Design-Europameisterschaft 2016: Rückblick und Vorschau aufs Finale

Nach vier Wochen Wettbewerb an verschiedenen Orten in ganz Frankreich bereitet sich die Design-EM 2016 darauf vor adieu, au revoir und ein herzliches merci zu sagen. Der ideale Zeitpunkt also das Geschehene Revue passieren zu lassen.

Während die ersten paar Tage mehr durch ihre Geschehnisse abseits des Spielfeldes für Aufmerksamkeit sorgten – insbesondere durch die Aktivitäten von Design-Fans aus Russland und England, entwickelte sich die Design 2016 langsam in ein, wenn auch nicht klassisches, sicher aber ehrliches Turnier, das das zeitgenössische europäische Design realistisch wiedergibt.

Und es wurden dabei einige Wahrheiten bestätigt: Spaniens frühes Ausscheiden unterstreicht die Notwendigkeit eines Generationenwechsels und der Entwicklung neuer Ideen im iberischen Design. Die Dominanz von Teams aus „West“-Europa hebt das hervor – trotz der deutlichen und sehr willkommenen Verbesserung bei Ländern wie Kroatien, Ungarn oder der Slowakei. Es muss noch mehr gemacht werden, um ihr Design international wettbewerbsfähig zu machen. Während Englands mittelmäßige Leistung einmal mehr gezeigt hat, dass es nicht genug ist, ein paar Spitzenverdiener und Vollprofis zu haben, um zu den international führenden Designnationen zu gehören. Individuelles Talent ist nicht genug; man braucht auch ein System, welches die Designkultur genauso wie den Kommerz fördert. Außerdem zeigt sich hieran, dass es nicht unbedingt hilfreich ist, die Spielerlisten mit ausländischen Designern zu füllen, wenn man eigentlich die heimischen Talente fördern sollte.

Aber nun zu unserer Prognose für Sonntag, wenn Portugal auf Frankreich trifft.

Portugal:

Obwohl sie nie selbst als Produktdesignerin gearbeitet hat, mit ihrer Wiederentdeckung und vor allem ihrer Modernisierung des Azulejo hat Portugals Trainerin Maria Keil zweifelsfrei dazu beigetragen, einen neuen Sinn in die nationale Identität und das Selbstwertgefühl des portugiesischen Designs zu bringen. Mit einem der jüngsten Teams bei der Design 2016 haben die Portugiesen ein sehr erwachsenes und feines Gespür für Farbe, leichte Formen und Materialkombinationen gezeigt.

Torwart: Antonio Garcia
Der alte Meister des portugiesischen Designs Antonio Garcia ist nicht nur ein Maßstab für jüngere Spieler, sondern das sicherste paar Hände im Spiel.

Verteidigung: Bruno Carvalho, Paulo Sellmayer, Tiago Sá da Costa, Rita Botelho
Alle vier spielten zusammen im legendären Made out Portugal Team, das vor ein paar Jahren das europäische Spiel dominiert hat. Das Projekt kam traurigerweise zu einem schnellen Ende, aber die einzelnen Talente und der Gruppenzusammenhalt jener Tage ist geblieben.

Mittelfeld: Rita João, Pedro Ferreira, Gonçalo Campos, Maria Bruno Néo
Allesamt Absolventen des Fabrica Design and Communication Research Center in Treviso, Italien präsentiert dieses sehr junge portugiesische Mittelfeld nicht nur eine neue Generation portugiesischer Designer, sondern auch eine neue Selbstsicherheit.

Sturm: Rui Alves, Carmo Valente
Rui Alves, einer von Portugals erfolgreichsten und fleißigsten Designern, wird nie müde neue Wege und Zugänge zu suchen, um die Verteidigung zu schlagen. Dabei hat er mit Carmo Valente Rui den perfekten Flügelmann.

Design-Europameisterschaft 2016 Finale - Startaufstellung Portugal

Design-Europameisterschaft 2016 Finale – Startaufstellung Portugal

Frankreich:

Als der Mann, der Frankreich von seiner stilistischen Verwirrung des Art Deco zur Einfachheit der Moderne geführt hat, und der die Moderne dann weitergetrieben und seine soziale Akzeptanz herbeigeführt hat, versteht der französische Trainer Jean Prouvé die Funktion zeitgenössischen Designs vielleicht besser als jeder andere. Eine Tatsache, die hilft den Mix aus Erfahrung und Jugend zu erklären, der seine Team-Auswahl charakterisiert: zeitgenössisches Design darf nicht nur innovativ sein, sondern muss auch relevant sein.

Torwart: Jean-Marie Massaud
Obwohl Jean-Marie Massauds Spiel immer mächtig war und selbstbewusst den Raum dominiert hat, hat er, seit er in die amerikanische Liga gewechselt ist, zunehmend die vorzüglichen Finessen der historischen französischen Design-Tradition wiederentdeckt – und in das französische Team eingebracht.

Verteidigung: Philippe Stark, Pierre Paulin, Julien Phedyaeff, Pierre-François Dubois
Mit Starck und Paulin, den Rangältesten des zeitgenössischen französischen Designs, sowie Phedyaef und Dubois, den zwei Stars des französischen Aufsteigers Hartô, hat Prouvé eine Verteidigung gewählt, die die Tradition französischen Designs versteht, aber auch keine Angst vor zukunftsgewandten Lösungen haben.

Liberos: Ronan Bouroullec, Erwan Bouroullec
Eine stabile Partnerschaft seit über 20 Jahren, sind die Bouroullec Brüder bekannt für ihre unterschiedlichen Stile. Der eine ein Fuchs, der andere ein Igel. Und genau wegen dieser Kombination ist ihre Arbeit immer für eine Überraschung gut.

Mittelfeld: Charlotte PerriandEileen GreyIonna Vautrin
Das vertraute weibliche französische Mittelfeld bestehend aus Charlotte Perriand und der ursprünglich aus Irland stammenden Eileen Grey spielt ein sehr klares, traditionelles Spiel, während die jüngere Ionna Vautrin einen frischen, zeitgemäßen Zugang einbringt, der den ihrer erfahreneren Kolleginenn ergänzt.

Sturm: Jean Angelats
Neben seiner Größe bringt Jean frischen Atem in den französischen Angriff, indem er eine klassische Design-Philosophie mit sehr individuellen, fast schon eigentümlichen Form-, Material und Techniklösungen kombiniert.

Prognose:

Trotz Portugals Führung in Farbe und Ästhetik, sollte Frankreichs größerer Erfahrungsschatz und vor allem Variabilität zur Führung verhelfen. 2:0 für Frankreich.

Design-Europameisterschaft 2016 Finale - Startaufstellung Frankreich

Design-Europameisterschaft 2016 Finale – Startaufstellung Frankreich

Design Miami Basel 2013 Jean Prouve Maison des Jours Meilleurs Galerie Patrick Seguin

Jean Prouve – Maison des Jours Meilleurs

Estação Praca de Espanha Lissabon (Maria Keil, 1959)

Estação Praca de Espanha Lissabon (Maria Keil, 1959)

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