers of a New World“ im Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam, Holland

Einer der direktesten und relevantesten Einflüsse auf das Bauhaus aus Holland geht nicht auf Gruppen wie De Stijl, sondern auf Personen wie HP Berlage, J.J.P. Oud oder Gerrit Rietveld zurück. Umgekehrt war für die Entwicklung von Kunst und Design in Holland natürlich ebenso wichtig, was aus Weimar und Dessau kam.

Die kommende Ausstellung im Museum Boijmans Van Beuningen verspricht eine Präsentation von rund 800 Objekten von mehr als 60 Kreativen, anhand derer die Zusammenhänge, der Austausch und die gegenseitigen Einflüsse dargestellt werden sollen, die zwischen dem Bauhaus und den Niederlanden im Allgemeinen bestanden. Ein besonderer Fokus liegt auf Rotterdams Verbindungen zum Bauhaus. In Anbetracht des Titels, „Niederlande ⇄ Bauhaus“, sollte nicht nur ein umfassender Überblick über das vorliegende Thema möglich sein, die Ausstellung sollte auch dazu beitragen, die aktuelle Diskussion um das Bauhaus und die Entwicklung von Kunst, Architektur und Design in den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen deutlich zu erweitern.

„Netherlands ⇄ Bauhaus – Pioneers of a New World“ wird am Samstag, den 9. Februar im Museum Boijmans Van Beuningen, Museumpark 18-20, 3015 CX Rotterdam eröffnet und läuft bis Sonntag, den 26. Mai.

Postcard of the Bauhaus in Weimar, written by Theo van Doesburg and sent to his friend Antony Kok, 21 September 1921. (RKD – Netherlands Institute fo Art History, The Hague (Archive of Theo and Nelly van Doesburg))

Postkarte des Bauhaus in Weimar, geschrieben von Theo van Doesburg an seinen Freund Antony Kok, 21. September 1921. (RKD – Netherlands Institute for Art History, The Hague (Archiv von Theo und Nelly van Doesburg, mit freundlicher Genehmigung des Museums Boijmans Van Beuningen))

„Nicht mein Ding– Gender im Design“ im HfG-Archiv, Ulm

Wir haben einmal einer dreijährigen Bekannten eine Baseballmütze mit einem Hai auf der Vorderseite gekauft. Wir dachten uns: Ist doch toll, schließlich liebt sie Haie. Bei der Übergabe wurden wir mit skeptischem Blick begrüßt. Der Grund war, so wurden wir informiert, dass Blau eine „Jungenfarbe“ sei. Dann verbrachten wir den Rest des Tages damit, ihr den Irrtum hinter dieser Vorstellung zu erklären. Die Dreijährige wird/wurde nicht in einem besonders  geschlechtsspezifischen Haushalt aufgezogen; wächst jedoch in einer sehr geschlechtsspezifischen Welt auf, in einer Welt, in der selbst Produkte, die logischerweise geschlechtsneutral sein müssten, es eben nicht sind.

Mit der Ausstellung „Nicht mein Ding“ will das HfG-Archiv Ulm das Thema Gender im Design seinerseits im historischen Kontext untersuchen, wie die in der ehemaligen HfG Ulm realisierten Werke der 1950er- und 60er-Jahre veranschaulichen, als auch aus zeitgenössischer Perspektive beleuchten. Dazu gehören die Überlegungen der Designerin „in Residence“ Olivia Daigneault Deschênes und Studierender des Aicher-Scholl-Kollegs sowie der Realschule Dornstadt, die die Diskussion zum Männlich-Weiblich-Kontext der 50/60er-Jahre auf die heutige Zeit lenken.

„Nicht mein Ding– Gender im Design“ wird am Freitag, den 15.Februar im HfG-Archiv Ulm, Am Hochsträß 8, 89081 Ulm eröffnet und läuft bis Sonntag, den 19. Mai.

Nicht mein Ding – Gender im Design at the HfG-Archiv Ulm (Poster Fabian Karrer)

„Nicht mein Ding – Gender im Design“ im HfG-Archiv Ulm (Plakat: Fabian Karrer)

„The Value of Good Design“ im Museum of Modern Art, MoMA, New York, USA

Wie an dieser Stelle schon oft erwähnt, spielte das MoMA New York mit Ausstellungsreihen wie „Household object“ und „Good Design“ in den 1930er-, 40er- und 50er-Jahren eine zentrale Rolle bei der Etablierung dessen, was wir heute als amerikanischen Modernismus verstehen. Hinzu kamen Kooperationen mit zahlreichen Kaufhäusern, die den Konsum von Design populär, und, wenn man so will, „Design“ überhaupt erst zu einem Konsumgut machten. Wohin uns das geführt hat, ist nicht die Schuld des MoMA, angefangen hat es aber tatsächlich dort.

Dass der Begriff „Good Design“ nicht nur sehr subjektiv, sondern auch sehr spaltend ist, versteht sich von selbst. Mit „The Value of Good Design“ will das MoMA den Begriff jedoch nicht nur in einen historischen Kontext rücken, sondern auch aktuelle Vorstellungen von „Good Design“ unter die Lupe nehmen. Hoffentlich fühlen sich alle herausgefordert ihre Position dazu zu überdenken, die vom MoMA präsentierten Objekte kritisch zu betrachten und Fragen zu stellen, wo es angebracht erscheint. Auch das MoMA kann sich irren. Schließlich ist die Institution nur Hüter der Objekte und bestimmt nicht, wie man sie auffasst.

Besonders erfreulich: Das MoMA verspricht auch „gute Designklassiker“ zum Testen und Ausprobieren. Das ist wichtig und sinnvoll, denn im Gegensatz zu dem, was Instagram uns glauben macht, ist „gut“ nicht nur ein visuelles Merkmal.

„The Value of Good Design“ wird am Sonntag, den 10. Februar im Museum of Modern Art, MoMA, 11 West 53 Street, New York, NY 10019 eröffnet und läuft bis Montag, den 27. Mai.

Werra 1 35mm film camera, Zeiss-Werk Jena (Photo Thomas Griesel © and courtesy The Museum of Modern Art, New York)

Werra 1 35 mm Filmkamera, Zeiss-Werk Jena (Foto: Thomas Griesel © mit freundlicher Genehmigung des Museum of Modern Art, New York)

„Anton Lorenz: Von der Avantgarde zur Industrie“ im Vitra Design Museum Schaudepot, Weil am Rhein

Die Ausstellung von der Avantgarde zur Industrie verstehen wir als sanfte Erinnerung daran, dass all die Stahlrohrmöbel, von denen jeder sagt, das Bauhaus habe sie hervorgebracht, wahrscheinlich einen anderen Ursprung haben.

Wie bereits erwähnt, war Anton Lorenz durch seine Rolle bei First Standard Möbel und später DESTA mitverantwortlich für die früheste kommerzielle Produktion und den Vertrieb von Stahlrohrmöbeln, dazu gehörten auch Werke von Mart Stam und Marcel Breuer. Er sicherte sich ein Patent für Stams Werk, das es ihm später ermöglichte, das künstlerische Urheberrecht in Stams Namen für alle quadratischen Freischwinger zu beanspruchen. Einschließlich der Möbel von Marcel Breuer.

Die Ausstellung zeigt eine Auswahl von Werken von Designern wie Stam, Breuer und Mies van der Rohe aus der frühen Zeit der Stahlrohrmöbel sowie Dokumente und Objekte aus dem Lorenz-Archiv. „Von der Avantgarde zur Industrie“ wird aufgrund der Räumlichkeiten begrenzt sein, sollte aber auch dank der Lage inmitten dieses Universums des Möbeldesigns eine der lehrreicheren Ausstellungen zur Geschichte der Stahlrohrmöbel im Rahmen des 100. Bauhaus-Jubiläums sein.

„Anton Lorenz: Von der Avantgarde zur Industrie“ wird am Freitag, den 22. Februar im Vitra Design Museum Schaudepot, Charles-Eames-Straße 2, 79576 Weil am Rhein eröffnet und läuft bis Sonntag, den 19. Mai.

Anton Lorenz: From Avant-Garde to Industry at the Vitra Design Museum Schaudepot, Weil am Rhein (Graphic: Otto Rittweger ( Detail) © and courtesy Vitra Design Museum, Nachlass Anton Lorenz)

„Anton Lorenz: Von der Avantgarde zur Industrie“ im Vitra Design Museum Schaudepot, Weil am Rhein (Grafik: Otto Rittweger (Detail), © mit freundlicher Genehmigung des Vitra Design Museum, Nachlass Anton Lorenz)

1. Hunter S. Thompson, Mad Cow Disease Comes to the NBA in Hey Rube: Blood Sport, the Bush Doctrine, and the Downward Spiral of Dumbness, Simon & Schuster Paperbacks, New York, 2005

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