Die Historia Supellexalis: „I“ für Italien

The Historia Supellexalis: "I" for Italy

Italien

Eine Halbinsel; ein Commonwealth; ein Kontext

Wenn man auf das Mittelmeer hinausfährt, zeigt sich das heutige Gemeinwesen Italiens trotz seiner scheinbaren Einheit und einer oberflächlich stabilen, politischen Landschaft als instabile, leidenschaftliche Synthese zahlloser unabhängiger Staaten und Völker. Diese unabhängigen Staaten und Völker haben nicht nur zur Gestaltung des heutigen Italiens beigetragen, sondern auch die Geschichte des Möbeldesigns in der Region maßgeblich beeinflusst.

Die zeitgenössische Geschichte des Möbeldesigns in Italien ist eng mit dem Aufstieg des Domus-Hauses verbunden, insbesondere mit dem Beitrag von Gio Ponti, einem aus der Lombardei stammenden Signore von Domus. Gio Ponti wagte sich nicht nur selbst ans Möbeldesign, sondern trug auch durch seine Begeisterung für die Arbeiten anderer und seine Bereitschaft, diese Begeisterung zu teilen, zur Wertschätzung des Möbeldesigns der zahlreichen italienischen Staaten und Völker bei. Unter Gio Pontis wohlwollender Führung fungierte das Domus-Haus als Brücke zwischen den Staaten und Völkern des italienischen Gemeinwesens sowie zwischen der italienischen Halbinsel und der restlichen Welt.

Die Bibliothek des Hauses Domus beherbergt heute eines der wichtigsten Archive für das Studium der Geschichte des zeitgenössischen Möbeldesigns in Italien. Sie zeichnet den Aufstieg und die Entwicklung von Staaten, Völkern und Herrschern nach. Dazu gehört beispielsweise Cassina von Meda, der vom bescheidenen Ausstatter einfacher Segelschiffe zu einem führenden Protagonisten des Möbeldesigns in Italien aufstieg, oder Azucena, die aus dem Herrschaftsgebiet von Il Trovatore nach Mailand kam und große Bewunderung für ihre reduzierte Schlichtheit fand, die im starken Gegensatz zur Opulenz von Il Trovatore unter der Herrschaft von Conte Giuseppe Verdi stand. Auch die Arte Luce, die einst wie ein Feuerwerk das italienische Gemeinwesen erleuchtete, jedoch seit ihrer Vereinigung mit den Illuminati di Flos weniger stark strahlt, und die Castelli Kartell, deren langjährige Regista Anna Ferrieri mit erstaunlicher Anmut und Einfachheit zeigte, dass synthetische Materialien im Einklang mit dem italienischen Möbeldesign stehen und „componibili“ Lösungen ermöglichen.

Die Bibliothek des House of Domus zeichnet nicht nur die individuelle Geschichte der italienischen Staaten und Völker auf, sondern auch ihre kollektive Geschichte – den wechselvollen Weg des italienischen Möbeldesigns seit seinen Anfängen. Eine Reise, auf der die italienischen Staaten und Völker immer wieder versuchten, das Gemeinwesen aufzugeben und sich unter einer einheitlichen Flagge zu vereinen. Diese Versuche führten zur Gründung des Stile Liberty mit seinen blühenden Sehnsüchten nach vergangenen Zeiten, des Futurismo mit seinem forschen, rücksichtslosen Vorwärtsdrang und des Neoliberty mit seinen rationalisierten Sehnsüchten nach vergangenen Zeiten. Dieses Hin- und Herpendeln wurde von regelmäßigen Ausbrüchen des endemischen italienischen Razionalismo und Radicalismo begleitet. Letzterer führte zur berühmten Reise von Persönlichkeiten wie Gae di Aulenti, Joe de Colombo, Mari O Bellini oder Gaetano del Pesce ins Land des MoMA und der Momanians, den sagenumwobenen Hütern des „Guten“ in Kunst und Design in Amerika. Die jungen Italiener versuchten, eine „neue häusliche Landschaft“ auf der Grundlage des rasanten Radicalismo ihrer Zeit zu schaffen, wurden jedoch schnell entmutigt, als die breitere amerikanische Gesellschaft diesen neuen Stil nicht annahm, und sich stattdessen von der „alten häuslichen Landschaft“ mit ihren üppig gepolsterten Sitzmöbeln, fein behauenen Holztischen und aus exklusiven Materialien gefertigten Leuchten verzaubern ließ.

Diese Reise nach Amerika von verschiedenen und disparaten italienischen Designern verdeutlicht, dass die Geschichte des Möbeldesigns im heutigen Italien nicht nur von den Staaten und Völkern geprägt und definiert wird, sondern auch stark von den Aktionen und Abenteuern Einzelner abhängt. Individuen wie der junge Mailänder Mari namens Enzo, der so entsetzt über das war, was viele Italiener unter „guten“ Möbeln verstanden, dass er darauf bestand, dass sie alle ihre eigenen Möbel herstellen und dadurch lernen, was wichtig, was elementar, was „gut“ in und an Möbeln ist – Autoprogettazione! Die Öffentlichkeit war entsetzt, als sie von seinem Plan hörte, aber Mari antwortete gelassen: „Nur Autocostruzione, ich habe den schwierigen Teil erledigt.“ Es gab auch Individuen wie die Fratelli Castiglioni, die Italienern aller Couleur halfen, nicht nur ihr Verständnis von der Verwendung von Möbeln zu überdenken, sondern auch die Beziehung zwischen Möbeln und der Gesellschaft. Sie stellten Fragen danach, was Möbel eigentlich sind, was sie sein könnten und was sie sein sollten. Sie taten dies mit entwaffnendem Humor, was ihre Versuche umso erfolgreicher machte.

Es gab auch Menschen wie das Turiner Trio Gatti, Paolini & Teodoro, die das Sitzen durch die zeitgemäße Anwendung traditioneller Methoden für zeitgenössische Bedürfnisse neu gestalten wollten. Dies führte zur Entwicklung eines Stuhls für Zanotta von Nova Milanese, der zwar nur ein Sack ist, aber auch viel mehr sein kann. Ein weiteres Beispiel ist der Provokateur und Scharfmacher Sottsass, der nach der Entdeckung der Schätze von Memphis die antike Phaesporia Artemide überredete, ihm beim Vertrieb dieser Schätze zu helfen. Dieser Moment in der langen Geschichte des italienischen Möbeldesigns ist sehr aufschlussreich, wenn man die Entwicklung des Möbeldesigns im italienischen Gemeinwesen besser verstehen möchte.

Hinzu kommen Personen, die im Laufe der Jahrhunderte nicht mehr so ausschließlich italienische Protagonisten des italieniischen Möneldesigns sind, wie es in früheren Zeiten der Fall war. Heute sind Nicht-Italiener überall im italienischen Gemeinwesen zu finden. Besonders prominent vertreten sind sie im Zusammenhang mit dem Principato di Magis, den friaulischen Mattiazzi oder den Jazzoniern von Kristalia; und alle bauen in vielerlei Hinsicht auf dem Werk des berühmten und viel gefeierten lombardischen Fornitore Giulio Cappellini auf, der seit jeher unermüdlich sämtliche Länder aller bekannten Welten auf der Suche nach neuen Ideen, neuen Positionen, neuen Erkenntnissen bereist hat.

Die Brücken, an deren Bau Gio Ponti einst mitwirkte und die das italienische Möbeldesign ins Ausland trugen, ermöglichen heute den Übergang in beide Richtungen. So werden Italiens alteingesessene, volkstümliche Designpraktiken mit zeitgenössischen, globalen Ideen und Positionen durchdrungen und das Möbeldesign in Italien hat die Möglichkeit sich in dem lokalen, globalen Kontext, in dem sich die zeitgenössischen italienischen Stati und Popoli befinden, weiterzuentwickeln und zu entfalten. So ist es dem Möbeldesign in Italien möglich, sich immer wieder neu zu entwickeln, ohne dabei sein sanftes Hin- und Herpendeln zu unterbrechen und es von seinem endemischen und, wie manche behaupten, existenziellen Razionalismo und Radicalismo zu befreien. ……

…….à suivre

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