smow Blog Designkalender: 24. Mai 1917 – Happy Birthday Florence Knoll!

Sehr geehrter Richter Tessin:

Ich möchte Ihnen hiermit meine Freude darüber ausdrücken, Florence diesen Sommer bei uns zu haben. Sicher wird es ihr gut tun, etwas mehr von der Welt zu sehen. Wir werden nach Schweden, Finnland, Dänemark, Deutschland und Holland reisen und uns sehr gut um sie kümmern.

Mit den allerbesten Grüßen,

Eliel Saarinen1

Und gut gekümmert um Florence Knoll hat sich Eliel Saarinen tatsächlich: Schließlich wurde sie eine der wichtigsten Protagonistinnen in der Entwicklung von Möbel-,Textil- und Interiordesign während der Nachkriegszeit.

Hairpin Stacking Table by Florence Knoll for Knoll produced 1948-1966. Reintroduced by 2017

Hairpin Stacking Table von Florence Knoll für Knoll, hergestellt 1948-1966. Wieder aufgelegt von Knoll in 2017

Florence Schust wurde am 24. Mai 1917 als Tochter des emigrierten Schweizer Ingenieurs Frederik Schust und seiner amerikanischen Frau Mina Matilda in Saginaw, Michigan, geboren und hatte eine turbulente Kindheit: Ihr Vater starb 1923 im Alter von 42 Jahren und nachdem ihre Mutter anschließend ernsthaft erkrankte, betraute sie einen örtlichen Bankier, besagten Richter Emil Tessin, mit der Vormundschaft. Nach dem frühzeitigen Tod ihrer Mutter im Jahr 1931 ging Florence Schust als Internatsschülerin an die Kingswood School Cranbrook, bevor sie dann 1934 die benachbarte Cranbrook Academy of Art besuchte.

Florence Schust zufolge2 machte sie die Leiterin des Kunstbereichs der Kingswood School, Rachel de Wolfe Raseman, erstmals mit Kunst und Design vertraut, bevor sie dann im Rahmen eines Inneneinrichtungsauftrags den Direktor der Cranbrook, den finnischen Architekten Eliel Saarinen, und seine Frau, die Textildesignerin Loja Saarinen, kennenlernte. Eliel Saarinen, der Florence Schusts Vorhaben, eine Architektinnenkarriere einzuschlagen, kannte, schlug vor, sie solle vorerst als Gasthörerin an die Cranbrook gehen. Unter Eliel Saarinens Führung entwickelte Florence Schust nicht nur ihr Architekturverständnis, sondern wurde auch mit etablierten Kreativen wie dem gefeierten schwedischen Bildhauer Carl Milles, und mit jungen, sich entwickelnden Talenten wie Harry Bertoia, Eero Saarinen und Charles Eames bekannt – um nur drei zu nennen.

Cranbrook College of Art Peristyle and sculptures by Carl Milles (Photo: Shoughto at the English language Wikipedia via https://commons.wikimedia.org)

Cranbrook College of Art Peristyle von Eliel Saarinen und Skulpturen von Carl Milles (Foto: Shoughto aus der englischsprachigen Wikipedia-Seite via https://commons.wikimedia.org)

Florence Knoll – Architektin

Neben der Förderung ihrer Ausbildung nahmen die Saarinens Florence Schust auch in allen anderen Bereichen unter ihre Fittiche. Sie machten sie, abgesehen vom Namen, zu einem Teil ihrer Familie, und nahmen sie mit auf ihre jährliche Sommerreise nach Europa.

In Erinnerung an eine dieser Reisen hält Florence Knoll fest: „Nach zwei Jahren an der Kunsthochschule war es Zeit für eine offiziellere Ausbildung an einer qualifizierten Architekturschule. Ich verbrachte wie üblich die Sommermonate in Hvitrask im Haus der Saarinens in Finnland. Alvar Aalto war zu Gast zum Lunch und schlug die Architectural Association in London vor.“3

Und so ging Florence Schust im Herbst 1938 nach London und dort an die Architectural Association School of Architecture. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zwang sie dann zur Rückkehr nach Amerika, wo sie anfänglich als Praktikantin bei Walter Gropius und Marcel Breuer in Cambridge, Massachusetts arbeitete und dann an das Illinois Institute of Technoligy in Chicago ging, wo sie ihr Studium bei Ludwig Mies van der Rohe abschloss.

So hatte Florence Schust nach ihrem Abschluss im Juni 1941 mit gerade mal 24 Jahren ein fundiertes, internationales Netzwerk, das von einigen der führenden Protagonisten der europäischen Moderne bis zu denen reichte, die die amerikanische Antwort auf diese Moderne definieren würden.

Alles, was sie benötigte, war also im Grunde eine Plattform.

Illinois Institute of Technology Chicago by Ludwig Mies van der Rohe, Florence Knoll's Alma mater

Illinois Institute of Technology Chicago von Ludwig Mies van der Rohe, Florence Knolls Universität

Die Knoll Planning Unit

Nach ihrem Umzug nach New York im Jahr 1941 jobbte Florence Schust für diverse Architekturbüros, bevor sie auf Hans Knoll traf. Der Nachkomme einer deutschen Möbelherstellerdynastie war dabei, sein eigenes Möbelunternehmen in New York aufzubauen: einen Möbelhersteller, der auf die europäischen Designs spezialisiert sein sollte, Designs, mit denen Hans Knoll tatsächlich aufgewachsen war. Und für ebendiese Firma suchte er gerade eine Innenarchitektin.

Florence Schust nahm die Herausforderung an und so wurde 1943 die Knoll Planning Unit unter ihrer Führung gegründet. Eine Institution, die das Arts & Architecture Magazin 1945 folgendermaßen beschrieb: „Eine Kraft, die all die mit der Firma verbundenen Aktivitäten mit der Richtlinie verknüpft, gut designtes „Wohnzubehör“ in Reichweite eines großen Marktes zu platzieren“4, und eine Institution, die durch ihren Erfolg zum Grundpfeiler der späteren Firma Knoll Associates wurde.

Während sich Florence Schust auf die Designs konzentrierte, war Hans Knoll für alle geschäftlichen Bereiche zuständig. Aus der beruflichen Zusammenarbeit wurde schließlich eine private Verbindung und so heirateten Florence Schust und Hans Knoll 1946.

Die ersten Projekte, die die Knoll Planning Unit realisierte, waren die eigenen Büro- und Ausstellungsräume. Diese Räume machten es der Firma nicht nur möglich, ihre Möbel vorzustellen, sondern erlaubten es Florence Knoll, ihre Auffassung von Räumen und von der Verbindung zwischen Möbeln und Nutzern zu veranschaulichen. Die regelmäßigen, positiven Besprechungen der Ausstellungsräume in den spezialisierten Architekturmagazinen dieser Zeit und prominente Aufträge über die viel berichtet wurde – dazu gehörten beispielsweise die Büros von CBS in New York oder das Hauptquartier der Conneticut General Life Insurance in Bloomfield – halfen zudem, die Knoll-Philosophie weiterzuverbreiten.

Sideboard with luggage rack by Florence Knoll for Knoll 1950

Sideboard mit Gepäckablage von Florence Knoll für Knoll, 1950

Florence Knoll – Interiordesignerin

Bis in die 1930er-Jahre waren amerikanische Interieurs eine klare Domäne von Dekorateuren. Die Knoll Planning Unit war eine der ersten Firmen, die sich weg von der „Dekoration“ eines Raumes und hin zum „Design“ eines Raumes bewegten, man legte den Fokus weniger auf das Objekt per se und stattdessen mehr auf die Frage, wie Objekte auf die Bedürfnisse der Nutzer eingehen können und wie Objekte dabei helfen können, den Raum zu optimieren und nutzerfreundlicher zu machen.

In einem Interview von 2001 erklärte Florence Knoll: „Ich war als Architektin trainiert, anhand logischer Aspekte über Räume nachzudenken“5. Hinsichtlich ihrer Interiordesigns und vor allem hinsichtlich ihrer Entwürfe von Büroräumen – jener Bereich, in dem sich Knoll zuerst durchsetzte – bedeutete dies einen Bruch mit den damaligen Standards, das heißt vor allem mit den traditionellen, schweren Möbeln und der nochmal schwereren, rigiden Raumaufteilung.

Mithilfe von beispielsweise leichteren, reduzierteren Möbeln, von Überlegungen, wie sich Beleuchtung und Belüftung integrieren ließen und durch den Einsatz von raumteilenden Wänden und Farben designte Florence Knoll nicht nur leichtere, ergonomischere Räume, die mehr aus dem machten, was zu jener Zeit erhältlich war. Sie kreierte so auch Räume, die mit der Architektur korrespondierten, mit denen sich die Menschen identifizieren konnten und die zum modernen, progressiven Bild, das die Firmen zu verkaufen versuchten, passten. So veränderte sich nicht nur die Auffassung von Büroausstattung radikal, sondern auch die Beziehung zwischen Architekt, Designer, Hersteller und Kunde. Florence Knoll ebnete so auch den Weg für unser heutiges Verständnis von Office Design.

Neben sich verändernden Ideen des Office Designs revolutionierte Florence Knoll auch den Arbeitsprozess der Entwicklung dieser Ideen. Während Firmen zuvor einfach Möbel einkauften, begann Florence Knoll mit einer Analyse des Raumes, seinen Pros und Contras, dann wurden Interviews geführt, die Anforderungen der Nutzer definiert, die Akustik wurde beurteilt, man analysierte den Verkehr und letztlich präsentierte man ein Modell als 3D-Paste-Up. Wie Bobby Tigerman bemerkte6: „Während das Paste-Up in der Mode und im Bühnenbild bekannt war, war Florence Knoll die erste, die es für Interiordesign adaptierte: Sie nutze ausgeschnittene Textilstücke, um verschiedene Objekte in einem maßstabsgetreuen Modell des Raumes zu symbolisieren und ermöglichte so eine einfache, schnelle Visualisierung des Konzepts, ohne sich in den Details zu verlieren. Heute ist dieser Prozess, angereichert durch die Vorteile von 3D-Planungssoftware, absoluter Standard. Damals war das komplette Gegenteil der Fall.

Florence Knoll Bench from Knoll

Florence Knoll Bank von Knoll, 1954

Florence Knoll – Möbeldesignerin

Die jährliche Knoll Möbelkollektion war im Jahr 1941 zum Großteil die Arbeit von Jens Risom. 1945 kamen lizenzierte Möbel des dänischen Designers Abel Sorenson hinzu, und mit in Auftrag gegebenen Arbeiten beim Cranbrook Absolventen Ralph Rapson machte Florence Knoll erstmals Gebrauch von ihrem Netzwerk und ihren Verbindungen zur Cranbrook Academy. Diesem Netzwerk wandte sie sich verstärkt zu, um ihren Plan zu realisieren, Knoll in eine Firma zu verwandeln, die Möbel produzieren würde, die ihrem Verständnis von zeitgenössischem Design entsprachen und die auf die Anforderungen moderner Büros und Wohnungen zugeschnitten sein würden.

Obwohl Knoll einen festen Stamm internationaler Designer aufbauen konnte, dazu gehörten unter vielen anderen Eero Saarinen, Isamu Noguchi, Pierre Jeanneret, Harry Bertoia, Ludwig Mies van der Rohe und Ilmari Tapiovara, wurde der Großteil der Knoll Möbel während der 1940er- und 50er-Jahre von Florence Knoll designt. Bobby Tigermann zufolge waren es 50 Prozent; er bezieht sich dabei auf ein undatiertes Interview mit Florence Knoll aus den Knoll Archiven.7

Der Grund für Knolls Emsigkeit war überwiegend Notwendigkeit: „Ich war gezwungen, Möbel zu designen, weil ich Büroräume entwarf und einfach nichts Passendes erhältlich war“8, erinnerte sie sich in einem Interview von 1981 und fügte ein paar Jahre später hinzu: „Ich war nie wirklich eine Möbeldesignerin, habe aber Möbel entworfen, um die Lücken zu füllen…“9

Im Jahr 1957 nannte das Interiors Magazine Florence Knolls Möbel „bread-and-butter“10 pieces – Möbelstücke also, die nur dem Brotverdienst dienen. Das klingt abwertend, aber die Formulierung gefiel uns gut, denn sie bringt die Notwendigkeit, aus der heraus die Möbel entstanden sind, die Lücken, die gefüllt werden mussten, ihre Universalität und ihre bescheidene Art auf den Punkt. Es gibt nichts besonders Hervorstechendes an Florence Knolls Designs. Sie sind keineswegs die Avantgarde-Arbeiten, die Designer wie Saarinen oder die Eames realisierten und auch nicht die subtilen, zeitgenössischen Neuinterpretationen klassischer Formen wie sie Edward J. Wormly für Dunbar entwickelte. Sie sind aber ordentlich proportionierte und gut erwogene Objekte, die den Idealen des Funktionalismus aus den Jahren zwischen den Weltkriegen einen gewissen Komfort hinzufügen und die vor allem ihre angedachte Funktion erfüllen. Zudem handelt es sich um Objekte, die dank ihrer universalen Selbstsicherheit in jede aktuelle Büroumgebung passen würden.

Chiar and sofas by Florence Knoll for Knoll, 1950

Sessel und Sofas von Florence Knoll für Knoll, 1950

Florence Knoll – Hundertjährig

Im Jahr 1955 starb Hans Knoll bei einem Autounfall während einer Geschäftsreise in Kuba. Florence Knoll übernahm die Leitung der Firma und obwohl sie die Marke 1959 an den in Jamestown, New York ansässigen Metallbauhersteller Art Metal verkaufte, wachte sie weiter über Knolls Erbe als Chefin des Designbereichs und Kopf der Planning Unit, bis sie 1965 die Verbindung zu Knoll auflöste. Ihr letzes Projekt war das Interiordesign des Eero Saarinen CBS Towers in New York, sie hörte also im Grunde dort auf, wo sie begonnen hatte.

Gründe, die Firma zu verlassen, hatte sie ohne Frage viele. In ihrem Brief zu ihrem Rücktritt erwähnte sie „die Verantwortungen und Interessen ihres privaten Lebens in Miami“11. Die Stadt war ihr Zuhause, seitdem sie 1958 den Bankier Harry Hood Bassett geheiratet hatte, während sie in einem späteren Interview festhält: „In gewisser Weise war ich gelangweilt. Ich arbeitete mein ganzes Leben so hart und ich war der Arbeit nicht feindlich gesonnen, aber wirklich, wenn man 2400 Büros im gleichen Gebäude gemacht hat, wird es einfach irgendwann zuviel.“12 Hinzu kommt auch der sich verändernde amerikanische Möbelmarkt ab Mitte der sechziger Jahre, vor allem die zunehmende Zahl an Wettbewerbern und die Kürzung der Budgets und so die sich verschiebenden Prioritäten der neuen Fabrikbesitzer. Es wurde wohl einfach Zeit.

Ohne Frage ist es den 22 Jahren harter Arbeit von Florence Knoll zu verdanken, dass sich Knoll als einer von Amerikas wichtigsten und innovativsten Möbelherstellern etablierte. Oder wie George Nelson, der während seiner Zeit als Designchef bei Herman Miller über viele Jahre Florence Knolls einziger ernstzunehmender Konkurrent war, im Jahr 1981 schrieb: „Florence legte die Qualitätsstandards für Innenräume und Produkte fest, es besteht kein Zweifel, dass ihr Engagement in der Firma das entscheidende Element des letztendlichen Erfolges war.“13

Mit ihrem Rückzug aus der Firma Knoll verließ Florence Knoll-Basett auch das Rampenlicht und lebt seit 1965 ein zurückgezogenes, privates Leben in Miami, wo sie ihren hundertsten Geburtstag mit Sicherheit gebührend feiern wird.

Im Rückblick auf die Anfangszeit erzählte Florence Knoll der New York Times einmal: „Ja, es war eine aufregende Zeit, aber es war überwiegend harte Arbeit. Wir mussten gegen die Vorurteile, die man zeitgenössischem Design entgegenbrachte, kämpfen.“14

Danke dafür!

Happy Birthday, Florence Knoll-Basett!

1. Letter dated June 1st 1936, in Florence Knoll Bassett papers, 1932-2000. Archives of American Art, Smithsonian Institution. Box 4, Folder 2: Letters (1930s-1940s)

2. Florence Knoll Bassett papers, 1932-2000. Archives of American Art, Smithsonian Institution. Series 1: Biographical Material, 1932-1999

3. ibid

4. „Equipment for living“, Arts & Architecture, Los Angeles, May 1945

5. Paul Makovsky, „Shu U.“, Metropolis Magazine, July 2001 quoted in Phillip G. Hofstra, Florence Knoll, Design and the Modern American Office Workplace, PhD Thesis, University of Kansas, November 21st 2008

6. Bobbye Tigerman, „‚I Am Not a Decorator‘: Florence Knoll, the Knoll Planning Unit and the Making of the Modern Office“, Journal of Design History, Vol. 20 No. 1 (Spring, 2007)

7. ibid

8. Jo Werne „She shaped Knoll into a major force in design“, The Miami Herald, Sunday October 25 1981

9. Joseph Giovannini „Florence Knoll: Form, not fashion“ New York Times, April 7 1983

10. Florence Knoll and the avant garde, Interiors, July 1957

11. Letter dated January 14 1965, in Florence Knoll Bassett papers, 1932-2000. Archives of American Art, Smithsonian Institution. Box 4, Folder 4: Letters (1960s)

12. Maeve Slavin, „Florence Knoll: The making of the modern office“, Working Woman, January 1984 in Florence Knoll Bassett papers, 1932-2000. Archives of American Art, Smithsonian Institution. Box 2, Folder 2: Portfolio: Photographs of Florence Knoll and Others and Articles in Newspapers and Magazines, 1956-1997

13. George Nelson, The age of modern design, Architectural Record, Mid-February 1982

14. Joseph Giovannini „Florence Knoll: Form, not fashion“ New York Times, April 7 1983

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