„Retrotopia. Design for Socialist Spaces“ im Kunstgewerbemuseum, Berlin

“Retrotopia. Design for Socialist Spaces” im Kunstgewerbemuseum, Berlin

Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass die meisten Menschen in Westeuropa immer noch eine sehr stereotype, verzerrte, wenn nicht gar voreingenommene Sicht auf das osteuropäische Design des späten 20.Jahrhunderts haben.

Mit “Retrotopia. Design for Socialist Spaces” liefert das Kunstgewerbemuseum Berlin in Zusammenarbeit mit zahlreichen Museen und Institutionen aus ganz Osteuropa eine Einführung in die Architektur und das Design der Nachkriegszeit aus Kroatien, der Tschechischen Republik, Ostdeutschland, Estland, Ungarn, Litauen, Polen, der Slowakei, Slowenien und der Ukraine und lädt so dazu ein, sich einer fundierten Position anzunähern.

A wooden chair by Viktor Holešťák-Holubár (l) and Vojtech Vilhan & Ján Bahna's chair for the Government lounge at Bratislava Airport (r), as seen at Retrotopia. Design for Socialist Spaces at the Kunstgewerbemuseum, Berlin

Ein Holzstuhl von Viktor Holešťák-Holubár (l) und der Stuhl von Vojtech Vilhan & Ján Bahna für die Regierungslounge am Flughafen Bratislava (r), zu sehen in  “Retrotopia. Design for Socialist Spaces” im Kunstgewerbemuseum, Berlin

Wie an dieser Stelle schon oft erörtert, meist im Zusammenhang mit Ostdeutschland, wurde mit dem Fall des Eisernen Vorhangs schnell das Narrativ etabliert, dass der Westen den Osten und damit der Kapitalismus den Sozialismus besiegt habe. Eine Denkweise und Auffassung von Überlegenheit der westeuropäischen Nationen gegenüber denen des Ostens, die sich im Laufe der 1990er und 2000er Jahre unter den Westeuropäern weiter verfestigte, als Bürger des ehemaligen Ostens auf der Suche nach Arbeit in den Westen gingen und ausnahmslos schlechte Bezahlung, Ausbeutung und Diskriminierung erfuhren. Diese Situation war im Wesentlichen kolonialistisch und wohl auch rassistisch. Verstärkt wurde dieses Überlegenheitsdenken durch die damals im Westen weit verbreitete Auffassung, die Länder Osteuropas befänden sich in einem Zustand des Verfalls der Infrastruktur, der Umweltzerstörung und der allgemeinen Armut. Zwar war diese Sichtweise nicht völlig falsch, sie rechtfertigte aber nicht die damit verbundene Herabwürdigung und Verunglimpfung der Nationen und ihrer Bürger als minderwertig gegenüber denen des Westens. Nicht zuletzt deshalb, weil diese Sichtweise den Westen dazu zwang, seine eigenen sozialen, wirtschaftlichen, ökologischen und infrastrukturellen Probleme aktiv zu leugnen. Es bot sich so für viele eine Gelegenheit, von unangenehmen Wahrheiten abzulenken, indem man mit dem Finger auf den Osten zeigte.

Glücklicherweise ändert sich das langsam. Immer mehr Westeuropäer entwickeln ein realistisches und reflektierteres Verständnis für die Länder, Völker, Kulturen und die Geschichte Osteuropas. Es wird zunehmend auf osteuropäische Stimmen gehört, statt auf das westeuropäische Mansplaining. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg: Die Kluft, die zwei Generationen der Trennung und der giftigen Propaganda auf beiden Seiten erzeugt haben, kann nicht in einer Generation überwunden werden.

Design kann als Bestandteil dieses Prozesses eine wichtige und sinnvolle Rolle spielen, nicht zuletzt durch die Verbindungen zwischen Objekten und den Gesellschaften, in denen sie entstehen. Denn Objekte erzählen immer etwas über die kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen, politischen und technologischen Kontexte, in denen sie entstehen: Die Artefakte des späten 20. Jahrhunderts in Kroatien, Polen oder der Ukraine unterscheiden sich nicht von den Artefakten des späten 20. Jahrhunderts in Irland, Schweden oder Portugal, sie sind nur viel neuer. Sehr oft sind sie noch in Gebrauch. Ein Umstand, der sie besonders lehrreich und interessant macht. So wird Design zu einem besonders guten und geeigneten Werkzeug, um ein Verständnis einer bestimmten Nation oder Gesellschaft zu erlangen.

Das Problem ist, dass die meisten Menschen in Westeuropa immer noch eine sehr stereotype, verzerrte, wenn nicht gar voreingenommene Sicht auf das osteuropäische Design des späten 20. Jahrhunderts haben. Die lange angenommene Überlegenheit des Westens wird mühelos auf unser Verständnis von Design übertragen: Osteuropäisches Design der Nachkriegszeit  wird als minderwertiger angesehen, oft als eine karikaturhafte Nachahmung des Designs aus Westeuropa. Bevor wir uns also anhand des Designs einem  Verständnis Osteuropas nähern, müssen wir lernen, Design aus Osteuropa besser zu verstehen, zu analysieren und zu verorten.1

Und wie die Ausstellung deutlich macht, gibt es eine Menge zu lernen

Photos of works by Iosif Karakis and Irma Karakis including a model of Iosif Karakis's proposal for Troieshchyna, Kyiv, as seen at Retrotopia. Design for Socialist Spaces at the Kunstgewerbemuseum, Berlin

Fotos von Werken von Iosif Karakis und Irma Karakis, einschließlich eines Modells von Iosif Karakis‘ Entwurf für Trojeschtschyna, Kiew, zu sehen bei “Retrotopia. Design for Socialist Spaces” im Kunstgewerbemuseum, Berlin

“Retrotopia” ist eine Ausstellung in zwei Teilen, die mit einer Plakat- und Vitrinenausstellung beginnt. Eine von Mari Laanemets von der Estnischen Kunstakademie in Tallinn kuratierte Ausstellung, die nicht nur einige der Netzwerke, Institutionen und Designschulen vorstellt, die in dieser Zeit eine Schlüsselrolle spielten, sondern auch kurz die Ausstellungen und Messen untersucht, die im In- und Ausland stattfanden. Außerdem werden die Diskurse, die in den jeweiligen Ländern und Jahrzehnten geführt und propagiert wurden, und eine breite Palette von Protagonisten vorgestellt.

Diese Plakat- und Vitrinenausstellung beschäftigt sich also gewissermaßen mit den Ökosystemen, in denen sich Design in Kroatien, Tschechien, Ostdeutschland, Estland, Ungarn, Litauen, Polen, der Slowakei, Slowenien und der Ukraine im späten 20.Jahrhunderts entwickelte. So werden die Besucher auf sehr anschauliche Weise in die infrastrukturellen und konzeptionellen Hintergründe des Designs in den jeweiligen Ländern eingeführt. Außerdem werden Verbindungen zwischen den verschiedenen Nationen, als auch Unterschiede und Divergenzen herausgestellt.

Diese Einführung in die infrastrukturellen und konzeptionellen Hintergründe können die Ausstellungsbesucher dann in den zweiten Teil von “Retrotopia” mitnehmen, der wiederum  eine Einführungen in die eher praktischen, greifbaren Aspekte des osteuropäischen Designs bietet.

An exercise developed by Oskar Hansen for his workshops at the Academy of Fine Arts, Warsaw, as seen at Retrotopia. Design for Socialist Spaces at the Kunstgewerbemuseum, Berlin

Eine von Oskar Hansen für seine Workshops an der Akademie der Schönen Künste,  Warschau, entwickelte Übung, zu sehen in “Retrotopia. Design for Socialist Spaces” im Kunstgewerbemuseum, Berlin

Die Präsentation des zweiten Teils hat uns, um ehrlich zu sein, zunächst etwas überfordert: Das Ausstellungskonzept und -design sieht vor, dass jede Nation ihren eigenen Bereich erhält. Dieser Bereich ist dann wiederum in zwei Präsentationen aufgeteilt, eine über die Gestaltung privater Räume, eine über die Gestaltung öffentlicher Räume. Das war zunächst sehr verwirrend, weil ein kuratorischer Leitfaden fehlte und keine inhärente, narrative Struktur ersichtlich wurde. Allmählich findet man sich als Ausstellungsbesucher aber zurecht und erkennt, dass es genau so ist, wie es sein sollte, weil es so war: Das Osteuropa des späten 20. Jahrhunderts war keine homogene Masse, die man schnell mit universellen Begriffen erklären kann. Das Format wird gerade dieser Tatsache gerecht. 

Zumindest dann, wenn man es versteht und zu nutzen lernt. Man wird nicht von einer kuratorischen Erzählung geleitet, nicht in Begleitung eines Kurators und nach einer kuratorischen Karte auf eine Reise durch das Design des späten 20. Jahrhunderts in Osteuropa mitgenommen, sondern kann sich seine eigene Reise zusammenstellen, indem man zwischen zahlreichen kuratorischen Erzählungen hin- und herspringt: und es gibt viele kuratorische Erzählungen, wenn wir richtig gerechnet haben. “Retrotopia” ist das Ergebnis von Beiträgen von etwa 20 Kuratoren aus etwa 19 Museen und Institutionen, was bedeutet, dass es sehr viele unterschiedliche Wege gibt, auf denen man sich der Ausstellung nähern und durch sie navigieren kann. Als Ausstellung versucht “Retrotopia” eine Einführung in Themen, Momente, Positionen und Praktiken zu geben und überlässt es dann dem Besucher, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Und das gelingt ihr sehr gut.

Das bedeutet aber auch, dass es viel zu lesen gibt. Unheimlich viel – was abschreckend sein kann.

Aber der Ausstellungsbesucher sollte unbedingt dabei bleiben und seinen eigenen Schwerpunkt finden. Man sollte den Rest ausblenden, wenn es sein muss und nicht glauben, dass man sich mit allem bis ins kleinste Detail befassen muss. Einige Teile werden einen mehr interessieren als andere, das ist unvermeidlich und wohl auch wünschenswert, bei einer so erfreulich breit angelegten und inhaltlich abwechslungsreichen Präsentation. Bleibt man dran und findet seinen Weg durch die Ausstellung, entdeckt man, dass “Retrotopia” eine jener Ausstellungen ist, bei der es weniger um die ausgestellten Objekte geht, als um die unzähligen Geschichten, Positionen und Momente, zu denen die Objekte Zugang gewähren. Die Objekte sind nur eine Einführung, der Anfang von etwas, das die Ausstellungsbesucher nach Belieben weiterentwickeln und extrapolieren können. Es geht nicht wirklich um die Objekte, die zu betrachten sind.

Wie immer bedeutet das nicht, dass man sich nicht an den Objekten als solchen erfreuen und sich mit ihnen beschäftigen kann, aber es bedeutet, dass man sich nicht von ihnen ablenken lassen sollte.

Sándor Mikó’s 1969 chair for the Te + Én espresso bar in Budapest, next to a curtain design by Irén Bódy, as seen at Retrotopia. Design for Socialist Spaces at the Kunstgewerbemuseum, Berlin

Sándor Mikós Stuhl aus dem Jahr 1969 für die Espressobar Te + Én in Budapest, neben einem Vorhangentwurf von Irén Bódy, zu sehen bei “Retrotopia. Design for Socialist Spaces”  im Kunstgewerbemuseum, Berlin

Hier ist leider zu wenig Zeit um den Begriff „Retrotopia“ im Kontext von Zygmunt Bauman, István Rév, William Morris, Kraftclub und anderen zu diskutieren. Führen Sie diese Diskussion aber bitte auf eigene Faust. Wir können hier auch nicht in allen Einzelheiten erörtern, warum uns die Verwendung des Begriffs als Ausstellungstitel missfällt. Deshalb möchten wir nur darauf hinweisen, dass Anna Maga vom Nationalmuseum Warschau im Ausstellungskatalog festgehalten hat, dass in den vorbereitenden Gesprächen mit beteiligten Designern und Designerinnen, die in den Jahrzehnten vor 1989 in Polen tätig waren, viele „den Begriff Utopie nur ungern akzeptierten“ und argumentierten, dass für sie, „Design nichts mit Utopie zu tun hat“.3

Wir haben allerdings ähnliche Probleme mit dem „Retro“-Teil.

Nicht zuletzt deshalb, weil man Wörter nicht von ihrem Verwendungskontext trennen kann, und unabhängig davon, wie „retro“ in anderen Kontexten verstanden werden mag oder nicht, hat „retro“ im Zusammenhang mit unseren Gegenständen des täglichen Gebrauchs eine ganz bestimmte Bedeutung. Es gibt nur sehr wenige Wörter, die in ihrem allgemeinen Sprachgebrauch und Verständnis im Zusammenhang mit unseren Gebrauchsgegenständen so aggressiv diametral zu „Design“ stehen wie „retro“. Und angesichts der Tatsache, dass ein Teil des Problems der allgemein verzerrten Wertschätzung von Design aus Osteuropa des späten 20. Jahrhunderts darin besteht, dass es allgemein als etwas Minderwertiges, etwas Karikaturistisches, etwas Lustiges, Wegwerfbares, Modisches, etwas, das keinen Wert vermittelt, etwas aus einer vergangenen Zeit, das keine zeitgenössische Relevanz hat, etwas „Retro“, angesehen wird, neigt seine Verwendung im Titel dazu, zu implizieren, dass „Retrotopia“ den Status quo verstärken wird. Das tut die Ausstellung aber nicht. Sie stellt den Status quo durchaus in Frage und fordert aktiv dazu auf, daran teilzuhaben. Dennoch (sollten wir es nicht übersehen haben) gibt es weder in der Ausstellung noch im Katalog eine Diskussion über den Titel der Ausstellung und seine Beziehung zum Inhalt. Was unserer Meinung nach wichtig wäre, um Verwirrung zu vermeiden, für all jene, die sich nicht die Zeit nehmen die Texte zu lesen und die Objekte nur als Objekte betrachten. 

Zumal die Ausstellung in Berlin stattfindet, einer Stadt, die jeden Sommer voller Touristen ist, die sich an den Schrecken und Perversionen der DDR-Diktatur erfreuen, die der leichten Toxizität der Ostalgie, der DDR als Retrotopie auf den Leim gehen, anstatt diese Geschichte des europäischen Kontinents als eine gemeinsame Geschichte zu erforschen, zu der die Länder des Ostens genauso viel beigetragen haben wie die Länder des Westens.

„Retrotopia“ bietet Gelegenheit zu genau dieser Erforschung, nicht zuletzt durch die geografischen und chronologischen Verknüpfungen, und die vertrauten Positionen und Utopien, die in Kontexten behandelt werden, die oft ungewohnt, unbekannt sind für alle, die sich nie mit dem Osteuropa des späten 20.Jahrhunderts beschäftigt haben.

Bruno Tomberg's modular furniture system developed for the 1969 Ruum ja Vorm exhibition in Tallinn, as seen at Retrotopia. Design for Socialist Spaces at the Kunstgewerbemuseum, Berlin

Bruno Tombergs modulares Möbelsystem, entwickelt für die Ausstellung Ruum ja Vorm 1969 in Tallinn, zu sehen in “Retrotopia. Design for Socialist Spaces” im Kunstgewerbemuseum, Berlin

Im Booklet zum praktischen Teil von „Retrotopia“ spricht Claudia Banz, die federführende Kuratorin der Ausstellung im Kunstgewerbemuseum Berlin, von der Plakat- und Vitrinenausstellung als Retrotopia-Archiv. Wir würden jedoch behaupten, dass „Retrotopia“ als Ausstellung sehr stark an ein digitales Archiv erinnert, und wir können uns gut vorstellen, dass es hervorragend als Online-Ressource mit zahlreichen Verlinkungen funktionieren würde. Die Menge an Lesestoff könnte dann auch eher ermutigend als entmutigend wirken.

Aber auch als physische Ausstellung ist „Retrotopia“ eine sehr nützliche Ressource, die nicht nur in Bezug auf Objekte, Gattungen und Positionen, sondern auch thematisch sehr vielfältig ist; und die, abgesehen von den zahllosen Einführungen, die sie ermöglicht, auf sehr befriedigende Weise neue Perspektiven eröffnet, den eigenen Blickwinkel erweitert.

Am erfreulichsten ist vielleicht, dass die Ausstellung dem Design aus Osteuropa ohne Frage erlaubt, dem Design des Westen gleichgestellt zu sein. Diese Position auf Augenhöhe wurde ihm lange verweigert und wird ihm allzu oft noch immer verweigert. Eine Situation, die sich nach Ansicht von „Retrotopia“ ändern muss. Dringend.

Dieses Argument wird in der Ausstellung durch die Menge des zu lesenden Materials elegant untermauert. Es wird deutlich, wie viel Einführungs- und Erklärungsarbeit noch geleistet werden muss, damit solche Textmengen nicht mehr notwendig sind. Damit wir alle mit den Protagonisten und den Institutionen vertraut sind. Damit Design aus Osteuropa des späten 20. Jahrhunderts unkommentiert neben Design aus Westeuropa des späten 20. Jahrhunderts stehen kann, einfach als Bestandteil ein und derselben Erläuterung oder Argumentation. In diesem Zusammenhang hoffen wir, dass sich andere Museen im Westen Europas motiviert fühlen, ihre eigene Position zu osteuropäischen Design des späten 20. Jahrhunderts zu hinterfragen und den Staffelstab des Kunstgewerbemuseums Berlin zu übernehmen

Es gibt viel zu entdecken. Es gibt viel zu lernen und vieles zu korrigieren.

„Retrotopia“ kann nur ein Anfang sein, eine Einführung. Und als solche, als Einführung, ist die Ausstellung sehr gelungen und zufriedenstellend. Sie ist auch eine unmissverständliche, klar formulierte und leicht verständliche Aufforderung an uns alle, uns auf den Weg nach Kroatien, Tschechien, Ostdeutschland, Estland, Ungarn, Litauen, Polen, der Slowakei, Slowenien und der Ukraine zu machen und die Designgeschichten dieser Länder zu erkunden und die Punkte von Ost nach West und von West nach Ost zu verbinden und sich so einer sinnvolleren Position zum Design des späten 20. Jahrhunderts zu nähern. 

„Retrotopia. Design for Socialist Spaces“ läuft im Kunstgewerbemuseum, Matthäikirchplatz, 10785 Berlin bis Sonntag, den 16.Juli.

Ausführliche Informationen, u.a. zu Öffnungszeiten, Ticketpreisen, aktuellen Hygieneregeln und dem begleitenden Rahmenprogramm, finden Sie unter: www.smb.museum/retrotopia

Darüber hinaus ist eine Begleitpublikation mit kurzen Essays aller Kuratoren erhältlich, die die vielen Worte der Ausstellung vertiefen.

Sándor Mikó’s 1969 chair for the Te + Én espresso bar in Budapest, next to a curtain design by Irén Bódy, as seen at Retrotopia. Design for Socialist Spaces at the Kunstgewerbemuseum, Berlin

Sándor Mikós Stuhl aus dem Jahr 1969 für die Espressobar Te + Én in Budapest, neben einem Vorhangentwurf von Irén Bódy, zu sehen bei „Retrotopia. Design for Socialist Spaces“ im Kunstgewerbemuseum, Berlin

DDR era posters and Branka Tancig’s 1950s kitchen design, as seen at Retrotopia. Design for Socialist Spaces at the Kunstgewerbemuseum, Berlin

Plakate aus der DDR-Zeit und das Küchendesign von Branka Tancig aus den 1950er Jahren, zu sehen bei „Retrotopia. Design for Socialist Spaces“ im Kunstgewerbemuseum, Berlin

Works by Viktor Holešťák-Holubár, as seen at Retrotopia. Design for Socialist Spaces at the Kunstgewerbemuseum, Berlin

Werke von Viktor Holešťák-Holubár, zu sehen bei „Retrotopia. Design for Socialist Spaces“ im Kunstgewerbemuseum, Berlin

1. Und das wohl nicht nur im Westen Europas, sondern möglicherweise auch im Osten. Oder anders ausgedrückt: Wir sind so sehr damit beschäftigt, den Westen zu beschimpfen, dass wir keine Zeit haben, den Osten zu beschimpfen; aber es gibt wohl ausnahmslos viele in Osteuropa, die der vom Westen propagierten Verunglimpfung des Designs in und aus Osteuropa auf den Leim gegangen sind und/oder die in den 1990er Jahren alles, was vor 1989 war, als Teil ihrer generellen Ablehnung des alten Systems abgelehnt haben und die heute, in Ermangelung einer besseren Formulierung, ein westliches Verständnis von östlichem Design haben. Und so können wir uns gut vorstellen, wir wissen es nicht, würden uns aber nicht wundern, wenn die Situation in Ostdeutschland, die Klára Němečková vom Kunstgewerbemuseum Dresden im Rahmen der Ausstellung German Design 1949-1989. Zwei Länder, eine Geschichte beschrieben hat, nicht ebenso für die gesamte Region gelten würde, würde es nicht überraschen, wenn diese Realität, in der, wie Němečková feststellte, „im ehemaligen Osten die Menschen oft überrascht sind, die materielle Kultur der DDR, die nach 1990 weitgehend abgelehnt wurde, in einem musealen Kontext zu sehen, sie zu loben und als gutes Design zu präsentieren“, nicht ebenso leicht für das Design anderswo in Osteuropa gelten würde. Und das ist ein weiterer Aspekt, den es anzusprechen gilt, die Rezeption der in „Retrotopia“ gezeigten Objekte in ihren Herkunftsländern.

2. Nicht alle Institutionen werden in „Retrotopia“ in ihrer Muttersprache besprochen, aber viele schon, und wo das der Fall ist, verwenden wir die muttersprachlichen Namen, weil man sie braucht, um sie online zu recherchieren. Und das müssen Sie tun. Und auch, weil wir hier in Westeuropa viel weniger Angst vor der Sprache und den Buchstaben Osteuropas haben müssen. Und hören Sie auf, die Sprachprobleme als Ausrede zu benutzen, um nicht mehr über Osteuropa zu lernen.

3. Anna Maga, Utopia: Love it or leave it?, in Claudia Banz [Hrsg.], „Retrotopia. Design für sozialistische Räume“, Verlag Kettler, Dortmund, 2023

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