5 Neue Architektur- und Designausstellungen im Juni 2021

„Ich frage mich, wie es wäre, in einer Welt zu leben, in der immer Juni ist“, sinniert Anne Shirley in Lucy Maud Montgomerys 1915 erschienenem Roman Anne in Kingsport.

„Du würdest es bald satthaben“, antwortet ihre Adoptivmutter Marilla Cuthbert seufzend.

Daraufhin Anne: „im Moment habe ich das Gefühl, dass ich lange brauchen würde, um dessen müde zu werden …“

Und genauso geht es uns in Anbetracht der Fülle neuer Architektur- und Designausstellungen, die im Juni 2021 aus dem Boden sprießen. Wer könnte sich daran schon satt sehen?

Unsere fünf Empfehlungen aus diesem frühsommerlichen Ausstellungs-Bouquet finden Sie in Leipzig, Hornu, Berlin, Bloomfield Hills und Chemnitz…

5 New Architecture & Design Exhibitions for June 2021

„Stühle. Nur für Kinder!“ im Grassi Museum für Angewandte Kunst, Leipzig, Deutschland

Da zwischen Möbeln und Menschen eine sehr enge Verbindung besteht, dokumentieren Möbel die Entwicklung von Gesellschaften sehr zuverlässig. Diese Tatsache lässt sich besonders gut, jedenfalls im europäischen Kontext, an Sitzgelegenheiten für Kinder demonstrieren: Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts gab es solche Sitzgelegenheiten nicht wirklich. Kinder waren aber auch nicht wirklich ein Teil der europäischen Gesellschaft. Ab dem Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert, wurden Kinder schließlich zunehmend als Teil der Gesellschaft anerkannt und akzeptiert. Darüber hinaus begann man die spezifischen Bedürfnisse und Ansprüche von Kindern wahrzunehmen und auf sie zu reagieren (wenn auch zunächst nur langsam und zähneknirschend). Diese Entwicklung betraf auch die Bestuhlung.

Diese Entwicklung will das Grassi Museum für Angewandte Kunst, Leipzig, mit „Stühle. Nur für Kinder!“ nachvollziehen. Zu diesem Zweck werden rund 120 Kinderstühlen präsentiert, die vorwiegend aus der Sammlung Gisela Neuwald stammen und durch Werke aus der eigenen Sammlung ergänzt werden. Die Ausstellung verspricht eine Reise von den Thonet-Kinderstühlen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, die zu den frühesten expliziten Kinderstühlen gehören, bis hin zu zeitgenössischen Entwürfen von Kinderstühlen, die nicht nur im Kindermaßstab konzipiert wurden, sondern vielschichtig auf die Ansprüche und Bedürfnisse eines zeitgenössischen Kindes eingehen. Diese Reise verläuft nicht nur analog zu einem sich entwickelnden Verständnis von Kindern als mehr als nur kleine Erwachsene, sondern hat auch viel mit den Entwicklungen von Materialien und Techniken zu tun. Damit unterstreicht die Ausstellung auch die Bedeutung neuer Materialien im Hinblick auf die Realisierung von Ausdrucksformen im zeitgenössischen Design.

“Stühle. Nur für Kinder!” wird am Donnerstag, 10. Juni, im Grassi Museum für Angewandte Kunst, Johannisplatz 5-11, 04103 Leipzig, eröffnet und läuft bis Sonntag, 3. Oktober. Bitte informieren Sie sich auf der Website des Grassi Museums für Angewandte Kunst über die aktuellen Öffnungszeiten, den Kartenverkauf und die Sicherheits- und Hygienevorschriften.

Eames Elephant by Charles & Ray Eames through Vitra (l) and Trotter by Rogier Martens for Magis (r), part of Chairs. For children only!, Grassi Museum für Angewandte Kunst, Leipzig, Germany (Photo Esther Hoyer/ GRASSI Museum für Angewandte Kunst)

Vitra Eames Elephant von Charles & Ray Eames (l) und Trotter von Rogier Martens für Magis (r), zu sehen bei „Stühle. Nur für Kinder!“, Grassi Museum für Angewandte Kunst, Leipzig, Deutschland (Foto Esther Hoyer/ GRASSI Museum für Angewandte Kunst)

„Kaspar Hamacher. Mutter Erde“ im CID – centre d’innovation et de design au Grand-Hornu, Hornu, Belgien

Kaspar Hamacher würde sich selbst nicht als Designer bezeichnen. Er nennt sein Studio beispielsweise Atelier für handgefertigte monolithische Holzarbeiten und sieht sich selbst eher in einer handwerklichen Tradition, das heißt er ist stets bemüht, den Fokus auf das physische Objekt und nicht auf irgendwelche konzeptionellen Vorstellungen in seiner Arbeit zu legen. Dennoch könnte man seine Herangehensweise an die Entwicklung von Objekten und sein Verständnis von diesen Objekten, die immer in erster Linie funktional und reaktionsfähig und nicht dekorativ und passiv sind, ohne Frage als Design bezeichnen.

Die Ausstellung verspricht eine Präsentation in drei Teilen. Dabei handelt es sich zum einen um eine Auswahl von Objekten aus Hamachers Portfolio, die Einblicke in seine Prozesse und Positionen ermöglichen soll. Hinzu kommt eine große Installation, die laut CID Grand-Hornu „das Magasin aux Foins mit den Emotionen füllen wird, die wir in der freien Natur empfinden, wenn wir eins mit dem Wald sind“. “Mutter Erde” soll also nicht nur eine breite und vielfältige Einführung zu Kaspar Hamacher, seiner Herangehensweise und seinen Arbeiten ermöglichen, sondern auch Reflexionen über die Schnittstelle zwischen Handwerk und Design zu lassen. Es geht um unsere Beziehungen sowohl zu den Objekten, mit denen wir uns umgeben, als auch zu den Umgebungen, in denen wir uns befinden, und um die Frage, was in diesen Beziehungen wichtig ist.

“Kaspar Hamacher. Mutter Erde” wird am Sonntag, 27. Juni, im CID – centre d’innovation et de design au Grand-Hornu, Site du Grand-Hornu, Rue Sainte-Louise 82, 7301 Hornu eröffnet und läuft bis Sonntag, 26. September. Bitte informieren Sie sich auf der Website des CID – centre d’innovation et de design au Grand-Hornu über aktuelle Informationen zu Öffnungszeiten, Ticketverkauf und Sicherheits-/Hygienevorschriften.

Kaspar Hamacher at work.....(Photo © Jo Magrean, courtesy CID – centre d’innovation et de design au Grand-Hornu)

Kaspar Hamacher bei der Arbeit… (Foto © Jo Magrean, mit freundlicher Genehmigung des CID – centre d’innovation et de design au Grand-Hornu)

„Design Lab #8 Material Loops – Wege in eine kreislauffähige Zukunft“ im Kunstgewerbemuseum, Berlin, Deutschland

Eine wachsende Zahl, wenn auch wohl nicht die Mehrheit von uns hat verstanden, dass für die Zukunft des Lebens auf der Erde eine Abkehr von derzeitigem Konsum und Verbrauch von Materialien notwendig ist und wir in allen Bereichen kreislauffähige Materialökonomien annehmen, entwickeln und optimieren müssen.

Mit “Material Loops #8”, der achten Ausgabe des Design Labs, präsentiert das Kunstgewerbemuseum Berlin Projekte, die von bestehenden kommerziellen Prozessen bis hin zu spekulativen studentischen Vorschlägen reichen, und die darauf abzielen, Aspekte der materiellen Kreislaufwirtschaft zu erforschen und zu beleuchten. Projekte also, die als Grundlage dienen sollen, eine breite Debatte darüber anzuregen, was möglich ist, was möglich sein könnte und was im Kontext der materiellen Kreislaufwirtschaft möglich gemacht werden muss.

Darüber hinaus wird “Material Loops #8” auch den Versuch der italienischen Stadt Prato diskutieren, eine Circular City zu werden. Ein Versuch, der verdeutlicht, dass die Sicherung einer Zukunft des Lebens auf der Erde uns alle angeht, individuell und kollektiv; und der deutlich macht, dass neben materiellen Kreislaufwirtschaften auch zirkuläre Finanzwirtschaften und soziale Kreislaufwirtschaften gefördert werden müssen. Nachhaltigkeit ist nicht ein ökologischer Aspekt.

Das “Design Lab #8 Material Loops – Wege in eine kreislauffähige Zukunft” wird am Freitag, 11. Juni, im Kunstgewerbemuseum, Matthäikirchplatz, 10785 Berlin eröffnet und läuft bis Samstag, 28. August. Bitte informieren Sie sich auf der Website des Kunstgewerbemuseums Berlin über aktuelle Informationen zu Öffnungszeiten, Tickets und Sicherheits-/Hygienevorschriften.

Design Lab #8 Material Loops – Paths to a Circular Future at the Kunstgewerbemuseum, Berlin

Design Lab #8 Material Loops – Paths to a Circular Future at the Kunstgewerbemuseum, Berlin

„With Eyes Opened: Cranbrook Academy of Art Since 1932“ im Cranbrook Art Museum, Bloomfield Hills, Michigan, USA

In den 1930er Jahren wurden in Amerika mehrere akademische Institutionen eröffnet, in denen Handwerk, bildende Kunst, angewandte Kunst und Architektur als Studiengänge nebeneinander existieren und in einen Dialog treten sollten. Zu diesen Institutionen zählt auch die Cranbrook Academy of Art. Eingebettet in die fast ländliche Ruhe von Bloomfield Hills, Michigan, heute ein nördlicher Vorort des Großraums Detroit, genießt die Cranbrook Academy nicht zu Unrecht den Ruf, eine der Wiegen des amerikanischen Mid-Century-Designs zu sein. Dieser Ruf ist eng mit Persönlichkeiten wie Charles Eames, Ray Kaiser, Eero Saarinen, Florence Schust, Harry Bertoia, Don Albinson und unzähligen anderen verbunden ist, die mit der Cranbrook Academy auf unterschiedliche Weise verbunden waren.

Zur Cranbrook Academy of Art gehört jedoch nicht nur die amerikanische Moderne aus der Mitte des 20. Jahrhunderts.

Die Ausstellung “With Eyes opened” verspricht eine Präsentation in neun Kapiteln: darunter Paper Trail mit Überlegungen zur Druckgrafik in Cranbrook, The Sculpture Court, das sich mit der, wie das Museum anmerkt, „Gründungsdisziplin in Cranbrook“ auseinandersetzt oder Architecture of the Interior und Cranbrook and the Chair, die uns zurück zu Cranbrook und dem zeitgenössischen Design bringen. Die Ausstellung soll einen umfassenden Rückblick auf das Institut und seine fast 90-jährige Geschichte bieten, der herausstellen soll, dass die Cranbrook Academy of Art, welchen Ruf sie auch immer haben mag, aus der Summe aller Mitarbeitenden und Studierenden besteht, die seit den Anfängen zu dieser Geschichte beigetragen haben. Es soll deutlich werden, dass die Cranbrook Academy of Art ihren Beitrag zur Entwicklung von Kunst, Handwerk und Design in Amerika und darüber hinaus seit den 1930er Jahren leistet und in Zukunft leisten wird.

„With Eyes Opened: Cranbrook Academy of Art Since 1932“ wird am Freitag, 18. Juni im Cranbrook Art Museum, 39221 Woodward Ave, Bloomfield Hills, MI 48304 eröffnet und läuft bis Sonntag, den 19. September. Bitte informieren Sie sich auf der Website des Cranbrook Art Museums über aktuelle Informationen zu Öffnungszeiten, Kartenverkauf und Sicherheits-/Hygienevorschriften.

Proposed Plan for Cranbrook Academy of Art (Image Cranbrook Archives)

Vorgeschlagener Entwurf für die Cranbrook Academy of Art (Bild Cranbrook Archives)

„simson, diamant, erika. Formgestaltung von Karl Clauss Dietel“ in den Kunstsammlungen, Chemnitz, Deutschland

 

Wer sich mit den Kulturgütern der DDR so gar nicht auskennt, der wird auch mit den Begriffen “Simson”, “Diamant” und “Erika” aus dem Titel der kommenden Ausstellung der Kunstsammlungen Chemnitz wenig anfangen können.

Alle anderen werden bei “Simson”, “Diamant” und “Erika” an die vertrauten Motorräder, Fahrräder und Schreibmaschinen aus der DDR denken.

2019 haben die Kunstsammlungen Chemnitz das persönliche Archiv des Gestalters Karl Clauss Dietel erworben. Seitdem ist das Museum dabei, die darin enthaltenen Modelle, Fotos, Dokumente und Produkte methodisch zu erschließen und zu katalogisieren. Das erste öffentliche Ergebnis dieses Vorhabens ist die Ausstellung “simson, diamant, erika”, die eine umfassende Retrospektive eines Gestalters zu werden verspricht, der nach einer Ausbildung zum Maschinenschlosser und einem Studium an der Hochschule für bildende und angewandte Kunst in Berlin-Ost eine berufliche Karriere begann, die Grafikdesign, Architektur, Kunst sowie Produkt- und Industriedesign umfasst hat. Für letzteres ist Dietel wohl am bekanntesten. Neben den Projekten und dazugehörigen Objekten, die er entwickelte, trug Dietel im Verlauf seiner Karriere auch zur Entwicklung der Designtheorie bei. Und das sowohl in der DDR, wo er (relativ) bekannt ist, als auch in Deutschland und der Welt, wo er weniger bekannt ist.

“simson, diamant, erika” soll allen ermöglichen, Karl Clauss Dietel besser kennenzulernen, und sich einem Verständnis des Designers anzunähern, das mehr als Simson, Diamant & Erika umfasst, und Dietel über Ostdeutschland hinaus, in den Kontext der Geschichte und Entwicklung des Designs in Deutschland rückt.

“simson, diamant, erika. Formgestaltung von Karl Clauss Dietel” wird am Sonntag, 27. Juni, in den Kunstsammlungen Chemnitz, Theaterplatz 1, 09111 Chemnitz, eröffnet und läuft bis Sonntag, 3. Oktober. Bitte informieren Sie sich auf der Website der Kunstsammlungen Chemnitz über aktuelle Informationen zu Öffnungszeiten, Kartenverkauf und Sicherheits-/Hygienevorschriften.

Karl Clauss Dietel (photo Laszlo Farkas via commons.wikimedia.org CC BY 3.0)

Karl Clauss Dietel (Foto Laszlo Farkas via commons.wikimedia.org CC BY 3.0)

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