Vitra Design Museum: Lightopia

Der Morgen des 27. Septembers 2013 war einer dieser trüben, nebligen Herbstmorgen, an denen die SANAA Produktionshalle auf dem Vitra Campus mit dem grauen Himmel verschmilzt und fast unsichtbar wird. Sogar Herzog & de Meurons neuer Komplex auf der Messe Basel wurde von diesem gleichgültigen, monotonen Himmel verschluckt und so blieb nur noch eine vage Erinnerung an den glänzenden Palast des Hochsommers.

Da hat es vielleicht gerade gepasst, dass sich das Vitra Design Museum diesen nasskalten Morgen für die Eröffnung ihrer jüngsten Ausstellung „Lightopia“, einer Ausstellung zum Thema Licht, ausgesucht hat – denn dieser Tag erschien wie eine Vorahnung der kommenden Monate, in denen wir wohl alle etwas Licht brauchen werden.

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Vitra Design Museum, Lightopia

Mit ungefähr 300 Objekten, zu einem Drittel Lampen oder andere Leuchtobjekte, ist Lightopia eine Erforschung des Lichts – nicht der Leuchten. Das eine ist ein nicht greifbarer Gegenstand und das andere ein physisches Objekt. Die Verbindung beider Gegenstände ist der Job des Designers.

In seiner Eröffnungsrede betonte Mateo Kries, Chefkurator des Vitra Design Museums, diesen Unterschied. Außerdem ging er auf die kulturgeschichtliche Bedeutung des Lichts ein und bemerkte die zunehmende Relevanz und Stellung des Lichtdesigns, die ganz offensichtlich eng mit der Entscheidung der EU zusammenhängt, die Produktion konventioneller Glühbirnen zu verbieten.

Solche Gedanken bilden den Kern der in vier Teile gegliederten Ausstellung, die mit „Living in Lightopia“ beginnt. In diesem Bereich wird das Licht in aktuellen und sozialen Kontexten untersucht – es geht um Lichtverschmutzung, die Geschichte der Glühbirne, neue Technologien des Lichts und neue Nutzungsmöglichkeiten des Lichts abseits der Beleuchtung. Der zweite Teil präsentiert „Icons of lighting design“, eine Erkundung von hundert Jahren Lampendesign, die mit Arbeiten von Gerrit T. Rietveld und Wilhelm Wagenfeld beginnt und dann übergeht zu fast allen berühmten Klassikern des Genres: George Carwardines Anglepoise von 1932, Tizio von Richard Sapper, Artichoke von Poul Henningsen, diverse Arbeiten von Verner Panton und schließlich 85 Lamps von Rody Graumans durch Droog.

Nachdem der Rahmen so abgesteckt ist, untersucht der zweite Teil das Licht im Detail. „Colour, Space, Motion“ erforscht die Rolle des Lichts bei der Bestimmung unserer Welt, im positiven wie auch negativen Sinn – und „Light for tomorrow“ präsentiert schließlich aktuelle, experimentelle und zukunftsorientierte Lichtdesignprojekte.

Alle Objekte werden durch die gesamte Ausstellung von Dokumenten, Videos und Fotografien begleitet, die die Arbeiten in einen zeitlichen und räumlichen Kontext rücken.

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Slant von Chris Fraser. Gesehen im Vitra Design Museum, Lightopia

Ganz abgesehen vom Reichtum an Ausstellungstücken ist Lightopia vor allem ein echtes Vergnügen, weil eben nicht nur Objekte präsentiert werden. Die Objekte sind vielmehr Mittel zum Zweck. Sie machen ein Thema zugänglich, das so abstrakt wie allgegenwärtig ist.

Während früheres Lichtdesign ganz allgemein damit beschäftigt war, ästhetische, spielerische, funktionale und innovative Objekte fürs Büro oder den Wohnraum zu schaffen, liegt die Zukunft des Lichtdesigns, wie die aller Designgenres, anderswo. Lightopia ist mutig genug sich diesem „Anderswo“ zu stellen. Leider war diese Verortung einer der schwächeren Teile der Ausstellung. Die als eine Art Labor im Obergeschoss des Vitra Design Museums angelegte Sektion „Light of tommorrow“ war uns ein bisschen zu ambitioniert und überfüllt – einfach zu viel. Man könnte sagen, nicht besonders gut ausgeleuchtet. Uns war unklar, was wir von den ausgestellten Objekten, Projekten und Ideen genau mitnehmen sollten, außer der Erkenntnis, dass viele zeitgenössische Designer eine Menge kluge Sachen mit Licht anstellen. Das war schön anzusehen, aber für uns, wie gesagt, zu überfüllt und übereifrig.

Und auch wenn wir Projekte wie Fragile Future von Lonneke Gordijn & Ralph Nauta oder Vase von Ronan and Erwan Bouroullec sehr bewundern, verstehen wir nicht, warum man sie dort ausgestellt hat. Vielleicht ist uns etwas entgangen – das passiert häufig – aber unserer Meinung nach wären die Organisatoren besser beraten gewesen, hätten sie die Anzahl moderner Anwendungsbereiche etwas reduziert und wären sie dafür mit mehr Tiefe angegangen.

Die zentrale Frage ist wie so oft: Welche Rolle werden und sollen Designer spielen?

Lichtinstallationen oder der spielerische Umgang mit neuen Materialien in teuren Galeriedesignprojekten usw. sind schön und gut, sie helfen allerdings denen nicht, die in urbanen Slums oder isolierten ländlichen Gebieten ohne verlässlichen Stromanschluss leben. Die Beleuchtung der eigenen vier Wände ist aber Bedingung für ein humanes Leben.

Eines der Ausstellungstücke ist László Moholy-Nagys „Light-Space Modulator“. Im Jahr 1944 schrieb Moholy-Nagy: „Ein Designer zu sein, heißt nicht nur sensibel mit Techniken umzugehen und die aktuellen Produktionsprozesse zu analysieren, es bedeutet auch die damit verbundenen sozialen Verpflichtungen zu akzeptieren. So hängt das Design nicht nur von Funktion, Wissenschaft und Technologie, sondern auch von sozialen Implikationen ab.“1

Und so wie auch der „Light-Space Modulator“ keinen wirklichen, positiven Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung liefert, haben wir bei Lightopia auch sonst nicht viel gesehen, das deutlich gemacht hätte, wie zeitgenössische Designer das Potential unserer modernen Technologie und Wissenschaft nutzbar machen, um entweder den Zugang zu Licht zu vermehren oder einen verantwortungsvolleren Umgang mit Licht anzustoßen.

Natürlich werden Projekte gezeigt und, ja, man kann allem folgen, was ausgestellt ist. Uns fehlten einfach Beispiele für den Übergang von Forschung zur Praxis oder, besser gesagt, eine Konzentration auf solche Beispiele, denn Forschung ist nur nützlich, wenn sie sich auch positiv auf die Menschen auswirkt.

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Chromosaturation von Carlos Cruz-Diez. Gesehen im Vitra Design Museum, Lightopia

Lightopia liefert nicht alle Antworten auf die Frage, wie man auf unsere zukünftigen Bedürfnisse reagieren kann und sollte – legt es aber wohl auch nicht darauf an. Worauf es die Ausstellung allerdings angelegt hat, ist die Erkundung einer Geschichte des Lichts und die Frage, welche Rolle dem Design in unserer Beziehung zum Licht und dessen Nutzung zukommt, wie also das Lichtdesign moderne Lebensräume beeinflusst hat und in Zukunft beeinflussen wird.

Die Kuratoren haben die Ausstellung gut konzipiert und sehr gut umgesetzt, auch wenn man zeitweise etwas überfordert und überwältigt ist.

Wen es also demnächst in die Nähe von Weil am Rhein verschlägt, sollte mit einem Besuch im Vitra Design Museum seine winterliche Stimmung heben können.

Lightopia ist bis Sonntag, dem 16. März 2014, im Vitra Design Museum in Weil am Rhein zu sehen.

Alle Details findet man unter www.design-museum.de.

1. Moholy-Nagy, L „Design Potentialities“ in New Architecture and City planning. A symposium. Ed Paul Zucker New York 1944.

 

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