IMM Cologne 2018 Kompakt: Martini Sessel von StudioFaubel für Müller Möbelfabrikation

Dem englischen Dramatiker und Komponisten Noël Coward wird nachgesagt, er habe einmal die Meinung geäußert, „dass ein perfekter Martini gemacht werden sollte, indem man ein Glas mit Gin füllt und es dann in die ungefähre Richtung Italiens schwenkt.“ Wir können nicht sagen, ob StudioFaubel aus München bei der Entwicklung ihres „Martini“ Sessels für die Müller Möbelfabrikation auf den Rat des großen Erzählers zurückgegriffen haben. Das Resultat ist aber ebenso zufriedenstellend…

 

Martini Sessel by StudioFaubel for Müller Möbelfabrikation, as seen at IMM Cologne 2018

„Martini“ Sessel von StudioFaubel für Müller Möbelfabrikation, gesehen bei der IMM Cologne 2018

Es handelt sich um eine Verallgemeinerung – hoffentlich keine irreführende – wenn wir sagen, dass sich das Portfolio des Augsburger Herstellers Müller Möbelfabrikation im Wesentlichen um „Lagerung“ in verschiedenen Kontexten dreht: von den Schreibtischen der Classic Line mit ihrer Schubladenpracht, über Rollcontainer, Sekretäre, Getränkeschränke bis hin zu Regalen – darunter das „Scala“-System von e 27, Tim Braun, das auf der IMM Cologne 2017 vorgestellt wurde. Auch bei der Garderobe „V22“ von Delphin Design geht es im Wesentlichen um Aufbewahrung. Dass Müller Möbelfabrikation nun einen Sessel in sein Portfolio aufgenommen hat, kommt für uns ziemlich unerwartet und war von Müller Möbelfabrikation auch nicht geplant. Oder anders gesagt: Die Entstehung des „Martini“ Sessels vollzog sich im Kontext eines anderen StudioFaubel-Projektes. Ein Projekt, welches aufgrund seiner spezifischen Herausforderungen ein Nachdenken über einen Loungesessel aus Metall in Gang brachte. Mit einer Idee im Kopf und auf der Suche nach fachkundiger Beratung wandte sich Gregor an Müller Möbelfabrikation. Die beiden hatten bereits zuvor an zahlreichen Projekten zusammengearbeitet, kannten sich und konnten auf gegenseitiges Vertrauen und Verständnis zurückgreifen. Und nach theoretischen Überlegungen entstand schließlich der konkrete Plan, einen greifbaren Stuhl zu produzieren. Das ist natürlich ein hervorragendes Beispiel für eine der besseren Varianten ein Möbelstück zu entwickeln – ein unverbindlicher, offener Gedankenaustausch zwischen Designer und Hersteller. Das Resultat eines solchen Prozesses fällt zwangsläufig ehrlicher aus, und hat meist eine längere Lebensdauer hinsichtlich der Produktion, als das ansonsten der Fall ist.

Das Resultat von Gregors und Müllers Überlegungen ist ein voluminöser, geräumiger Loungesessel mit einer Aluminiumschale auf einem Stahlfuß, die mit einer Polsterung ausgekleidet ist. Dieses Objekt unterstreicht nicht nur das quasi angeborene Verhältnis von Müller Möbelfabrikation zu Metall, sondern auch die angenehme Blindheit des Möbelherstellers hinsichtlich der Konventionen. Abgesehen von der Tatsache, dass es sich um einen Loungesessel handelt, liegt der wichtigste Bruch des Projektes mit den Traditionen in der Aluminiumschale. Müller Möbelfabrikation hat Aluminium schon in der Vergangenheit eingesetzt, beim Martini Sessel spielt das Material aber erstmals eine so zentrale Rolle. Die Entscheidung zugunsten des Aluminiums und gegen das für Müller Möbelfabrikation sonst typische Stahl fiel aufgrund der Flexibilität des Aluminiums: die Schale bewegt sich geringfügig mit dem Nutzer, das hat nicht den Effekt eines Freischwingers, geht aber gewissermaßen in diese Richtung und wirkt ähnlich befriedigend. Aufgrund des Konstruktionsprozesses und des visuellen Eindrucks des „Martini“ Stuhls wurde in Köln natürlich eine Menge über Origami und gefaltetes Papier gesprochen. Der geringe Durchmesser des Aluminiums und die stringenten, geometrischen Blöcke, die sich aus dem Faltprozess ergeben, geben dem Stuhl die unmissverständliche Anmutung eines Papiermodells eines Stuhls… und etwas ganz anderem, aber davon wollten wir lieber erstmal die Finger lassen.

Bis wir zurück ins Büro gekommen sind und uns die Fotos angesehen haben: die Fotos der „colour catchers“ aus gefaltetem Papier von Hella Jongerius, die in der Ausstellung Breathing Colour im London Design Museum zu sehen waren. Diese Objekte halfen durch ihre Form zu erklären, wie unsere Farbwahrnehmung davon abhängt auf welche Art Licht auf eine Oberfläche und auf Objekte in der Umgebung dieser Oberfläche trifft. Farbe ist also nicht gleich Farbe. Den gleichen Effekt erzeugen die Rückseite und die Unterseite des „Martini“ Sessels. Das heißt also, auch wenn Müller Möbelfabrikation den Sessel in jeder RAL Farbe liefern kann, wird seine Erscheinung doch immer davon abhängen wo, wann und wie er platziert wird. Und das ist eine sehr schöne Eigenschaft und möglicherweise auch ein guter Anlass, die Sessel in Farbausführungen anzubieten, die deutlich auf die Lichteinwirkung eingehen und so besseren Nutzen aus der Geometrie des Sessels ziehen.

Der „Martini“ Sessel besticht also durch hohen Sitzkomfort, die Zugänglichkeit und Vertrautheit der Form, und durch etwas gleichermaßen Unaufdringliches wie Monströses. Als Objekt können wir ihn uns in einer Hotellobby, genauso wie in einem Büro-, Warte- oder Umkleideraum vorstellen. Aber auch im Wohnbereich, abgerundet mit einem guten Buch oder Wein, einem Tee, Bier oder eben einem auf Gin basierenden Cocktail, macht der „Martini Chair“ eine gute Figur.

 

Martini Sessel by StudioFaubel for Müller Möbelfabrikation, as seen at IMM Cologne 2018

„Martini“ Sessel von StudioFaubel für Müller Möbelfabrikation, gesehen bei der IMM Cologne 2018

Martini Sessel by StudioFaubel for Müller Möbelfabrikation, as seen at IMM Cologne 2018

„Martini“ Sessel von StudioFaubel für Müller Möbelfabrikation, gesehen bei der IMM Cologne 2018

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