Passagen Köln 2015: A&W Designer of the Year 2015 – Michele De Lucchi. Die Ausstellung.

Normalerweise scheuen wir uns ja eher vor „Designer of the Year“-Preisverleihungen. Die Auszeichnung des „Designer of the Year“ durch das deutsche Architektur- und Designmagazin A&W gehört allerdings immer zu den Höhepunkten auf dem Passagen Designfestival in Köln.

Das hängt damit zusammen, dass der Wettbewerb immer in einer kompakten und dennoch informativen Ausstellung des jeweiligen Künstlers mündet. In einer Ausstellung, die vielleicht nie wirklich unabhängig oder kritisch ist, aber immer einen zugänglichen Überblick über die Arbeit des jeweiligen Designers bietet.

Nach Patricia Urquiola im Jahr 2012, Ronan & Erwan Bouroullec 2013 und Werner Aisslinger 2014 ist in diesem Jahr Michele De Lucchi der A&W Designer of the Year.

Passagen Cologne 2015 A&W Designer of the Year 2015 Michele De Lucchi The Exhibition

A&W Designer of the Year 2015 - Michele De Lucchi. Die Ausstellung

Der 1951 in Ferrara, Italien geborene Michele De Lucchi studierte in Ferrara und Florenz, bevor er 1976 sein erstes Architekturbüro in Florenz eröffnete. Im Jahr 1977 zog De Lucchi nach Mailand um, wo er schnell zu einem der führenden Protagonisten der experimentellen Design- und Architekturszene wurde, die sich dort während der 1980er Jahre entwickelte, und die nach wie vor in verschiedener Hinsicht Mailands Ruf als eines der wichtigsten Architektur- und Designzentren Europas bestimmt.

Seit Beginn seiner Karriere arbeitete Michele De Lucchi stets sowohl als Architekt als auch als Designer und definierte sich nie als nur eines von beidem. In dem Sinne wurde laut Michele De Lucchi auch die Ausstellung in Köln konzipiert, „… um zu zeigen, dass Design und Architektur gar nicht so weit voneinander entfernt sind und dass die Inspiration für beides derselben Quelle entstammt.“

So umfasst die Kölner Ausstellung eine Mischung aus neueren Architekturprojekten, wie der Friedensbrücke in Tiflis, Georgien, der Jakobskapelle in Fischbachau, Bayern, dem Il Tronco Bürogebäude in Pforzheim und den sogenannten Pavillon Zero, der momentan in Mailand für die bevorstehende Expo 2015 gebaut wird; außerdem Designprojekte, wie beispielsweise den Bisonte Stuhl für De Lucchis eigene Marke Produzione Privata und die Lampe Tolomeo Tavolo für Artemide.

Jedes Projekt wird von einem kurzen Text von De Lucchi begleitet, in dem De Lucchi etwas zum Hintergrund und zum Konzept des Projekts sagt. So hat der Besucher nicht nur die Möglichkeit die jeweilige Entstehung nachzuvollziehen, sondern bekommt auch einen Eindruck von der Gedankenwelt eines der einflussreichsten Architekten, Designer und Theoretiker seiner Zeit.

Die Ausstellung vermittelt den Besuchern aber nicht automatisch, wie einflussreich und bedeutend De Lucchi ist; in dieser Hinsicht ist die Ausstellung recht bescheiden und diskret und konzentriert sich wirklich auf die Projekte und ihre Ursprünge. Auf Olivetti oder die Memphis Group, wohl zwei der wichtigsten Stationen in De Lucchis Werdegang und maßgebliche Einflussfakturen für seinen heutigen Ruf, geht die Ausstellung beispielsweise wenig bis gar nicht ein.

Michele De Lucchi begann seine Arbeit bei Olivetti im Jahr 1979. Damals war das Unternehmen eines der führenden und innovativsten in Sachen angewandtes Design bei Corporate Identity und Produktentwicklung.

1980 gehörte De Lucchi dann zu den Mitbegründern des „postmodernen“ Architektur- und Designkollektivs Memphis Group, das Vorstellungen von der Beziehung zwischen Form und Funktion dekonstruieren und unser konventionelles Ästhetikverständnis in Frage stellen wollte. Genauer gesagt hieß das auch, ein Ästhetikverständnis in Frage zu stellen, das von Firmen wie Olivetti manifestiert wurde.

Ein Widerspruch? „Nein.“, antwortet Michele De Lucchi selbstbewusst. „Ich hatte, denke ich, großes Glück, denn durch die Arbeit mit Olivetti hatte ich die Freiheit, Memphis zu entwickeln und die nötige Erfahrung, um zu verstehen, dass es beim Design nicht nur um die professionelle Arbeit mit der Industrie geht, sondern auch um eine Verbindung zur Kunst und zu kulturellen Entwicklungen.“

Aber hat De Lucchi den Eindruck, dass man diese künstlerischen, auf kulturelle Entwicklungen bezogenen Elemente versteht, dass man sich an sie erinnert? Oder sehen die meisten nur die meist asymmetrischen Objekte mit ihren leuchtenden Farben?

„Ich glaube, Memphis wird heute eher als ein Stil wahrgenommen,“ antwortet De Lucchi, „aber zu dieser Zeit ging es uns nicht darum einen Stil zu kreieren, sondern darum Mauern zu durchbrechen und unsere Vorstellung zu befreien, um neue Möglichkeiten offenzulegen.“

Das bedeutet also, dass für sie Memphis eher eine Philosophie als ein Stil war? – „Design benötigt immer ein starkes philosophisches Fundament.“

Passagen Cologne 2015 A&W Designer of the Year 2015 Michele De Lucchi The Exhibition Tolomeo Tavolo lamp for Artemide

Ein Prototyp der Tolomeo Tavolo von Michele De Lucchi

Neben allem, was Michele De Lucchi Großes erreicht hat, gehört für uns auch eine Begebenheit während der Mailand Triennale 1973 dazu. Dort protestierte De Lucchi, verkleidet als napoleonischer Soldat, ausgestattet mit einem Schild mit den Worten „Generic Designer“ und einer Mülltüte mit der Aufschrift „Project“, gegen den endlosen Fluss neuer Produkte, die auf den Markt geworfen werden und um die Designer an ihre ethische und soziale Verantwortung zu erinnern.

Wir fragten ihn, ob er das heute wieder tun würde, oder ob sich die Umstände in den dazwischenliegenden 4 Jahrzehnten dann doch zu sehr geändert hätten.

Als wir darauf zu sprechen kommen, teilt ein breites Grinsen De Lucchis Vollbart, der in mehrfacher Hinsicht sein Markenzeichen geworden ist – „settantatre,“ kichert er uns entgegen.

„Ich denke es ist immer noch sehr wichtig sich daran zu erinnern, dass man als Architekt oder Designer nicht nur die Form eines Objektes oder den Grundriss eines Gebäudes entwirft, man „designt“ genauso das Verhalten der Menschen, die den Raum oder das Objekt nutzen. Und so sind Architektur und Design tief mit der Gesellschaft verbunden und drehen sich nicht nur ums Geschäft.“

Und mit dieser Einstellung gehört Michele De Lucchi zu den Designern, die an jedem Tag der Woche einen Preis verdient haben.

Die „A&W Designer of the Year 2015“-Ausstellung von und mit Michele De Lucchi ist im Kölnischen Kunstverein, Hahnenstraße 6, 50667 Köln bis Sonntag, den 25. Januar zu sehen.

Einige Eindrücke davon gibt es bereits hier:

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