5 neue Architektur- und Designausstellungen für Juni 2023

Eine alte Bauernregel besagt: “Wenn kalt und nass der Juni war, verdirbt er meist das ganze Jahr”.

Für Landwirte mag diese Regel zutreffen. Nicht aber für den Rest von uns, denn ein kalter, nasser Juni bietet den perfekten Anlass für den Besuch einer Architektur- oder Designausstellung, und dabei handelt es sich wiederum um eine Erfahrung, die nicht nur ein ganzes Jahr, sondern auch den Rest eines ganzen Lebens bereichern kann.

Unsere Empfehlungen für neue Ausstellungen, die im Juni 2023 eröffnet werden, führen uns nach Värnamo, Ljubljana, East Lansing, Wien und Ulm.

5 New Architecture & Design Exhibitions for June 2023

„Front: Design by Nature“ im Vandalorum, Värnamo, Sweden

Seit Langem lässt sich das schwedische Kollektiv Front von der Natur beeinflussen und inspirieren, was zum Beispiel in der Horse Lamp für Moooi, dem Resting Bear Pouf/Kissen für Vitra oder der pilzartigen Leuchte Curve für Zero zum Ausdruck kommt. Die Natur ist für das schwedische Kollektiv Front aber auch seit langem ein Werkzeug. Man denke zum Beispiel an die Tapete, die sie entworfen haben, indem sie Ratten daran knabbern ließen, oder an den Lampenschirm, der von einer Fliege entworfen wurde, die eine Glühbirne umschwirrt. Für das Projekt Design by Nature haben Front, a.k.a. Anna Lindgren und Sofia Lagerkvist die schwedische Landschaft weiter und detaillierter erforscht als je zuvor: Die beiden erstellten 3D-Scans von Schneeverwehungen, kleinen Gebirgsseen oder vollgelaufenen Steinbrüchen, Hügeln oder Waldböden. Sie untersuchten zudem die Strukturen, die von den Lebewesen, auf die sie in diesen Umgebungen trafen, gebaut werden, wie z. B. von Töpferwespen, Maulwurfsgrillen oder Amöben.

Dieses mehrjährige, multidisziplinäre Forschungsprojekt führte  zu einer Möbelkollektion für Moroso und zu einer Ausstellung, die in diesem Sommer im Vandalorum zu sehen sein wird. Die Ausstellung wird nicht nur die durchgeführten Forschungen und die Orte, an denen Front als Kollektiv geforscht hat anschaulich machen, sondern auch eine differenzierte Betrachtung der Beziehungen zwischen Mensch und Natur und Antworten auf die Frage, was wir von der Natur lernen können, ermöglichen – ähnlich wie in den Ausstellungen “Mimesis. A Living Design” im Centre Pompidou-Metz oder “Garden Futures. Gestalten mit der Natur” im Vitra Design Museum, Weil am Rhein.

Vor allem aber sollte die Ausstellung eine nuancierte und aussagekräftigere Würdigung des Designkollektivs Front, seiner Positionen und seiner Arbeit ermöglichen.

“Front: Design by Nature” wird am Samstag, den 3. Juni, im Vandalorum, Skulpturvägen 2, 331 44 Värnamo eröffnet und läuft bis Herbst 2023. Weitere Einzelheiten sind unter www.vandalorum.se zu finden.

Front: Design by Nature at Vandalorum, Värnamo

„Front: Design by Nature“ im Vandalorum, Värnamo

„How is a vase like a house? From the systemic to the fantastical, with designer Janja Lap“ im Museum für Architektur und Design, Ljubljana, Slowenien

Die 1929 in Ljubljana geborene Janja Lap studierte Architektur in der heutigen slowenischen Hauptstadt. Ein wichtiger Einfluss während dieser Zeit war Professor Edvard Ravnikar, einer der interessantesten Architekten der Nachkriegszeit im damaligen Jugoslawien. 1964 zog Janja Lap nach London um, um sich der Industrial Design (Engineering) Research Unit am Royal College of Art (RCA) unter der Leitung von Bruce Archer anzuschließen. Es handelte sich um eines der ersten Design-Forschungsinstitute und bei Bruce Archer um einen frühen Vertreter eines systematischen Ansatzes, der die Auffassung vertrat, dass es so etwas wie eine Philosophie des Designs gibt. Nach ihrem Master am RCA, der sehr frühe Überlegungen zu einem zirkulären Ansatz im Design beinhaltete, blieb Lap in England, wo sie unter anderem an der University of Sheffield und der Architectural Association, London, lehrte. 1977 kehrte sie nach Jugoslawien zurück und arbeitete nach einer kurzen Zeit der Forschung zu Fragen der Wohnungspolitik am Institut für Soziologie und Philosophie der Universität Ljubljana als Produktdesignerin für den Elektronikhersteller Iskra.

Laps Biografie ist nicht nur einzigartig im Kontext des Kalten Krieges in Europa, sie erhellt auch die freie Mischung aus Architektur und Design, die Laps Praxis ausmachte. Sie lässt uns außerdem die vielfältigen und unterschiedlichen theoretischen und praktischen Einflüsse nachvollziehen, die sich auf ihre Arbeit auswirkten: eine Arbeit, die den Schwerpunkt der Ausstellung “How is a vase like a house?” bildet. Die Präsentation versucht nicht nur zu erhellen, inwiefern eine Vase wie ein Haus ist, anhand von Beispielen aus Laps Produktdesign und ihrer architektonischen Praxis will die Ausstellung einen Zugang zu den Themen eröffnen, die sich durch Laps Kanon ziehen. So will die Ausstellung auch dazu beitragen, die anhaltende Relevanz von Laps Positionen und Ansätzen hervorzuheben. Auf diese Weise kann eine höchst interessante, aber leider viel zu unbekannte Architektin, Designerin und Theoretikerin ihren Platz in der Designgeschichte wieder einnehmen.

„How is a vase like a house? From the systemic to the fantastical, with designer Janja Lap“ wird am Donnerstag, den 15. Juni im Museum für Architektur und Design, MAO, Grad Fužine, Rusjanov trg 7, 1000 Ljubljana eröffnet und läuft bis Sonntag, den 5. November. Weitere Einzelheiten sind unter https://mao.si zu finden.

Crockery by Janja Lap for Kili Liboje, 1961, part of How is a vase like a house? From the systemic to the fantastical, with designer Janja Lap at the Museum of Architecture and Design, Ljubljana (Photo: Janez Kališnik, MAO Collection, courtesy Museum of Architecture and Design, Ljubljana)

Crockery by Janja Lap for Kili Liboje, 1961, part of How is a vase like a house? From the systemic to the fantastical, with designer Janja Lap at the Museum of Architecture and Design, Ljubljana (Photo: Janez Kališnik, MAO Collection, courtesy Museum of Architecture and Design, Ljubljana)

„Shouldn’t You Be Working? 100 Years of Working from Home“ im MSU Broad Art Museum, East Lansing, Michigan, USA

Zu den vielen faszinierenden Aspekten der gegenwärtigen Diskussionen über „neue Arbeit“ gehört, dass es sich eigentlich um „neue Büroarbeit“ handelt, die diskutiert wird: JournalistInnen, AkademikerInnen, DesignerInnen, ArchitektInnen, KuratorInnen und andere, die in Büros arbeiten, verwechseln häufig ihre Arbeit, mit der Arbeit aller anderen. Eine Verwechslung, die dazu führt, dass in populären Diskussionen über Arbeit und Arbeitskultur viel zu oft übersehen wird, dass die Heimarbeit für Büroangestellte zwar relativ neu ist, es sich dabei aber nicht nur um eine der ältesten Formen organisierter Arbeit handelt sondern auch um eine der ältesten Formen unbezahlter Arbeit: der Hausarbeit. 

Das Projekt “Shouldn’t You Be Working?” verspricht, wenn wir es richtig verstanden haben, eine hauptsächlich auf Fotografie basierende Präsentation, die durch zeitgenössische Kunstprojekte unterstützt wird. Die Ausstellung zielt darauf ab, die sich verändernde Gestalt und Bedeutung des Heims als Ort der Arbeit, sei sie bezahlt oder unbezahlt, im Laufe des letzten Jahrhunderts zu erforschen. Es geht dabei nicht nur um Arbeit im Kontext des gesellschaftlichen Wandels, sondern auch um die immer neuen Arbeitsplätze, die immer neuen Formen der Arbeit, die im Laufe der Jahrzehnte entstanden, während andere verschwunden sind, oder zumindest an Bedeutung verloren haben. So soll eine neue, nuancierte Perspektiven auf das Zuhause als Ort der Arbeit, als Ort der Industrie ermöglicht werden, die einen wichtigen Beitrag zu den gegenwärtigen Debatten über Home-Office versus Büro und die Zukunft der Arbeit in all ihren Erscheinungsformen leisten kann.

“Shouldn’t You Be Working? 100 Years of Working from Home“ wird am Samstag, den 10. Juni, im MSU Broad Art Museum, 547 E Circle Dr, East Lansing, MI 48824, eröffnet und läuft bis Sonntag, den 17. Dezember. Weitere Einzelheiten sind unter https://broadmuseum.msu.edu zu finden.

Home economics students at MSU in the 1940s, a reminder that home working isn't just answering emails in your pyjamas, part of Shouldn’t You Be Working? 100 Years of Working from Home at the MSU Broad Art Museum (Photo © Michigan State University Archives and Historical Collections, courtesy MSU Broad Art Museum)

Hauswirtschaftsstudentinnen an der MSU in den 1940er Jahren, eine Erinnerung daran, dass Heimarbeit nicht nur das Beantworten von E-Mails im Pyjama bedeutet, Teil von „Shouldn’t You Be Working? 100 Years of Working from Home“ im MSU Broad Art Museum (Foto © Michigan State University Archives and Historical Collections, mit freundlicher Genehmigung des MSU Broad Art Museum)

„Glanz und Glamour. 200 Jahre Lobmeyr“ im Museum für angewandte Kunst, Vienna, Austria

Die 1823 von Josef Lobmeyr senior in Wien gegründete Glasmanufaktur J. & L. Lobmeyr hat in den letzten zwei Jahrhunderten in vielerlei Hinsicht die Entwicklung der österreichischen Hauptstadt und ihrer Kreativen begleitet und dokumentiert. So hat Lobmeyr im Kontext des Habsburgerreichs, zu dessen Hoflieferanten die Manufaktur 1835 ernannt wurde, bis hin zur Moderne des frühen 20. Jahrhundert und heute  in Wien produziert.

Die Präsentation von rund 300 Lobmeyr-Gläsern aus den letzten 200 Jahren von u.a. Theophil Hansen, Adolf Loos, Josef Hoffmann, Hans Harald Rath, Marc Braun, Philippe Malouin oder Nives Widauer, sowie von vielen anonymen Entwürfen und Produkten aus dem eigenen Haus, verspricht die ganze Bandbreite des Lobmeyr-Kanons, vom einfachen Wasserglas bis zum dekadenten Lüster, und allem, was dazwischen liegt, zu überblicken. So soll “Glanz und Glamour” nicht nur auf sehr elegante Weise die Geschichte des Wiener Handwerksbetriebes und damit auch die kulturelle, soziale, politische, wirtschaftliche und künstlerische Geschichte Wiens veranschaulichen, sondern auch dazu beitragen, die sich im Laufe der Jahrhunderte verändernde Funktion und Wertschätzung des Materials Glas zu erhellen.

“Glanz und Glamour. 200 Jahre Lobmeyr” wird am Mittwoch, 7. Juni, im Museum für angewandte Kunst, MAK, Stubenring 5, 1010 Wien, eröffnet und ist bis Sonntag, 24. Dezember, zu sehen. Weitere Details sind unter www.mak.at zu finden.

Crystal Service Nr. 238 "Patrician" by Josef Hoffmann for J. & L. Lobmeyr, 1917, part of Glitz and Glamour. 200 Years of Lobmeyr at the Museum für angewandte Kunst, Vienna (Photo © J. & L. Lobmeyr, courtesy Museum für angewandte Kunst, Vienna)

Kristallservice Nr. 238 „Patrizier“ von Josef Hoffmann für J. & L. Lobmeyr, 1917, Teil von „Glanz und Glamour. 200 Jahre Lobmeyr“ im Museum für angewandte Kunst, Wien (Foto © J. & L. Lobmeyr, mit freundlicher Genehmigung des Museums für angewandte Kunst, Wien)
„Kunststoff – Zauberstoff: Freiheit und Grenzen der Gestaltung“ im HfG-Archiv, Ulm, Deutschland

„Kunststoff − Zauberstoff: Freiheit und Grenzen der Gestaltung“ im HfG-Archiv, Ulm, Germany

Die Hochschule für Gestaltung (HfG) Ulm entstand nicht nur in einer neuen Bundesrepublik, sondern auch im Zeitalter neuer Materialien, vor allem im Zeitalter des Aufkommens synthetischer Kunststoffe. Ein Material, das an der HfG Ulm sehr präsent war: 1959, sechs Jahre nach der Eröffnung der Hochschule, wurde an der HfG eine Kunststoffwerkstatt eröffnet, als Pendant zu den traditionellen Gips-, Holz- und Metallwerkstätten. Dabei handelt es sich wohl um eine der ersten Kunststoffwerkstätten an einer Hochschule für Gestaltung in Westdeutschland. In dieser Werkstatt wurden nicht nur Produkte aus den neuen Materialien entwickelt, Mitarbeiter und Studenten der HfG erforschten auch die Möglichkeiten der neuen Materialien.

Mit „Kunststoff – Zauberstoff: Freiheit und Grenzen der Gestaltung“ verspricht das HfG-Archiv eine Erkundung der Geschichte des Werkstoffs Kunststoff an der HfG Ulm, sei es im Rahmen von Forschungsprojekten, studentischen Diplomarbeiten oder den zahlreichen Industriekooperationen der HfG, bei denen im Laufe der frühen 1960er Jahre zunehmend Kunststoffe eingesetzt wurden und die so dazu beitrugen, dass sich Kunststoffe im Produkt- und Industriedesign in Westdeutschland etablierten. Außerdem will sich die Ausstellung mit unserem Umgang mit Kunststoffen und unseren Beziehungen zu Kunststoffen auseinandersetzen. Dabei geht es um die Entwicklungen seit den 1950er Jahren bis hin zu den heutigen Problemen, die mit Kunststoffen verbunden sind. Es soll dabei die nicht unerhebliche Frage gestellt werden, ob unsere heutigen Probleme ein Kunststoffproblem oder ein Menschheitsproblem sind. So möchte die Ausstellung nicht nur einen differenzierteren Blick auf die Geschichte des Kunststoffs als Material für Gebrauchsgegenstände ermöglichen, sondern auch einen Raum für Fragen nach dem Umgang des Menschen mit neuen Freiheiten und ihren Grenzen eröffnen.

“Kunststoff – Zauberstoff: Freiheit und Grenzen der Gestaltung”  wird am Samstag, 17. Juni, im HfG-Archiv, Am Hochsträß 8, 89081 Ulm eröffnet und läuft bis Sonntag, 7. Januar. Weitere Informationen finden Sie unter https://hfg-archiv.museumulm.de.

The Sinus ashtray by Walter Zeischegg in the colours of the olympic Games, 1961, part of Plastic Material − Magic Material: Freedom and limits of design at the HfG-Archiv, Ulm (Photo Oleg Kuchar, courtesy HfG-Archiv, Ulm)

Der Sinus-Aschenbecher von Walter Zeischegg in den Farben der Olympischen Spiele, 1961, Teil von “Kunststoff – Zauberstoff: Freiheit und Grenzen der Gestaltung”  im HfG-Archiv, Ulm (Foto Oleg Kuchar, mit freundlicher Genehmigung des HfG-Archivs, Ulm)

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