Echoes – 100 Years in Finnish Design and Architecture @ Felleshus, Nordische Botschaften, Berlin

Wie jeder weiß, benötigt ein Echo eine Oberfläche, die es zurückwerfen kann. Ansonsten wird daraus ein Ruf ins Leere. Bei der Ausstellung „Echoes – 100 Years in Finnish Design and Architecture“ im Felleshus in Berlin besteht diese reflektierende Oberfläche aus den Traditionen, Kulturen und Landschaften Nord-Ost-Europas.

Echoes - 100 Years in Finnish Design and Architecture @ Felleshus, The Nordic Embassies, Berlin

„Echoes – 100 Years in Finnish Design and Architecture“ @ Felleshus, Nordische Botschaften, Berlin

Am 6. Dezember 1917 verkündete die Republik Finnland ihre Unabhängigkeit von Russland. Ein Ereignis, das über das Jahr 2017 unterschiedlich gefeiert wurde. Ihren Höhepunkt werden die Feierlichkeiten wohl am 6. Dezember 2017 erreichen.

Die von der finnischen Designerin Laura Isoniemi in Kooperation mit der Finnischen Botschaft initiierte Ausstellung „Echoes – 100 Years in Finnish Design and Architecture“ geht nicht direkt aus den Jubiläumsfeierlichkeiten hervor; das Timing könnte in diesem Zusammenhang allerdings nicht besser sein.

Basierend auf einem Vortrag mit dem Titel „Echoes of Nature in Finnish Design and Architecture“, den Laura Isoniemi 2014 gehalten hat, ist die Ausstellung „Echoes“ in acht Abschnitte unterteilt, unter anderem „Hell & Dunkel“, „Tradition“ und „Stille“, die sich Aspekten der finnischen Gesellschaft widmen. Auch Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Architektur und Design werden verdeutlicht. Und auch wenn viele nun erwarten, dass wir einen solchen Gebrauch von Stereotypen für eine auf ein bestimmtes Land bezogene Architektur- und Designtradition lauthals verdammen würden – schließlich wird in diesem Zusammenhang eine Menge Missbrauch betrieben, bei dem es Marketingvertretern darum geht, uns einen besonders „finnischen“ Stuhl oder eine besonders „finnische Lampe“ zu verkaufen – wir werden genau das nicht tun.

Pardon.

Denn als Ausstellung geht es „Echoes“ nicht um eine „finnische“ Architektur- oder Designtradition, es geht nicht darum, Architektur und Design in Finnland auf ein paar instagramtaugliche Hashtags zu reduzieren. Die Ausstellung eignet sich nichts an und versucht nicht, finnische Architektur und finnisches Design zu verkaufen. Finnland soll promotet (und nicht verkauft) werden. Architektur und Design sind dabei eher die Kanäle und in diesem Zusammenhang besonders geeignet.

Wie wir auf diesen Seiten schon einige Male festgehalten haben, spielten bei der Entwicklung Finnlands Kreative wie der Architekt Eliel Saarinen oder der Komponist Jean Sibelius eine entscheidende Rolle. Kreative, die ihre Kunst einsetzten, um einen Ansatz für eine finnische Identität zu finden; nicht in einem demagogischen, nationalistischen Sinne eines größeren Finnlands, sondern im Sinne der Finnen und ihrem Platz in der Welt, ihren Verbindungen mit und Unterschieden zu anderen Menschen.

Die ausgestellten Objekte in „Echoes“ stehen für genau diesen Nachhall, mit dem eher zeitgenössische finnische Architekten und Designer konfrontiert sind, wenn sie sich mit aktuellen Fragen nach Finnland und dem Finnischen befassen.

Dabei geht es nicht um eine Idee des Finnischen und die Ausstellung zielt auch nicht auf eine solche Idee ab. Das machen Marketingvertreter.

Echoes - 100 Years in Finnish Design and Architecture @ Felleshus, The Nordic Embassies, Berlin

„Echoes – 100 Years in Finnish Design and Architecture“ @ Felleshus, Nordische Botschaften, Berlin

Mit einer Mischung aus Objekten und Fotografien aus verschiedensten Genres und Dekaden präsentiert „Echoes“ alles, was man sich in einer solchen Ausstellung wünschen und von einer solchen Ausstellung erwarten würde. Alvar Aalto, Ilmari Tapiovaara, Oiva Toikka, Marimekko, Tapio Wirkkala, Lakritze, Harri Koskinen, Eishockey, Eero Arnio, etc.. Es gibt auch Objekte und Projekte, die zwar global nicht besonders populär sind, aber dabei helfen, Finnland und finnische Architektur/finnisches Design zu erklären, darunter unter anderem Lahtiset Filzstiefel, das Finland Maternity Package als Teil des finnischen Sozialversicherungssystems, das Futuro Haus von Matti Suuronen und ein Paar Nokia Hai Wellington-Boots.

Die Ausstellung zeigt viel Vertrautes, bietet aber auch Möglichkeiten, zuvor Unbekanntes zu entdecken – ein wichtiger Punkt in jeder guten Ausstellung. Unter den für uns neuen Arbeiten, die unsere Aufmerksamkeit besonders erregt haben, waren die Modern Art Tischleuchte von Yki Nummi, die sogenannte Shingle Church in Kärsämäki von Anssi Lassila und der A-509 Stuhl von Yrjö Kukkapuro.

Wir haben „Echoes“ zum ersten Mal in Prag gesehen, als wir damals wegen des Design Festivals Designblok in der Stadt waren und lange über den A-509 Stuhl nachgedacht. Auch in Berlin haben wir uns viel mit ihm beschäftigt.

Der A-509 wird im Abschnitt „Landschaft“ präsentiert und sieht um ehrlich zu sein aus, als wäre er ohne einen Plan und ohne jedes Gespür für Kartografie entworfen worden. Man kann doch nicht einfach sämtliche Komponenten eines Stuhls zusammenwerfen und das einen Stuhl nennen. Ein Stuhl muss eine Integrität haben, eine Absicht verfolgen, muss seine Funktion reflektieren, um ihr gerecht zu werden. Der A-509 Stuhl scheint hingegen keine Ahnung zu haben, was er ist oder sein soll. In diesem Stuhl ist so viel auf einmal los, zuweilen Widersprüchliches, dass das Resultat unerträglich laut ausfällt. Wie ein Echo, das einem aus verschiedenen Richtungen gleichzeitig entgegenkommt und in ein enttäuschendes Rauschen mündet.

Da der A-509 für uns eine so unkoordinierte und anstrengende Designarbeit ist, fühlten wir uns verpflichtet, Yrjö Kukkapuros Oeuvre etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Mal wieder wird deutlich, was wir schon oft wiederholt haben: Man muss nicht alles mögen, was man in Design- und Architekturausstellungen zu sehen bekommt. Das sollte nicht der Grund sein, sie zu besuchen. Vielmehr schaut man sich Design- und Architekturausstellungen an, um Architektur und Design, Architekten und Designer besser zu verstehen. Ausschlaggebend ist am Ende, wie man mit den Eindrücken und Informationen, die man erhält, weiter umgeht.

Nachdem wir uns mit Kukkapuro seit Prag etwas genauer beschäftigt haben, beginnen wir den A-509 als Abweichung in seinem Portfolio zu verstehen. Ein Portfolio, das zahlreiche Stühle einer ähnlichen Typologie umfasst. Allerdings sind die anderen Modelle den Fotos zufolge sehr viel ausgewogener, komponierter und kohärenter. Insofern sind wir sehr dankbar, Kukkapuros Arbeiten kennengelernt zu haben.

 

A-509 Chair by Yrjö Kukkapuro, as seen at Echoes - 100 Years in Finnish Design and Architecture, Felleshus, The Nordic Embassies, Berlin

A-509 Chair von Yrjö Kukkapuro, gesehen bei „Echoes – 100 Years in Finnish Design and Architecture“, Felleshus, Nordische Botschaften, Berlin

In Anlehnung an die vergangene Ausstellung Much More Than One Good Chair im Felleshus haben wir in Erwägung gezogen, die aktuelle Ausstellung „Much More Than One Good Aalto“ zu nennen. Das wäre allerdings nicht nur gar nicht lustig gewesen, sondern hätte auch die Botschaft der ganzen Ausstellung verdreht.

„Echoes“ kombiniert mühelos Genres und Positionen und bietet eine kluge Darstellung des Umfangs und der Tiefe von Architektur und Design in Finnland, ist aber keinesfalls ein endgültiger und allumfassender Überblick über 100 Jahre. Das ist aber auch nicht das Anliegen der Ausstellung. Vielmehr geht es darum, den Echos der Natur in finnischem Design und finnischer Architektur nachzuspüren. Und als angenehm temporeiche, offene und zugängliche Ausstellung, gelingt „Echoes“ genau das.

„Echoes“ war als Wanderausstellung geplant und der Website zufolge ist Berlin die letzte Station. Um ehrlich zu sein bezweifeln wir das allerdings. Nicht weil wir den Finnen nicht über den Weg trauen würden, das tun wir durchaus, sondern weil die Ausstellung nicht den Eindruck macht, als wäre sie schon vorbei. Oder besser gesagt: Man hat nicht den Eindruck, ihr Echo sei schon verhallt.

Die zweisprachige Ausstellung (deutsch/englisch) „Echoes – 100 Years in Finnish Design and Architecture“ läuft bis Sonntag, den 28. Januar im Felleshus, Nordische Botschaften, Rauchstraße 1, 10787 Berlin.

Alle Details gibt es auf www.nordischebotschaften.org und www.echoes100.com.

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