5 neue Architektur- & Designausstellungen im Mai 2019

„Was im Mai nicht blüht, wirds im September nicht nachholen“, schrieb Friedrich Hebbel 1836 von Heidelberg aus an seine große Liebe Elise Lensing in Hamburg. Und obwohl er nach eigenem Bekunden ein sentimentaler, hypochondrischer Charakter war, der das Studium und das Lernen in Frage stellte, der bedauerte, bevor er das Studium begonnen hatte, was er durch das Studium verpassen würde, war Hebbel ein Dichter, der diese Melancholie brauchte.

Für alle anderen aber sind Studium und Lernen unerlässlich. Nutzen Sie also die folgenden fünf neuen Architektur- und Designausstellungen im Mai 2019 in München, Hamburg, Berlin, Bremen und Villingen-Schwenningen!

5 neue Architektur- & Designausstellungen im April 2019

„Thonet & Design“, Die Neue Sammlung – Designmuseum, München

2019 ist nicht nur der 100. Jahrestag des Bauhaus‘ Weimar, sondern auch der 200. Jahrestag des ersten Herstellers der Bauhaus-Möbel – Thonet. Gegründet als Ein-Mann-Werkstatt  im Örtchen Boppard am Rhein, sollte Thonet zu sieben Fabriken in vier Ländern heranwachsen und letztendlich zu einem der bedeutendsten Möbelhersteller des 19. Jahrhunderts und 20. Jahrhunderts werden.

„Thonet & Design“ zeigt Thonet-Stuhlentwürfe aus der Anfangszeit Michael Thonets in Boppard, Bugholzmöbel der Gebrüder Thonet des späten 19. Jahrhunderts, das gebogene Stahlrohr von Breuer, Luckhardt, Mies van der Rohe et al. des frühen 20. Jahrhunderts und einige der unzähligen Werke des späten 20. Jahrhunderts von Eddi Harlis, Verner Panton, Konstantin Grcic oder Stefan Diez. Die Ausstellung „Thonet & Design“ gibt, wie wir hoffen, nicht nur einen umfassenden und detaillierten Überblick über die Entwicklung(en) Thonets in den letzten zwei Jahrhunderten, sondern wird hoffentlich auch untersuchen, inwieweit das 200-jährige Thonet-Jubiläum den Weg für das 100. Bauhaus-Jubiläum geebnet hat.

„Thonet & Design“ wird am 17. Mai in der Neuen Sammlung –  Designmuseum München, Pinakothek der Moderne, Barerstraße 40, 80333 München eröffnet und läuft bis Sonntag, den 20. Februar.

Cantilever chair Nr 275 by Verner Panton through August Sommer for Gebrüder Thonet (Photo © and courtesy Die Neue Sammlung – The Design Museum, Munich)

Freischwinger Nr. 275 von Verner Panton durch August Sommer für Gebrüder Thonet (Foto © mit freundlicher Genehmigung von Die Neue Sammlung –  Designmuseum München)

„Bauhaus in Hamburg. Künstler, Werke, Spuren“ in der Freien Akademie der Künste, Hamburg

Ein beliebter Aufhänger im offiziellen Programm zum 100. Bauhaus-Jubiläum sind Erkundungen von Städten und Regionen mit eigener Verbindung zum Bauhaus. Ja, das klingt auf der einen Seite etwas einfach, nach einem allzu offensichtlichen Versuch, sich mit dem hundertjährigen Glanz des Bauhaus‘ zu schmücken, andererseits ermöglichen diese Ansätze auch neue Perspektiven. Nicht nur in Bezug auf das Bauhaus, sondern auch hinsichtlich der Entwicklung von Architektur und Design in den Nachkriegsjahren und den Jahrzehnten nach dem Bauhaus. So wird das Bauhaus aus seinen vertrauten Kontexten gelöst und stattdessen in Kontexten untersucht, die oft nur flüchtige Verbindungen zum Bauhaus haben.

Mit der Ausstellung „Bauhaus in Hamburg“ will die Freie Akademie der Künste die Verbindungen zwischen Stadt und Schule aus der Nachkriegs- und Zwischenkriegszeit untersuchen. Die Verbindungen aus der Zwischenkriegszeit werden vertreten durch in Hamburg tätige Bauhäusler wie Alfred Ehrhardt, Fritz Schleifer, Naum Slutzky oder Hedwig Arnheim, eine der wenigen gebürtigen HamburgerInnen am Bauhaus. Dazu gehört aber auch  Max Sauerlandt, der nach seiner Ernennung 1919 als Direktor des Museums für Kunst und Gewerbe in Hamburg Werke des Bauhaus‘ und seiner Mitstreiter sammelte und ausstellte und so zur Verbreitung der neuen Ideen beitrug. Er setze damit in vielerlei Hinsicht die Arbeit seines Vorgängers Justus Brinckmann fort, der ein führender Protagonist bei der Etablierung des Jugendstils in Hamburg und darüber hinaus war.

Die Verbindungen Hamburgs zum Bauhaus während der Nachkriegszeit kommen wiederum anhand von Ex-Bauhäuslern zum Ausdruck, die nach Hamburg kamen, um an der Kunsthochschule zu unterrichten, darunter Otto Lindig, Gerhard Marcks und Gustav Hassenpflug. Sie ermöglichen eine Erforschung der Frage, wie die Ideen und Ideale des Bauhaus‘ nicht nur in Hamburg vermittelt, sondern auch inszeniert und interpretiert wurden. Und das kann nur dazu beitragen, unser Verständnis für das Erbe und die Relevanz der Schule zu vertiefen.

„Bauhaus in Hamburg. Künstler, Werke, Spuren“ wird am Donnerstag, den 9. Mai an der Freien Akademie der Künste, Klosterwall 23, 20095 Hamburg eröffnet und läuft bis Sonntag, den 30. Juni.

"Das Haus in der Halle" by Gustav Hassenpflug in the Hamburger Hochschule für bildende Künste, 1953 (Photo Courtesy Freie Akademie der Künste, Hamburg)

„Das Haus in der Halle“ von Gustav Hassenpflug in der Hamburger Hochschule für bildende Künste, 1953 (Foto mit freundlicher Genehmigung der Freien Akademie der Künste, Hamburg)

„Radical Craft“ im Direktorenhaus Museum für Kunst Handwerk Design, Berlin

In unserem Beitrag zur Ausstellung „Unique Piece or Mass Product?“ des Werkbundarchivs Berlin haben wir uns über die Behauptung des MoMA New York mokiert, dass ihre Ausstellung „Machine Art“ von 1934 „ein Sieg im langen Krieg zwischen Handwerk und Maschine“ gewesen sei. Der Titel „Radical Craft“ klingt so, als würde die dazugehörige Ausstellung unsere Skepsis teilen, als wolle er die Tatsache zum Ausdruck bringen, dass sich das Handwerk nicht nur immer noch behauptet, sondern aktiv eine relevante zeitgenössische Gegenposition zur industriellen Massenproduktion darstellt.

„Radical Craft“ zeigt Werke von etwa 60 internationalen Kreativen aus verschiedenen Handwerkszweigen und will nicht nur zeitgenössische handwerkliche Prozesse, Positionen und Erkenntnisse erforschen, sondern auch hinterfragen, inwieweit die Handwerksproduktion Grundlage für eine soziale, ökologische und wirtschaftlich nachhaltige Zukunft bilden könnte, die wir, wie wir alle wissen, so dringen nötig haben. Und die die globale Industrie, wie sich immer deutlicher herausstellt, einfach nicht liefern kann. Es hört sich also so an, als würden die Diskussionen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts aufgegriffen und in eine zeitgenössische Landschaft übertragen.

„Radical Craft“ wird am Freitag, den 24. Mai im Direktorenhaus Museum für Kunst Handwerk Design, Am Krögel 2, 10179 Berlin eröffnet und läuft bis Sonntag, den 5. April.

Coloured incalmo glass jugs by Jochen Holz, part of Radical Craft Direktorenhaus Museum für Kunst Handwerk Design Berlin

Farbige Incalmo Krüge von Jochen Holz, ein Teil von „Radical Craft“, Direktorenhaus Museum für Kunst Handwerk Design, Berlin

„Wilhelm Wagenfeld: Leuchten“ im Wilhelm Wagenfeld Haus, Bremen

Die in der Metallwerkstatt des Bauhaus‘ Weimar im Jahr 1924 entwickelte reduzierte geometrische Lampe von Wilhelm Wagenfeld wurde 1928 von Wilhelm Lotz in „Bauhausleuchte“ umbenannt. Dass sie erst seit den 1980er Jahren produziert und verkauft wird, unterstreicht, dass das Bauhaus in den unmittelbaren Nachkriegsjahrzehnten nicht den gleichen Status, geschweige denn die gleiche Mythologie besaß, wie das heute der Fall ist. In den Jahren, in denen Wagenfelds bekanntestes Leuchtendesign weitgehend ignoriert wurde, wurden andere Wagenfeld-Leuchten massenhaft in westdeutschen Wohnanlagen installiert. In den 1960er und 1970er Jahren lebten also tausende Bürger in Westdeutschland mit Wagenfeld-Leuchten, allerdings oft ohne es zu wissen.

Mit „Wilhelm Wagenfeld: Leuchten“ präsentiert das Wilhelm Wagenfeld Haus Bremen nicht nur Wagenfelds Leuchtendesignkanon, von der ersten Leuchte in Weimar über weitere Arbeiten für Hersteller wie Weimar Bau und Wohnungskunst bis hin zu seinen Nachkriegsentwürfen, darunter für Lindner aus Bamberg, sondern zeigt auch Leuchten anderer Designer, anhand derer untersucht werden soll, wie Wagenfelds Werk zeitgenössische Leuchtendesigner beeinflusst hat.

„Wilhelm Wagenfeld: Leuchten“ wird am 24. Mai im Wilhelm Wagenfeld Haus, Am Wall 209, 28195 Bremen eröffnet und läuft bis Sonntag, den 27.Oktober. The "Bauhaus Lamp" by Wilhelm Wagenfeld, the starting point for Wilhelm Wagenfeld: Leuchten at the Wilhelm Wagenfeld Haus, Bremen

Die „Bauhaus-Leuchte“ von Wilhelm Wagenfeld, Ausgangspunkt für „Wagenfeld: Leuchten“ im Wilhelm Wagenfeld Haus, Bremen

„Zeit, Freiheit und Kontrolle“ im Uhrenindustriemuseum, Villingen-Schwenningen

2019 ist nicht nur das 200-jährige Jubiläum der Gründung der ersten Thonet Werkstatt, sondern auch der zweihundertste Geburtstag einer Schlüsselfigur in der Entwicklung der Schwarzwälder Uhrenindustrie: Johannes Bürk.

Und nein, das hat nichts mit Kuckucksuhren zu tun. Genauso unheimlich allerdings: Johannes Bürk gelang 1854 der Durchbruch mit der Entwicklung seiner so genannten Nachtwächteruhr, einer Taschenuhr, die es ermöglichte, die Anwesenheit von Nachtwächtern während ihrer Schichten zu erfassen und sie so zu überwachen und zu kontrollieren. In den folgenden Jahren spielte Johannes Bürk eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Stechuhren und wurde zu einem bedeutenden internationalen Stechuhrenhersteller. Die Überwachung und Kontrolle aller Büro- und Fabrikarbeiter, aber auch flexiblere Arbeitspraktiken wie Gleitzeit sowie die formelle Erfassung von Überstunden wurden so ermöglicht. In vielerlei Hinsicht wurde so auch unsere Beziehung zu Uhren verändert: Statt passiv die Zeit anzuzeigen, begannen sie aktiv unsere Zeit zu definieren, was sie zu idealen Instrumenten des Kapitalismus machte.

Mit der Ausstellung „Zeit, Freiheit und Kontrolle“ will das Uhrenindustriemuseum Villingen-Schwenningen nicht nur das Leben, die Zeit und das Werk Bürks nachzeichnen, sondern sein gesamtes Erbe erforschen. Zum einen wird dazu ein Projekt von Studierenden des Ludwig-Uhland-Instituts für Empirische Kulturwissenschaft, Tübingen, präsentiert, das sich mit zeitgenössischen Kontrollsystemen im Kontext von Bürks Werk beschäftigt. Zum anderen werden Projekte zeitgenössischer Kunst gezeigt, die sich mit Fragen der Zeit beschäftigen. Es sollten also abstrakte Überlegungen über unser aktuelles Verhältnis zur Zeit möglich sein – Gedanken darüber, inwieweit die Fähigkeit zur Erfassung und Messung von Zeit uns befreit und inwieweit sie uns kontrolliert.

„Zeit, Freiheit und Kontrolle“ wird am Freitag, den 10. Mai im Uhrenindustriemuseum, Bürkstraße 39, 78054 Villingen-Schwenningen eröffnet und läuft bis zum 1. März 2020.

Siri, record my position, activity, and any other information that you consider commercially relevant….. (Photo courtesy Uhrenindustriemuseum Villingen-Schwenningen)

„Siri erfasse meinen Standort und alle weiteren Informationen,die du benötigst…“ (Foto mit freundlicher Genehmigung des Uhrenindustriemuseums Villingen-Schwenningen)

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