5 neue Architektur- und Designausstellungen im Oktober 2018

Sollte sich Jean-Claude Juncker durchsetzen, könnten die Uhren Europas im Oktober 2018 zum letzten Mal eine Stunde zurückgedreht werden. Damit würde auch eine lange Tradition der Lokalzeitungen enden. Die veröffentlichen nämlich halbjährlich Artikel, die die kuriosen Geschichten und Legenden der Uhren in ihrer Stadt dokumentieren. Geschichten aus dem Schwarzwald über die größten und kleinsten Kuckucksuhren und Fotos von Uhrmachern, die von den über 350 Uhren umgeben sind, die sie zurücksetzen müssen.

Wir werden sie vermissen.

Das ganze bedeutet auch, dass einem am letzten Sonntag im Oktober nicht mehr diese zusätzliche Stunde für einen besonders gemütlichen Besuch einer Architektur- und/oder Designausstellung gewährt wird. Nutzen Sie also die Gelegenheit, solange Sie noch können … Unsere fünf Empfehlungen für eine optimale Verwendung dieser Überstunde im Oktober 2018 finden Sie in Hamburg, Weil am Rhein, Zürich, Paris und Helsinki.

5 New Architecture & Design Exhibitions for October 2018

„68. Pop und Protest“ im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg

Es gibt Leute da draußen die gern behaupten Hamburg befinde sich noch im Jahr 1968, und die meinen das nicht unbedingt positiv. Andere Hamburger wiederum haben wahrscheinlich nicht bemerkt, dass wir nicht mehr im Jahr 1968 leben. Und so passt es in vielerlei Hinsicht, dass  eine der letzten Museumsausstellungen 2018 den 50. Jahrestag dieses Jahres der Revolte und Revolution zum Anlass für eine Ausstellung in Hamburg nimmt.

Die Präsentation von rund 200 Objekten aus den Bereichen Musik, Kunst, Literatur, Film und Design verspricht im wahrsten Sinne des Wortes zu Verner Pantons Kantine und Snackbar für das ehemalige Spiegel-Magazingebäude in Hamburg zu werden: Eine faszinierend grelle Komposition, die die kompromisslose Intensität der Dekoration mit der ebenso kompromisslosen Reduktion der Stühle von Harry Bertoia verbindet. Bei der Spiegel-Kantine handelt es sich um eines von Pantons prägendsten Werken der späten 60er/frühen 70er Jahre und um ein Werk, das seit dem Umzug des Spiegels in ein neues Gebäude im zweiten Stock des Hamburger Museums für Kunst und Gewerbe installiert wurde. Die Spiegel-Kantine wurde 1968 in Auftrag gegeben und 1969 realisiert, und das um ganz bewusst einen Gegenpol zu den dominierenden, deutschen Ideen der guten Form zu etablieren. Wenn Sie so wollen, als eigener Beitrag des Spiegels zu Pop und Protest der 68er, und damit eine sehr passende Kulisse für die Ausstellung.

„68. Pop und Protest“ wird am Donnerstag, den 18. Oktober im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, Steintorplatz, 20099 Hamburg eröffnet und läuft bis Sonntag, den 17. März 2019.

Spiegel Canteen, Snackbar by Verner Panton, part of 68. Pop und Protest Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (Photo: Michael Bernhardi/Spiegel Verlag, with courtesy Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg)

Spiegel-Kantine, Snackbar von Verner Panton, Teil von „68. Pop und Protest“, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (Foto: Michael Bernhardi/Spiegel Verlag, mit freundlicher Genehmigung des Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg)

„Seats of Power“ im Vitra Design Museum Schaudepot, Weil am Rhein, Deutschland

Wie wir in einem früheren Post bereits festgehalten haben, wird ein Vorsitzender so genannt, weil er ursprünglich – und es war immer ein er – die einzige Person mit einem Stuhl war. Alle anderen, je nach Ort und Epoche, saßen auf Hockern, Bänken oder hockten sich einfach in den Schlamm. Der Sitz bleibt das sichtbarste Symbol der Macht, sei es ganz direkt – der Thron ist wohl das beste Beispiel – oder durch Assoziation, wie zum Beispiel beim Barcelona Chair …

Das Vitra Design Museum Schaudepot verspricht mit seiner Ausstellung „Seats of Power“ eine Präsentation von rund 20 Stühlen, die direkt oder repräsentativ für Macht stehen, darunter so unterschiedliche Arbeiten wie Mies van der Rohes Barcelona Chair, der zur Eröffnung der Barcelona-Weltausstellung 1929 für das spanische Königspaar entworfen wurde und heute regelmäßig in repräsentativen Wartebereichen zu sehen ist; Joe Colombos Elda-Stuhl, der vom Bond-Bösewicht Karl Stromberg in The Spy Who Loved Me verwendet wurde, der aber auch oder gerade deshalb unmissverständlich auf etruskische Throne verweist; oder Enzo Maris Autoprogettazione-Stuhl, selbst ein Symbol für die Macht des Einzelnen gegen die kapitalistische Industrieproduktion, in „Seats of Power“ abgebildet durch eine Version des Stuhls vom Berliner Flüchtlingsprojekt CUCULA und damit ein Objekt mit eigenem Verhältnis zu Macht und Ermächtigung.

„Seats of Power“ wird am Freitag, den 19. Oktober im Vitra Design Museum Schaudepot, Charles-Eames-Straße 2, 79576 Weil am Rhein eröffnet und läuft bis Sonntag, den 17. Februar 2019.

 John F. Kennedy in the JH501 Hans J Wegner, one of the scenes of power featured in Seats of Power at Vitra Design Museum Schaudepot, Weil Am Rhein (Photo courtesy Hans J Wegners Tegnestue & Vitra Design Museum)

John F. Kennedy im JH501 von Hans J Wegner, einer dieser Sessel der Macht in „Seats of Power“ im Vitra Design Museum Schaudepot, Weil Am Rhein (Foto mit freundlicher Genehmigung von Hans J Wegners Tegnestue & Vitra Design Museum)

„Social Design“ im Museum für Gestaltung, Zürich, Schweiz

Das sonst so angenehm vage Phänomen Social Design wird in der Ausstellung „Social Design“ des Museums für Gestaltung Zürich konkreter reflektiert. Mit einer Präsentation von rund 55 internationalen Projekten in sechs Themenbereichen, darunter die relativ einfache Lampe Little Sun von Olafur Eliasson & Frederik Ottesen, Projekte wie FairPhone oder Solar Kiosk, aber auch integrierte Community-Lösungen wie beispielsweise das „Meat Market District“ genannte Stadtplanungskonzept in Brüssel, klingt Social Design wie ein informativer Überblick über aktuelle Social Design-Initiativen. Während das integrierte Forum dazu beitragen soll, deutlich zu machen, dass Social Design wie bei allen Genres des Designs eine Denkweise ist, zu der wir alle fähig sind, mit der wir alle zur Gestaltung unserer Gesellschaft beitragen können.

„Social Design“ wird am Freitag, den 5. Oktober im Museum für Gestaltung, Toni-Areal, Pfingstweidstrasse 96, 8031 Zürich eröffnet und läuft bis Sonntag, den 3. Februar 2019.

Coop Campus - Die Gärtnerei by Schlesischen 27 and raumlaborberlin, part of Social Design at the Museum für Gestaltung Zürich (Photo © raumlaborberlin, with courtesy Museum für Gestaltung Zürich)

Coop Campus – Die Gärtnerei vom Schlesischen 27 und raumlaborberlin, ein Teil von „Social Design“ im Museum für Gestaltung Zürich (Foto © raumlaborberlin, mit freundlicher Genehmigung des Museum für Gestaltung Zürich)

„Tutto Ponti, Gio Ponti archi-designer“ im Musée des Arts Décoratifs, Paris, Frankreich

In seinem Porträt von Gio Ponti von 1935 schreibt George Nelson, dass Ponti „schon früh im Leben festgestellt hat, dass kein Beruf ausreicht, um seine Energie zu verbrauchen oder seine Interessen zu erschöpfen…“Die Ausstellung „Tutto Ponti, Gio Ponti archi-designer“ verspricht rund 400 Objekte, und somit eine umfassende Erkundung dieses einflussreichen Architekten, Designers, Keramikers, Malers, Schriftstellers, Pädagogen, Theoretikers und Marmorsammlers des 20. Jahrhunderts. Der Absolvent des Mailänder Polytechnikums Gio Ponti machte sich zunächst einen Namen als Designer von Keramiken für die florentinische Porzellanmanufaktur Richard-Ginori der Familie seiner Frau sowie als Gewinner des begehrten Grand Prix bei der „L’Exposition internationale des arts décoratifs et industriels modernes“ in Paris; wechselte aber schnell zu Architektur-, Glas- und Möbelprojekten sowie zur Organisation von Ausstellungen und gründete die Zeitschrift Domus, schrieb, entwickelte Lichtdesigns, Kunstwerke, Filme und lehrte an seiner Alma Mater.

Man kann bei „Tutto Ponti, Gio Ponti archi-designer“ mit einer umfangreichen Ausstellungsgestaltung rechnen. Alles in allem hört sich das nach einer unterhaltsamen und facettenreichen Erkundung eines unterhaltsamsten und facettenreichsten Kreativen Frankreichs an.

„Tutto Ponti, Gio Ponti archi-designer“ wird am Freitag, den 19. Oktober im Musée des Arts Décoratifs, 107, Rue de Rivoli 75001 Paris eröffnet und läuft bis Sonntag, den 10. Februar 2019.

 

1. George Nelson, The architects of Europe today: Gio Ponti, Italy, Pencil Points, February 1935, reproduced in Building a New Europe. Portraits of Modern Architects. Essays by George Nelson 1935 – 1936, Yale University Press, 2007

Théière Aero by Gio Ponti, part of Tutto Ponti Gio Ponti archi-designer Musée des Arts Décoratifs Paris (Photo courtesy Musée des Arts Décoratifs Paris)

Théière Aero von Gio Ponti, Teil von Tutto Ponti, Gio Ponti archi-designer Musée des Arts Décoratifs Paris (Foto mit freundlicher Genehmigung des Musée des Arts Décoratifs Paris)

„10000 Years of Design – Man, Matter, Metamorphosis“ im National Museum of Finland, Helsinki, Finnland

Manchmal muss man seinem Bauchgefühl vertrauen, die Augen schließen, tief einatmen und sich trauen … So oder so ähnlich haben wir uns der Ausstellung „10000 Years of Design – Man, Matter, Metamorphosis“ des Nationalmuseums Finnland genähert: Denn abgesehen vom Titel, ein paar Fotos, die offenbar zeitgenössisches finnisches Design zeigen, und einem sehr kurzen Text, der die Passage beinhaltet, „…, die das Ende der Eiszeit als radikalen Ausgangspunkt nimmt, präsentiert die Ausstellung eine Reihe kritischer Themen, in denen archäologisches und ethnologisches Material mit zeitgenössischen Inhalten verwoben ist“ haben wir keine Anhaltspunkte.

Aber unser Bauchgefühl sagt uns, dass wir gar nicht mehr brauchen. Was uns vorliegt ist  prägnant und verführerisch genug, und impliziert eine Ausstellung, die darauf abzielt, sowohl die Rolle der Kultur bei der Entwicklung des finnischen Designs, als auch die Rolle des Designs bei der Entwicklung der finnischen Kultur zu erklären und zu erforschen. Dadurch wird hoffentlich eine ehrlichere Einschätzung und ein besseres Verständnis des zeitgenössischen finnischen Designs möglich, was sonst meist nicht der Fall ist.

„10000 Years of Design – Man, Matter, Metamorphosis“ wird am Freitag, den 12. Oktober im Finnischen Nationalmuseum, Mannerheimintie 34, Helsinki, Finnland eröffnet und läuft bis Sonntag, den 24. Februar 2019.

10 000 years of design – Man, Matter, Metamorphosis at National Museum of Finland Helsinki

„10000 Years of Design – Man, Matter, Metamorphosis“ im National Museum of Finland, Helsinki

 

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