Architektur Design Industrie – Vitra Campus. Ein Jubiläum im Aedes am Pfefferberg, Berlin

Die Auswirkungen der kulturellen und politischen Umwälzungen des Jahres 1989 sind noch heute spürbar. Damals fiel die Berliner Mauer, George Bush wurde als 41. Präsident der USA vereidigt, Nirvana veröffentlichten ihr drittes Album „Bleach“, in Schottland wurde die Kopfsteuer eingeführt und die erste Folge der Simpsons wurde ausgestrahlt. Und, um auf den Punkt unserer Einleitung zu kommen, 1989 wurde auch das Vitra Design Museum in Weil am Rhein eröffnet. Ein Museum, das nicht nur zahlreiche von den Kritikern gefeierte Ausstellungen zu Design und Popkultur hervorgebracht hat, sondern das auch den eigentlichen Ausgangspunkt des Vitra Campus markiert. So steht das Vitra Design Museum auch für den Übergang der Firma Vitra vom reinen Möbelhersteller zum Kurator von zeitgenössischer Architektur und aktuellem Design.

Im November 2013 brachte Vitra anlässlich des bevorstehenden Geburtstages die Publikation „Vitra Campus – Architektur Design Industrie“ heraus. Mehr oder weniger auf Grundlage dieses Buches entstand eine Ausstellung, die derzeit im Architekturforum Aedes am Pfefferberg gezeigt wird.

Vitra Campus Architektur Design Industrie Aedes Am Pfefferberg Berlin

Architektur Design Industrie - Vitra Campus. Ein Jubiläum bei Aedes am Pfefferberg, Berlin

„Architektur Design Industrie“ wurde von Aedes konzipiert und von Chris Rehberger designt. Rehberger ist Mitarbeiter der Berliner Agentur Double Standards und auch für das Design des zugrundeliegenden Buches verantwortlich. Die Ausstellung präsentiert einen kompakten Überblick über die Objekte und Gebäude auf dem Vitra Campus sowie Videointerviews mit den verantwortlichen Architekten und Kataloge ausgewählter Ausstellungen im Vitra Design Museum. Besonders akademisch, technisch oder übermäßig kritisch ist die Ausstellung beim besten Willen nicht. Vielmehr handelt es sich um eine sehr zugängliche, klar designte offene Präsentation, die einerseits die nötigen Hintergrundinformationen bietet, um zu verstehen, was der Vitra Campus überhaupt ist, und zum anderen auch detaillierte Informationen für alle liefert, die mehr darüber wissen wollen.

Dem bisherigen Vitra Chef Rolf Fehlbaum zufolge wuchs der Vitra Campus sehr organisch ohne einen langfristigen Masterplan. Nach dem berüchtigten Feuer von 1981, das die ursprüngliche Vitra Produktionshalle in Weil am Rhein zerstörte, beschloss Fehlbaum das Gelände in Zusammenarbeit mit zunächst nur einem Architekten, und zwar Nicholas Grimshaw, neu zu gestalten. Nachdem er allerdings Frank Gehry kennengelernt und ihn mit dem Bau des Vitra Design Museums sowie einer Produktionshalle beauftragt hatte, sah er sich mit einer schwierigen Situation konfrontiert.

Gehrys Produktionshalle und Grimshaws Produktionshalle standen ganz nah beieinander, glichen sich auch in Sachen Größe, Preis und Funktion, sahen aber ansonsten absolut unterschiedlich aus. So traten die unterschiedlichen Möglichkeiten der Architektur auf einfache Weise offen zu Tage und inspirierten Fehlbaum zu einem Vorhaben, das die unterschiedlichen Gebäuden von Zaha Hadid, Álvaro Siza, Renzo Piano und vielen anderen zur Folge hatte. Mit dem Auftrag für die Skulptur „Balancing Tools“ von Claes Oldenburg und Coosje van Bruggen im Jahr 1984 erhielt der Vitra Campus dann sein erstes Kunstwerk, das außerhalb des Produktionsbereiches platziert wurde und so als erstes Objekt auch öffentlich zugänglich war. Nach der Eröffnung von Gehrys Museumsbau wurde der „öffentliche“ Bereich erstmals 1993 wieder mit Tadao Andos Konferenzpavillon und später durch Herzog & de Meurons VitraHaus erweitert. So entstand der aktuelle Mix aus öffentlichen und industriellen Räumen. Ein Mischung, die auf wunderbare Weise durch die zwei jüngsten Neuheiten weitergeführt wurde – die SANAA Produktionshalle, eine saubere, funktionale, wenn nicht gar monumentale Konstruktion, und den Vitra Rutschturm.

Vitra Campus Architektur Design Industrie Aedes Am Pfefferberg Berlin

Architektur Design Industrie - Vitra Campus. Ein Jubiläum bei Aedes am Pfefferberg, Berlin

Ausgehend von einer Diskussion zwischen Aedes und dem Vitra Design Museum ist die Entscheidung, die Ausstellung „Architektur Design Industrie“ im Aedes Berlin zu zeigen, sehr passend, da Aedes schon 1989 die erste Monografie zu Frank Gehrys damals brandneuem Vitra Design Museum veröffentlicht hat. Der passende Ort also für die „Geburtstagsausstellung“, wenn man so will.

Dem Chefkurator des Vitra Design Museums Mateo Kries zufolge ist „Architektur Design Industrie“ vorerst nur als einmalige Präsentation im Aedes angedacht. Allerdings ist es nicht nur ziemlich sicher, sondern fast schon garantiert, dass der Erfolg aus der Ausstellung eine Wanderausstellung machen wird. Nicht zuletzt weil sie sich in Sachen Form und Inhalt doch auch perfekt als Ausstellung für die Räume von Vitras Flagship Stores und Händler-Netzwerk eignet.

Wir nehmen der zwangsläufigen und augenscheinlichen Frage die Antwort vorweg: Ja, zuweilen sieht die Ausstellung wie eine Verkaufsmasche von Vitra und, angesichts der Beleuchtung, von Artek aus. Es wäre allerdings auch komisch gewesen, alle kommerziellen Bezüge zu Vitra wegzulassen, sie machen Vitra schließlich auch aus. Vitra Campus und Vitra Design Museum sind ausgehend vom Möbelhersteller Vitra entstanden, insofern wäre es irgendwie verdreht den Ausstellungsraum mit anderen Möbeln als denen des Herstellers zu füllen.

OK, die Stühle aus der Miniaturen Kollektion des Vitra Design Museums, die auch ausgestellt sind, sind etwas unnötig, zumal ausschließlich Vitra Miniaturen gezeigt werden, obwohl die Miniaturenkollektion eigentlich wunderbar unabhängig und demokratisch auf die gesamte Geschichte des Möbeldesigns eingeht. Auch den „Vitra Home Collection“-Katalog auf dem Haupttisch hätte man weglassen können – der wirkte aufdringlich und hatte mit dem eigentlichen Thema nun wirklich nichts zu tun.

Abgesehen davon dreht sich die Ausstellung dezidiert um den Vitra Campus und das Vitra Design Museum.

Eine etwas grundsätzlichere Kritik an der Ausstellung wäre, dass die Texte ausschließlich auf deutsch sind. Wir verstehen schon warum, denken aber trotzdem, dass die Ausstellung so sehr begrenzt wird. Irgendeine Form von Übersetzung wäre einfach gut gewesen. Vor allem in einer so globalen Stadt wie Berlin, in der Deutsch in vielen Bereichen die inoffizielle zweite Amtssprache ist.

Lässt man diese Kritik mal beiseite, bleibt „Architektur Design Industrie“ eine fesselnde Einführung zu einem wirklich faszinierenden Ort.

„Architektur Design Industrie – Vitra Campus. Ein Jubiläum“ ist bis Sonntag, den 28. September, im Architekturforum Aedes am Pfefferberg, Christinenstrasse 18-19, 10119 Berlin zu sehen.

Weitere Details sind unter www.aedes-src.de zu finden.

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