5 neue Architektur- & Designausstellungen im März 2019

„Hüte dich vor den Iden des März“ soll der Wahrsager Spurinna Julius Caesar angeblich gewarnt haben und wahrscheinlich bedauert dieser es, dem nicht Folge geleistet zu haben. Julius Caesar wurde am 15. März durch etwa 60 Senatsmitglieder ermordet, woraufhin ein Bürgerkrieg ausbrach, da die gegnerischen Kräfte versuchten, das Schicksal Roms zu kontrollieren. Mit dem Satz „Hüte dich vor dem 5. April“ würde Spurinna heutzutage die Bevölkerung des Vereinigten Königreichs warnen. Der 29. März könnte ein ebenso schicksalhafter Tag werden. Während Caesar allerdings etwas gegen sein Unglück hätte unternehmen können, liegt das Schicksal der Bewohner des Vereinigten Königreichs nicht in ihren Händen. Sie müssen abwarten, was eine ideologisch motivierte Gruppe von etwa 60 Konservativen anbieten kann …

Die Wartezeit überbrücken wir mit kraftvollen sozialen und kulturellen Themen, die sich in der Architektur und im Design widerspiegeln. Unsere fünf Ausstellungstipps im März 2019 befinden sich in Frankfurt, Brüssel, Chemnitz, London und Magdeburg.

5 New Architecture & Design Exhibitions for March 2019

„Neuer Mensch, Neue Wohnung – Die Architektur des Neuen Frankfurt 1925 – 1933“ im Deutschen Architekturmuseum, Frankfurt

Im Rahmen der drei Ausstellungen in Frankfurt im Jahr 2019, die den Beitrag der Stadt zur Entwicklung der Architektur und des Designs in der Zwischenkriegszeit verdeutlichen, präsentiert das Deutsche Architekturmuseum mit „Neuer Mensch, Neue Wohnung“ einen Einblick in das Programm des Neuen Frankfurt, eines der sehr wenigen großangelegten modernistischen, funktionalistischen Wohnungs- und Stadtplanungsprojekte.

Das Projekt Neues Frankfurt wurde 1925 vom damaligen Frankfurter Bürgermeister Ludwig Landmann initiiert und war Teil eines umfangreichen Programms, das die Stadt Frankfurt zum Zentrum für Innovationen in den Bereichen Kunst und Wissenschaft machen sollte. Das Neue Frankfurt beinhaltete Beiträge von Architekten wie u. a. Mart Stam, Ferdinand Kramer und Margarete Schütte-Lihotzky, die gemeinsam unter der Leitung von Ernst May arbeiteten. Zwischen 1925 und 1930 wurden etwa 12000 neue Wohneinheiten realisiert, die meisten davon in zehn neuen Bereichen der Stadt.

Wir vermuten, dass sich „Neuer Mensch, Neue Wohnung“ hauptsächlich mit diesen zehn Bereichen beschäftigt. Die Vorabinformationen zur Ausstellung sind leider nicht so umfangreich wie wir es vom Deutschen Architekturmuseum gewohnt sind. In Anbetracht der vorliegenden Informationen sind wir jedoch zuversichtlich, dass die Ausstellung die Architektur und Stadtplanung des Neuen Frankfurts in Kontext zu den politischen Entwicklungen in Europa in der Zeit zwischen den Weltkriegen und den sozialen und kulturellen Entwicklungen zu jener Zeit setzt. Wir hoffen, dass die Ausstellung eine schöne Begleitung zu „Moderne am Main 1919 – 1933“ im Museum Angewandte Kunst Frankfurt sein wird.

„Neuer Mensch, Neue Wohnung – Die Architektur des Neuen Frankfurt 1925 – 1933“ wird am Samstag, den 23. März im Deutschen Architekturmuseum, Schaumainkai 43, 60596 Frankfurt am Main eröffnet und läuft bis Sonntag, den 18. August.

Heimatsiedlung Frankfurt by Franz Roeckle, part of the Neues Frankfurt project.

Heimatsiedlung Frankfurt von Franz Roeckle, Teil des Projekts Neues Frankfurt

„Collection de collectionneurs“ im Musée Horta, Brüssel, Belgien

Als künstlerische Bewegung verließ sich der Jugendstil in vielerlei Hinsicht auf verschiedene gesammelte Einflüsse. Die Vielfalt jener Zeit ergab sich daraus, wie diese Einflüsse geordnet und interpretiert wurden. Zu den wichtigsten Protagonisten des Jugendstils gehörte zweifellos der belgische Architekt Victor Horta, und anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Eröffnung des Horta-Museums zeigt die Institution eine Sonderausstellung zum Thema Sammeln. Oder besser gesagt, drei parallele Ausstellungen, die dem Sammeln gewidmet sind; ein mutiges Unterfangen angesichts des relativ begrenzten Raumes in Hortas ehemaligem Haus und Atelier.

Zumindest die Veranda des ehemaligen Zuhauses wird mit einer repräsentativen Präsentation von Victor Hortas Sammlung fernöstlicher Kunst, Kunsthandwerk und angewandter Kunst in das Jahr 1905 zurückversetzt. So bietet sich die Möglichkeit, nicht nur etwas von der Atmosphäre zu erleben, in der Horta lebte, sondern durch Vergleiche mit den Einrichtungsgegenständen im Rest des Hauses zu verstehen, wie Horta die Impulse und Inspirationen aus seiner Sammlung in sein Verständnis von Kunst, Architektur und Design einfließen ließ. Die restlichen zwei Drittel der Ausstellung bilden andere Sammlungen: In der Erweiterung des Museums präsentiert die Designerin Elisabeth Horth eine Stickerei, die nicht nur 12 Sammler, sondern auch physische Beispiele der von ihnen gesammelten Werke verbindet, während in Hortas Atelier Beispiele des belgischen Jugendstils von Paul Hankar, Henry van de Velde oder Gustave Serrurier-Bovy ausgestellt sind, die von Jonathan Mangelinckx gesammelt wurden. Durch die Vielfalt der Perspektiven entsteht eine Präsentation, die nicht nur einige interessante Überlegungen zum Sammeln, sondern vor allem zum belgischen Beitrag zum Jugendstil und zum Verständnis von Ordnung und Interpretation der Sammlung von Jugendstileinflüssen verspricht.

„Collection de collectionneurs“ wird am Freitag, den 15. März im Horta-Museum, 25 rue Américaine,
 1060 Brüssel eröffnet und läuft bis Sonntag, den 30. Juni.

Musée Horta, Interior (Photo © Musée Horta & Paul Louis, courtesy Musée Horta)

Horta-Museum, Interieur (Foto © Horta-Museum & Paul Louis, mit freundlicher Genehmigung des Horta-Museums)

„Neue textile Welten im gestalterischen Kontext – Potenziale technischer, intelligenter Textilien + smart materials“ im Wasserschloss Klaffenbach, Chemnitz

Einer der wichtigsten Impulse, nicht nur für Architektur und Design, sondern auch für die Gesellschaft, sind neue Materialien. Man könnte sogar argumentieren, dass die sinnvolle Nutzung neuer Materialien für die Gesellschaft eine der Hauptaufgaben von Architekten und Designern ist. Mit der Ausstellung „Neue textile Welten im gestalterischen Kontext“ verspricht das Wasserschloss Klaffenbach nicht nur eine Präsentation einiger der neuesten Entwicklungen in der Textiltechnik, sondern auch eine Auswahl von Produkten, Prototypen und Forschungsobjekten, die diese einsetzen oder zumindest anstreben und damit eine Präsentation, die nicht nur zeigen soll, was mit den neuen Materialien möglich ist, sondern was möglich sein könnte und wohin uns die neuen Materialien führen könnten. So entsteht eine Präsentation, die hoffentlich nicht nur erklären soll, warum die kontinuierliche Entwicklung neuer Materialien für die Gesellschaft wichtig ist, sondern auch, wie die Organisatoren feststellen, warum diese Entwicklung multidisziplinär sein muss, um sinnvoll zu sein.

„Neue textile Welten im gestalterischen Kontext – Potenziale technischer, intelligenter Textilien + smart materials“ wird am Sonntag, den 17. März im Wasserschloss Klaffenbach, Wasserschlossweg 6, 09123 Chemnitz eröffnet und läuft bis Sonntag, den 30. Juni.

Textile bicycle spokes from Chemnitz based PI ROPE, part of New textile worlds in a creative context - Potential technical, intelligent textiles + smart materials, Wasserschloß Klaffenbach, Chemnitz

Fahrradspeichen aus Textil von der Chemnitzer Firma PI ROPE, Teil der Ausstellung „Neue textile Welten im gestalterischen Kontext – Potenziale technischer, intelligenter Textilien + smart materials“, Wasserschloss Klaffenbach, Chemnitz

„Isokon and the Bauhaus in Britain“ in der Aram Gallery, London, England

Eigentlich ist es eine Buchpräsentation, aber …

Isokon, einer der wichtigsten Akteure bei der Einführung und Verbreitung der internationalen Moderne in der Zwischenkriegszeit in Großbritannien, baute mit den Lawn Road Flats in Hampstead einige der wichtigsten Gebäude der Zwischenkriegszeit in London und trug auch mit seinen Sperrholzmöbeln dazu bei, eine weicheres, menschlicheres Verständnis von Funktionalismus zu schaffen (wenngleich ein Verständnis, das auch ihren Partnern beim estnischen Sperrholzhersteller Luterma half). Isokon bot auch einen Zufluchtsort für Walter Gropius, Marcel Breuer und László Moholy-Nagy nach ihrer erzwungenen Flucht aus Deutschland. Und wie der Titel so treffend andeutet, wurde Isokon, wenn auch nur kurz und indirekt, zu einer Außenstelle des Bauhauses in Großbritannien.

So wie das Bauhaus in Deutschland oft mit einer gewissen Zweideutigkeit verbunden ist, einerseits utilitaristisch, andererseits exklusiv, so ist es auch bei den Lawn Road Flats von dem kanadischen Architekten Wells Coates: Einerseits sollen sie für junge Berufstätige konzipiert worden sein und damit neben größeren Wohneinheiten Wohnungen für Einzelpersonen bieten, andererseits gibt es einen Concierge-Service und einem Aufzug für Speisen aus der Restaurantküche im Erdgeschoss, was darauf hindeutet, dass es sich nicht unbedingt um junge Berufstätige mit geringem Einkommen oder solche ohne eine reiche Familie handelt, die sie unterstützen könnte.

Viel universeller und demokratischer, zumindest formal und ästhetisch, sind die Sperrholzmöbel von Marcel Breuer, eine Sammlung von Objekten, die einerseits zeigt, dass Breuer genauso ein Bewunderer von Alvar Aalto war wie Aalto von Breuer, und andererseits, dass Breuer im Bereich Sperrholz eine ebenso große Kompetenz besaß wie im Bereich Stahlrohr. An dieser Stelle möchten wir auf den Buchvergleich zurückkommen. „Isokon and the Bauhaus in Britain“ beleuchtet nicht nur die Geschichte von Isokon, sondern auch die Beziehung des Unternehmens zum deutschen Bauhaus. Die Ausstellung ist ein Begleiter, aber sie wird, wie wir denken, auch dazu beitragen, das Unternehmen, seine Beziehungen und all seine Beiträge zu Diskussionen über Architektur und Design der 1930er Jahre vorzustellen und zu erklären. Und passend dazu endet die Ausstellung am 30. März und schließt sozusagen das Kapitel, ein modernes Großbritannien in enger Verbindung mit Kontinentaleuropa zu schaffen.

„Isokon and the Bauhaus in Britain“ wird am Donnerstag, den 7. März in der Aram Gallery, 110 Drury Lane, London, WC2B 5SG eröffnet und läuft bis Samstag, den 30. März.

Isokon and the Bauhaus in Britain at the Aram Gallery, London

„Isokon and the Bauhaus in Britain“ in der Aram Gallery, London

„Stefan Wewerka. Dekonstruktion der Moderne“ im Forum Gestaltung, Magdeburg

Der 1928 geborene deutsche Architekt Stefan Wewerka wurde nach dem Krieg von Architekten und Designern ausgebildet, die sich im Kontext der internationalen Moderne einen Namen gemacht hatten. Doch im Laufe der 1950er Jahre wurde er zunehmend desillusioniert von den Zielen und Idealen der Zwischenkriegsmoderne, vor allem von den Zielen und Idealen, die der Congrès Internationaux d’Architecture Moderne, CIAM, verkörperte, und nahm 1960 am ersten Team X-Treffen teil, einer abtrünnigen Gruppe von (radikalen) jungen Architekten, die versuchten, die Moderne für die zukünftige Gesellschaft neu zu definieren.

Wewerka bewegte sich immer mehr von der Architektur zur Kunst und begann, neben anderen Projekten, den Funktionalismus durch eine Reihe von Stühlen, die ihre Funktion leugneten, infrage zu stellen. Zuvor hatte ihn der deutsche Hersteller TECTA in den späten 1970er Jahren gebeten, einen funktionalen Stuhl zu entwickeln. Damit begann eine ganz neue Karriere als Möbeldesigner, und das gerade in einer Zeit, in der die ersten Samen der Postmoderne aufkeimten; eine Bewegung, zu der Wewerka nicht von Natur aus gehörte, die er aber informierte und in deren Kontext er sicherlich verstanden werden kann. Oder in deren Kontext man sich ihm zumindest annähern kann. Die Zeit der Zusammenarbeit mit TECTA steht im Mittelpunkt der Ausstellung „Dekonstruktion der Moderne“. Im Laufe der etwas länger als ein Jahrzehnt andauernden Kooperation realisierte Wewerka neben Möbeln auch Architektur- und Interior-Design-Projekte. Jenes Jahrzehnt lässt auch eine stärkere Fokussierung auf Stefan Wewerkas Verständnis von und Herangehensweise an Kunst, Architektur und Design zu als die meisten anderen und bietet eine sinnvolle Einführung in Stefan Wewerkas Wirken als Künstler, Architekt und Designer.

„Stefan Wewerka. Dekonstruktion der Moderne“ wird am Freitag, den 29. März im Forum Gestaltung, Brandenburger Straße 10, 39104 Magdeburg eröffnet und läuft bis Sonntag, den 14. Juli.

B5 Cantilever chair by Stefan Wewerka, for and with Tecta

B5 Freischwinger von Stefan Wewerka, für und mit TECTA

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