5 neue Architektur- und Designausstellungen im September 2018

Die Germanische Überlieferung „Ein guter Septemberregen kommt nie ungelegen“ gilt dieses Jahr mehr denn je – übrigens auch für gute Architektur- und Designausstellungen.

Solange wir uns alle noch erinnern können, was Regen ist, bleiben wir bei den Regenmetaphern: Der September 2018 hält eine ganze Welle an neuen Ausstellungen bereit. Nach der Dürre im Juli mit mageren vier Architektur- und Designausstellungen haben wir ein anhaltendes Defizit in unserer jährlichen Quote zu verzeichnen, doch dank der aktuellen Überschwemmung können wir im September sechs Empfehlungen aussprechen.

Also schnappt euch euren Regenschirm und los geht’s – nach Kolding, München, London, Herford, Moskau und Weil am Rhein.

 

5 new Architecture & Design Exhibitions September 2018

„Kay Bojesen – Humour in Danish Design“ im Trapholt Museum of Modern Art & Design, Kolding, Dänemark

Wie wir in unserem Blogpost „Made in Denmark: Formgestaltung seit 1900“ im Grassi Museum für Angewandte Kunst zu Leipzig bemerkten, ist der bewegliche Holzaffe Abe in jeder Ausstellung zum Thema Dänisches Design allgegenwärtig. Und nun stellt euch mal vor, wie eine Ausstellung über Abes Erfinder aussehen muss! Hoffentlich gewährt sie einen tieferen Einblick in das Leben eines Designers, der besonders für diesen einen Affen bekannt ist, dessen Werk aber weitaus vielseitiger ist. Obgleich Kay Bojesen am besten für seine Holzfiguren bekannt ist, arbeitete er zunächst als Silberschmied in der Werkstatt von Georg Jensen in Kopenhagen, bevor er an die Berufsschule für Edelmetall in Schwäbisch Gmünd und schließlich nach Paris ging. Nach seiner Rückkehr nach Dänemark heiratete Kay Bojesen im Jahr 1919 Erna Pethrine Drøge-Møller, wurde Vater und besonders dank seines Sohnes Otto Kunsthandwerker mit Schwerpunkt Holz, denn dieser motivierte ihn dazu, Spielzeuge herzustellen.

Die Ausstellung „Humour in Danish Design“ beschäftigt sich in den drei Abschnitten „Play“, „Craft“ und „Innovation“ mit Bojesens Leben, seiner Arbeit und seinem Erbe und wird vom Trapholt Museum als die größte und umfassendste Kay-Bojesen-Ausstellung angekündigt, die es je gab. Daran haben wir keinen Zweifel. „Humour in Danish Design“ verspricht eine Präsentation von Objekten verschiedenster Lebens- und Karriereabschnitte Bojesens und soll, wie es angemessen ist, wenn es um einen Designer geht, der hauptsächlich mit Holzspielzeug in Verbindung gebracht wird, für Kinder und Erwachsene gleichermaßen geeignet sein. Es darf geklettert und geschaukelt werden und es gibt einen 50 mgroßen Raum mit 25000 Bausteinen aus Buchenholz.

„Kay Bojesen – Humour in Danish Design“ wird am Donnerstag, den 13. September im Trapholt Museum of Modern Art & Design, Æblehaven 23, 6000 Kolding eröffnet und läuft bis Montag, den 6. Juni 2019.

Kay Bojesen. And Abe. (Photo © Kay Bojesen Denmark, courtesy Trapholt Museum)

Kay Bojesen. Und Abe. Und Abe. Und Abe… (Foto © Kay Bojesen Denmark, mit freundlicher Genehmigung des Trapholt Museum)

„Königsschlösser und Fabriken. Ludwig II. und die Architektur“ im Architekturmuseum der TU München

Vor Jahrzehnten verbrachten wir viel Zeit im bayrischen Füssen, besonders, um Amerikaner bei ihren Zweifeln zu belauschen, ob das Schloss Neuschwanstein wirklich älter sei als das Disney-Schloss. Es ist aber tatsächlich so. Im Rahmen des 150-jährigen Jubiläums der TU München präsentiert das Architekturmuseum eine Auseinandersetzung mit der Architektur, die in Bayern zur Zeit der Universitätsgründung realisiert wurde, oder anders ausgedrückt, während der Herrschaft Ludwigs II. inklusive seines Märchenschlosses. Das ist aber nicht alles. Unter den anderen in der Zeit realisierten und in der Ausstellung gezeigten Werken befinden sich z.B. Richard Wagners Festspielhaus in Bayreuth, Münchens Rathaus in all seiner gotischen Verwirrung, die formal reduzierte und doch repräsentative Ohebrücke in der Nähe von Regen von Heinrich Gottfried Gerber, aber auch lange verschwundene Projekte wie die Architektur der Bayerischen Landes-Gewerbe-, Industrie- und Kunstausstellung in Nürnberg im Jahr 1882. Die Ausstellungsarchitektur war damals noch viel größer als heute und betraf die Gebäude ebenso wie das, was im Inneren präsentiert wurde.

Ein besonders interessanter Teil der Ausstellung „Königsschlösser und Fabriken“ ist der Zeitraum zwischen 1864 und 1886 und damit nicht nur eine Periode der ökonomischen und technischen Evolution und Revolution, sondern auch die Zeit der eklektischen Anarchie, bevor der Jugendstil einiges etwas verfeinerte, wobei „verfeinerte“ natürlich relativ ist. Es stellt sich die Frage: Was wäre, wenn die Herrschaft Ludwigs II. über seinen frühen Tod hinaus weitergeführt worden wäre? Hätte er die damals in München tätigen Richard Riemerschmids, Peter Behrens, Bruno Pauls, Hermann Obrists und alle anderen, die damals in München tätig waren, angenommen? Oder hätte er an seiner Disney-Ästhetik festgehalten mit dem Bewusstsein eines guten Monarchen, dass die Dollarscheine der Touristen weiter fließen sollten?

„Königsschlösser und Fabriken. Ludwig II. und die Architektur“ wird am Mittwoch, den 26. September im Architekturmuseum der TU München in der Pinakothek der Moderne, Barer Str. 40, 80333 München eröffnet und läuft bis Sonntag, den 13. Januar 2019.

King's House on Schachen by Georg Dollmann (Photo Myrzik und Jarisch © and courtesy Architekturmuseum der TU München)

Königshaus am Schachen von Georg Dollmann (Foto Myrzik und Jarisch © und mit freundlicher Genehmigung des Architekturmuseum der TU München)

„Renzo Piano. The Art of Making Buildings“ in der Royal Academy of Arts, London, England

Einer der ersten Aufträge des italienischen Architekten Renzo Piano war das Centre Georges Pompidou in Paris, was wohl eine der imposantesten Visitenkarten ist, die je vorgelegt wurden. Sicherlich eine der kontroverseren. Doch bei aller Dreistigkeit Pianos und Richard Rogers‘ Centre Pompidou repräsentiert das Gebäude Renzo Pianos Architektur-, Konstruktions- und Materialverständnis – ein Verständnis, das er etwas über vier Jahrzehnte lang entwickelte, verfeinerte, weiterentwickelte und wiederholte.

„The Art of Making Buildings“ konzentriert sich auf 16 Projekte von Renzo Piano und enthält Archivskizzen, Fotografien und Modelle, mithilfe derer die Kuratoren die Entwicklung der Projekte erklären möchten, wie das Jean-Marie Tjibaou Cultural Centre, Nouméa, Neukaledonien, The Shard in London, das Gebäude der New York Times und natürlich das Centre Pompidou. Zudem enthält die Ausstellung, wie sie das Royal College bezeichnet, eine „Skulpturale Installation“ mit 100 Projekten von Piano und einem speziell in Auftrag gegebenen Film des Münchner Regisseurs Thomas Riedelsheimer und bietet so hoffentlich einen bedeutungsvollen Einblick in das Leben eines Mannes, seine Arbeit und sein Architekturverständnis. Und damit auch in Projekte wie das Centre Pompidou in Paris.

„Renzo Piano. The Art of Making Buildings“ wird am Samstag, den 15. September in der Royal Academy of Arts, The Gabrielle Jungels-Winkler Galleries, 6 Burlington Gardens, London, W1S 3ET eröffnet und läuft bis Sonntag, den 20. Januar 2019.

Diogene by Renzo Piano Building Workshop and Vitra. Not his largest work, but arguably his most affordable...

Diogene von Renzo Piano Building Workshop und Vitra. Nicht das größte Objekt, aber wahrscheinlich das erschwinglichste…

„Kreaturen nach Maß. Tiere und Gegenwartsdesign“ im Marta Herford Museum für Kunst, Architektur, Design, Herford

Zugegebenermaßen dachten wir bei dem Ausstellungstitel zuerst an knallige Hundehalsbänder, opulente Katzenschuhe und all die anderen Accessoires, die die Reichsten der Reichen dieser Welt benötigen, um ihren Status mithilfe der Ausbeutung von Tieren darzustellen. Von Rollkragenpullovern für Schildkröten oder der BirdKite-Leine für Wellensittiche, die wir im Blogpost DMY Design Spots 2015: „Pet Market“ in der Galerie erstererster erwähnten, hätten wir nicht zu träumen gewagt. Beim weiteren Lesen fiel uns auf, dass die Kuratorin des „Pet Market“, Tanja Seiner, auch in die Ausstellung „Kreaturen nach Maß“ involviert ist. Letztere scheint etwas tiefer zu gehen und reflektierter zu sein als die pietätlose, provokative Ausstellung „Pet Market“. „Kreaturen nach Maß“ soll die Beziehung zwischen Mensch und Tier anhand verschiedener Aspekte beleuchten, sei es das Tier als Wegbegleiter, Nahrungsmittel, Forschungsobjekt, Therapeut, Beutetier, Rohmaterial, Egoerweiterung etc.. Die Ausstellung beinhaltet nicht nur Objekte, die für Tiere entworfen wurden, sondern auch für die Beziehung zwischen Mensch und Tier und um Tiere zu ersetzen und verfolgt so das Ziel, das gegenwärtige Verständnis unserer Beziehung zu Tieren in Frage zu stellen. Gezeigt werden Arbeiten von u. a. Christien Meindertsma, BLESS, Konstantin Grcic oder Silvia Knüppel, die BirdKite gestaltet hat. Das bedeutet nicht unbedingt, dass BirdKite ausgestellt wird, aber wir drücken die Daumen.

„Kreaturen nach Maß. Tiere und Gegenwartsdesign“ wird am Sonntag, den 16. September im Marta Herford Museum für Kunst, Architektur, Design, Goebenstraße 2–10, 32052 Herford eröffnet und läuft bis Sonntag, den 1. Januar 2019.

Golden boy by Thalia de Jong, part of Creatures Made to Measure. Animals and Contemporary Design at Marta Herford Museum (Video still courtesy Marta Herford Museum)

Golden Boy von Thalia de Jong, Teil der Ausstellung „Kreaturen nach Maß. Tiere und Gegenwartsdesign“ im Marta Herford Museum (Video mit freundlicher Genehmigung des Marta Herford Museum)

„Moving Away: The Internationalist Architect“ im Garage Museum of Contemporary Art, Moskau

Wir nähern uns dem 100. Jubiläum des Bauhaus Weimar im Jahr 2019 und die Anzahl der Bauhaus-Ausstellungen steigt exponentiell. Wir gehen davon aus, dass wir innerhalb der nächsten 8-9 Monate jeweils mindestens eine Bauhaus-Ausstellung in diese Liste aufnehmen werden. Wir wollen uns aber nicht beschweren. Im Rahmen des Projekts „Bauhaus Imaginista“, das von der Bauhaus Kooperation Berlin Dessau Weimar, dem Goethe Institut und dem Haus der Kulturen der Welt (HKW) gemeinsam organisiert wird und das Veranstaltungen in Rabat, New York und Lagos sowie zum Schluss eine Hauptausstellung in Berlin beinhaltet, fokussiert sich „Moving Away: The Internationalist Architect“ auf drei Bauhaus-Persönlichkeiten, die mit Hannes Meyer, dem zweiten Bauhaus-Direktor, 1930 nach Moskau reisten: Philipp Tolziner, Konrad Püschel und Lotte Stam-Beese.

Basierend auf Materialien aus den persönlichen Archiven der drei haben internationale Wissenschaftler versucht, ein zeitgemäßes Verständnis nicht nur für das Werk der drei zu entwickeln, sondern auch für die Wechselbeziehungen zwischen ihren sozialistischen Prinzipien, dem Bauhaus Dessau und der Sowjetunion. Ein besonderer Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf dem Werk und dem Erbe von Lotte Stam-Beese, einschließlich ihres Beitrags zum Wiederaufbau Rotterdams nach dem Krieg. Obwohl es sich sehr viel mehr nach einer akademischen Ausstellung als nach Schnickschnack anhört, verspricht sie dennoch, das Verständnis nicht nur für das Bauhaus als Institution, sondern auch für die Beziehungen des Bauhauses und der mit der Schule verbundenen Personen auf der ganzen Welt auszudehnen und so hoffentlich zu einem ehrlicheren, realistischeren Verständnis der Schule und ihres Erbes beizutragen. Das ist es, was wir in einem Jubiläumsjahr brauchen.

„Moving Away: The Internationalist Architect“ wird am Mittwoch, den 12. September im Garage Museum of Contemporary Art, 9/32 Krymsky Val, 119049, Moskau eröffnet und läuft bis Freitag, den 30. November.

Antonin Urban, Perspective and wall elevations of the bedroom of a living unit, (Photo: Modernist Archive, Bauhaus University, Weimar, courtesy Garage Moscow)

Antonin Urban, Perspektive und Wandansichten eines Schlafzimmers in einer Wohneinheit, (Foto: Archiv der Moderne, Bauhaus Universität, Weimar, mit freundlicher Genehmigung von Garage Moskau)

„Victor Papanek: The Politics of Design“ im Vitra Design Museum, Weil Am Rhein

Victor Papaneks 1971 erschienenes Buchs „Design for the Real World“ beginnt mit dem Satz „There are professions more harmful than industrial design, but only a very few of them“. Auf den nächsten mehr als 350 Seiten erklärt er, warum das so ist und dass es gar nicht so sein muss, dass Design auch sozial, ökologisch und human sein kann. Heute sind diese Gedanken verständlich, aber in den späten 1960er- bzw. frühen 1970er-Jahren waren sie es nicht so sehr und es brauchte einen Victor Papanek, um ihnen eine Stimme zu verleihen. Nicht nur, um sie auszusprechen, sondern auch, um sie zu zeigen. Im Laufe unzähliger Projekte, die entweder selbst initiiert oder mit Schülern an den zahlreichen Schulen, an denen er lehrte, oder mit lokalen Gruppen im Rahmen internationaler Projekte durchgeführt wurden, entwickelte Victor Papanek eine breite Palette von Objekten, die effektiv veranschaulichen, dass Design eine Denkweise ist. Und dieses Design muss nicht nur der Industrie und dem Handel dienen, sondern kann auch sozial, ökologisch und human sein. Die erste Victor Papanek Retrospektive „The Politics of Design“ im Vitra Design Museum verspricht nicht nur das Leben, Werk und Vermächtnis Papaneks zu beleuchten, sondern auch zeitgenössische Projekte zu präsentieren, die von den Kuratoren als sehr konform mit Papaneks Positionen und Prinzipien angesehen werden. Und das kann nur bedeuten, dass Industriedesigner (langsam) weniger schädlich werden.

„Victor Papanek: The Politics of Design“ wird am Samstag, den 29. September im Vitra Design Museum, Charles-Eames-Str. 2, 79576 Weil am Rhein eröffnet und läuft bis Sonntag, den 10. März 2019.

Samisen dining chairs by Victor J. Papanek (Photo © University of Applied Arts Vienna Victor J. Papanek Foundation, courtesy Vitra Design Museum)

Samisen Dining Chairs von Victor J. Papanek (Foto © Universität für angewandte Kunst Wien, Victor J. Papanek Foundation, mit freundlicher Genehmigung des Vitra Design Museum)

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