5 neue Architektur- und Designausstellungen im November 2023

Im Frühjahr verkündete der haitianische Musiker Wyclef Jean, dass er „bis November“ weg sein werde.

Offenbar war er den ganzen Sommer über damit  beschäftigt genug Geld zu verdienen, um Wohnblocks zu kaufen und hatte deshalb bestimmt keine Gelegenheit, ein Architektur- oder Designmuseum zu besuchen. Wir  vermuten daher, dass es ihm jetzt ein Bedürfnis ist, seine kognitiven Fähigkeiten anzuregen.

Unsere fünf Empfehlungen für neue Ausstellungen, die im November 2023 in Wien, Oslo, Brünn, Krefeld und Ljubljana eröffnet werden, richten sich an Wyclef Jean und an alle, die neue Perspektiven auf Architektur, Design und die Welt um uns herum kennen lernen möchten.

5 New Architecture & Design Exhibitions for November 2023

„Sterne, Federn, Quasten: Die Wiener-Werkstätte-Künstlerin Felice Rix-Ueno“ im Museum für Angewandte Kunst – MAK, Wien, Österreich

Mitten in der Zeit der Corona-Pandemie präsentierte das Museum für Angewandte Kunst (MAK) in Wien eine Ausstellung über die Beiträge von Frauen zu den berühmten Wiener Werkstätten. Die Wiener Werkstätten spielen eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung vom Jugendstil zum Funktionalismus – eine Rolle, die normalerweise nur Männern zugeschrieben wird. Das MAK bemühte sich, dieses Narrativ zu widerlegen. Bedauerlicherweise konnten aufgrund der Corona Pandemie nicht so viele Menschen diese Ausstellung sehen.

Die Dekonstruktion solcher Erzählungen sollte jedoch weiterhin verfolgt werden, ebenso wie die Versuche, die Geschichte des Designs zu erweitern und zu vertiefen. Einen wichtigen Beitrag dazu liefert die Ausstellung „Sterne, Federn, Quasten: Die Wiener-Werkstätte-Künstlerin Felice Rix-Ueno“, die sich, wie der Titel bereits verrät, mit der Wiener Werkstätte-Künstler Felice Rix-Ueno befasst. Felice Rix-Ueno, die 1893 in Wien geboren wurde, trat 1914 als Schülerin von Josef Hoffmann in die Werkstätten ein und blieb der Institution bis zu ihrer Auflösung im Jahr 1932 treu. In dieser Zeit entwarf sie nicht nur eine breite Palette von Textilien und Grafiken, sie entwickelte auch ihr Talent als Wandmalerin und spielte eine zentrale Rolle bei der Innengestaltung der Werkstättenräume.

Ihre Beziehung zu den Wiener Werkstätten dauerte bis 1932 an, obwohl sie 1925 Isaburo Ueno heiratete und nach Kyoto umzog. Rix-Ueno reiste regelmäßig zwischen Kyoto und Wien, um dort zu arbeiten. In Japan setzte sie ihre Karriere parallel zu ihrer Wiener Karriere fort, auch nach der Auflösung der Werkstätten. Sie war an gemeinsamen Projekten mit ihrem Mann beteiligt und arbeitete unabhängig in verschiedenen Bereichen, wie beispielsweise dem Textilforschungsinstitut in Kyoto. Außerdem war sie als Professorin Mitglied des Lehrkörpers an der Kyoto School of Arts, wo sie „Farbe und Komposition“ unterrichtete.

Felice Rix-Ueno verstarb 1967 in Kyoto. Ihr Leben und ihr Werk ermöglichen nicht nur differenzierte Perspektiven auf die Geschichte der Wiener Werkstätten und des Designs in Europa, sondern liefern auch einen äußerst interessanten und bedeutsamen Beitrag im Kontext der kreativen Beziehungen zwischen Japan und Europa. 

Die Ausstellung „Sterne, Federn, Quasten“ präsentiert etwa 200 Objekte von Rix-Ueno und einige ihrer Schwester Kitty Rix und trägt dazu bei, dass Felice Rix-Ueno ihren Platz in der Geschichte des Designs zurückerobert.

„Sterne, Federn, Quasten: Die Wiener-Werkstätte-Künstlerin Felice Rix-Ueno“ wird am Mittwoch, den 22. November, im Museum für Angewandte Kunst – MAK, Stubenring 5, 1010 Wien, eröffnet und ist bis Sonntag, den 21. April, zu sehen. Weitere Informationen finden Sie unter www.mak.at.

Felice Rix-Ueno (1893–1967), here ca 1925 (Photo anonymous, courtesy and © MAK Wien)

Felice Rix-Ueno (1893-1967), hier um 1925 (Foto anonym, mit freundlicher Genehmigung und
© MAK Wien)

„Hand and Machine Architectural Drawings“ im Nationalmuseum, Oslo, Norwegen

So lange, wie es die Architektur gibt, gibt es auch schon die Architekturzeichnung. Sie war nicht nur schon immer ein bedeutender Bestandteil der Art und Weise, wie Architekten und Architektinnen ihre Pläne der Öffentlichkeit präsentieren, sondern spielte auch eine wesentliche Rolle bei der Gestaltung der Beziehung zwischen Architektur und Gesellschaft. Sie ermöglichte es der Architektur, physisch greifbar zu werden, aber auch theoretisch als visionäre Praxis zu bestehen.

Mit den Jahrhunderten hat sich die Architekturzeichnung genauso gewandelt wie die Architektur selbst. Man denke beispielsweise an die Montagen der großen Architekturstudios, die nicht nur mit der Architektur der Vergangenheit brachen, sondern auch mit der gängigen Art der Architekturzeichnung. Seit den 1990er Jahren hat die Architekturzeichnung mit dem Aufkommen der Computertechnik zunehmend die Form eines computergenerierten Bildes und Renderings angenommen, wenn auch oft mit dem Anschein einer Handzeichnung von einst. Dies könnte Anlass dazu geben, die Aufrichtigkeit zeitgenössischer Architekturzeichnungen und somit zeitgenössischer Architektur zu hinterfragen.

Dabei handelt es sich nur um eine von vielen Fragen, denen sich die Ausstellung „Hand and Machine Architectural Drawings“ widmet. Sie präsentiert Zeichnungen von mehr als 40 norwegischen und internationalen Büros, die seit 2008 entstanden sind. Dieser Zeitraum war geprägt von den Auswirkungen der Finanzkrise von 2008 und der COVID-19-Pandemie in den 2020er Jahren. Diese Ereignisse haben nach Ansicht der Kuratoren zu Veränderungen in der Arbeitsweise der Architektinnen und Architekten, des Verständnisses der gebauten Umwelt und den Anforderungen an diese geführt. Die Ausstellung fällt auch in eine Zeit, die den Aufstieg der sozialen Medien, insbesondere von Instagram, als Kanäle für die digitale Verbreitung von Architekturzeichnungen markiert.

Die Ausstellung sollte auch zur Überlegung anregen, was passiert, wenn die „Hand“ des Ausstellungstitels ganz verschwinden sollte. Wohin werden KI-generierte Zeichnungen und Erzählungen die Architektur führen? Wie werden diese Technologien Architektinnen und Architekten dabei unterstützen, ihre Visionen in die Öffentlichkeit zu tragen?

Auf diese Weise kann die “bescheidene Architekturzeichnung” den Zugang zu Fragen der zeitgenössischen und zukünftigen Architektur ermöglichen und gleichzeitig ihre Bedeutung im Zentrum der Architektur unterstreichen.

Die Ausstellung „Hand and Machine Architectural Drawings“ wird am Freitag, den 17. November, im Nationalmuseum, Bankplassen 3, 0151 Oslo, eröffnet und ist bis Sonntag, den 31. März zu sehen. Weitere Einzelheiten finden Sie unter www.nasjonalmuseet.no.

Bathing Cliff by Arkitekt Folstad, Knut, 2018, part of Hand and Machine Architectural Drawings, The National Museum, Oslo (photo courtesy The National Museum, Oslo)

Bathing Cliff von Arkitekt Folstad, Knut, 2018, ein Teil von „Hand and Machine Architectural Drawings“, The National Museum, Oslo (Foto mit freundlicher Genehmigung von The National Museum, Oslo)

„Made by Fire“ in der Moravská Galerie, Brünn, Tschechien

Die Ausstellung „Made by Fire“ ist das Ergebnis einer Kooperation zwischen der Moravská Galerie in Brünn und dem Prager Designfestival Designblok. Nach ihrer Premiere in Mailand im Oktober 2023 wird sie nun in Brünn präsentiert. Sie zeigt über 100 Werke von 40 zeitgenössischen Glasmachern und Keramikern aus Tschechien. Diese Werke bieten nicht nur einen Überblick über zeitgenössische Positionen und Herangehensweisen in den Bereichen Glas und Keramik, sondern beleuchten auch vier allgemeine Themen: Industrie, Anpassung, Identität und Experiment. Zudem gewährt die Ausstellung Einblicke in die zeitgenössische Glasherstellung und Keramik im Hinblick auf die Relevanz handwerklicher Produktion im 21. Jahrhundert, die Rolle historischer Formen, die Gesundheit des tschechischen Glas- und Keramikhandwerks, das einen festen Platz in der nationalen Identität einnimmt, und aktuelle Umweltfragen. Weder die Glasherstellung noch die Keramikherstellung zeichnen sich durch geringen Ressourcenverbrauch oder ökologische Nachhaltigkeit aus. Dies wirft die Fragen auf: Können wir den Verbrauch der Glas- und Keramikindustrie noch rechtfertigen? Gibt es Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung in diesen Branchen? Und welche Alternativen stehen zur Verfügung?

Die Ausstellung „Made by Fire“ regt nicht nur dazu an, über die Notwendigkeit und Rechtfertigung von Glas- und Keramikherstellung nachzudenken, sondern sie verdeutlicht auch, dass die Entwicklung, Herstellung und Bereitstellung unserer Alltagsgegenstände immer im Kontext der aktuellen technischen, politischen und ökologischen Gegebenheiten erfolgen und somit niemals passive Bestandteile der Gesellschaft sind.

Zusätzlich bietet die Ausstellung die Möglichkeit, eine breite Palette zeitgenössischer Glas- und Keramikarbeiten zu genießen und Künstler verschiedener Richtungen kennenzulernen.

Die Ausstellung „Made by Fire“ wird am Freitag, den 17. November, in der Moravská Galerie, Husova 536, 662 26 Brünn, eröffnet und ist bis Samstag, den 31. August zu besichtigen. Weitere Informationen finden Sie unter https://moravska-galerie.cz.

Made by Fire, the Moravská Galerie, Brno

„Made by Fire“, Moravská Galerie, Brno

„Die große Verführung: Karl Ernst Osthaus und die Anfänge der Konsumkultur“ im Kaiser Wilhelm Museum, Kunstmuseen Krefeld, Deutschland

Obwohl Karl Ernst Osthaus heutzutage vor allem als Gründer des zeitgenössischen Folkwang Museums in Essen bekannt ist, das eine umfangreiche Sammlung von Kunstwerken des 19. und 20. Jahrhunderts beherbergt, war er eine der einflussreichsten, bedeutendsten Figuren in der Entwicklung des Designs in Deutschland und – im übertragenen Sinne – in Europa in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts. Und das, obwohl er selbst weder Designer noch Hersteller war.

Karl Ernst Osthaus war vielmehr ein Mäzen, ein Förderer, ein Fürsprecher für innovative Ideen und Ansichten, die Klarheit, Reduktion und industrielle Produktionsmöglichkeiten in den Fokus rückten. Dies geschah um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Er förderte nicht nur die Karrieren von Künstlern wie Peter Behrens, Jan Thorn Prikker, Bruno Taut und Henry van der Velde, sondern war auch maßgeblich an der Gründung des Deutschen Werkbundes beteiligt, einer einflussreichen Stimme in den Debatten und Diskussionen über unsere Alltagsgegenstände in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Im Jahr 1909 gründete er zudem das sogenannte Deutsche Museum für Kunst in Handel und Gewerbe, das keine herkömmliche Sammlung war, sondern eine Vielfalt von Objekten aus verschiedenen kreativen Bereichen umfasste. Diese Sammlung wurde unter der Leitung von Osthaus von Künstlern wie Richard Riemerschmid, Josef Hoffmann und Walter Gropius zusammengestellt. Egal, ob es sich um Glas, Keramik, Textilien, Grafik oder Möbel handelte – diese Sammlung repräsentierte das Beste im zeitgenössischen Design. Ihr Ziel war, den Zeitgenossen eine „Geschmacksbildung“ zu ermöglichen und zur Erneuerung beizutragen. Tatsächlich war das Deutsche Museum in Wirklichkeit eine Wanderausstellung, die in verschiedenen Museen in ganz Deutschland gezeigt wurde, ähnlich wie das New Yorker Museum of Modern Art nach dem Zweiten Weltkrieg seine Ausstellung „Good Design“ in Kaufhäusern präsentierte und so die Moderne förderte und den Konsumismus voran trieb.

Nach dem Tod von Osthaus im Jahr 1921 wurden die Bestände des Deutschen Museums dem Kaiser Wilhelm Museum in Krefeld übertragen. Die Kunstmuseen Krefeld werden das Deutsche Museum jetzt in einer Ausstellung vorstellen. Diese Ausstellung bietet nicht nur Einblicke in die Geschichte des Deutschen Museums und Würdigungen dessen, was in den 1910er Jahren als zeitgemäß, vorbildlich und erstrebenswert galt. Sie reflektiert auch unsere eigene zeitgenössische Konsumkultur, die Fragen nach „gutem“ Design, „gutem“ Geschmack und Vorbildern aufwirft. Des Weiteren liefert sie eine objektive Analyse der Rolle der Medien bei der Gestaltung, Bereitstellung und Lieferung unserer Alltagsgegenstände. Die Ausstellung betont, dass die Beiträge von Instagram und TikTok als mediale Treiber der Konsumkultur nur die jüngste Manifestation einer lange etablierten Tradition sind. Sie bietet auch die Möglichkeit zur Reflexion über Museen als Vertreter der Gegenwart und Vergangenheit.

Die Ausstellung „Die große Verführung: Karl Ernst Osthaus und die Anfänge der Konsumkultur“ wird am Freitag, den 24. November, im Kaiser Wilhelm Museum, Joseph-Beuys-Platz 1, 47798 Krefeld, eröffnet und ist bis Sonntag, den 28. April zu sehen. Weitere Informationen finden Sie unter https://kunstmuseenkrefeld.de.

Elegante Welt by Hans Rudi Erdt, ca. 1912, part of The Grand Seduction. Karl Ernst Osthaus and the Beginnings of Consumer Culture, the Kaiser Wilhelm Museum, Kunstmuseen Krefeld (Image courtesy and © Kunstmuseen Krefeld)

Elegante Welt von Hans Rudi Erdt, ca. 1912, Teil der Ausstellung „Die große Verführung. Karl Ernst Osthaus und die Anfänge der Konsumkultur“, Kaiser Wilhelm Museum, Kunstmuseen Krefeld (Bild mit freundlicher Genehmigung und © Kunstmuseen Krefeld)

„Edvard Ravnikar“ im MAO, Ljubljana, Slowenien

Edvard Ravnikar war und ist einer der bedeutenden Doyens der slowenischen Architektur des 20. Jahrhunderts. Er zählte zu jenen Architekten, die als Studenten vor dem Krieg die internationale Moderne kennengelernt hatten und diese Ideen im Kontext des Nachkriegs-Sloweniens, das technisch gesehen zu Jugoslawien gehörte, umsetzten und interpretierten. Als Architekt und Stadtplaner realisierte er nicht nur Großprojekte wie das Konzert- und Kulturzentrum Cankarjev dom in Ljubljana, zahlreiche öffentliche Wohnungsbauprojekte der Nachkriegszeit oder das Gebäude der Ratsversammlung in Kranj, er hinterfragte zudem Ansätze in Architektur und Städtebau im Kontext der Realitäten des Nachkriegs-Sloweniens. Dadurch motivierte und inspirierte er jüngere Generationen, die Architektur, Stadtplanung und die gebaute Umwelt im Allgemeinen zu hinterfragen und neu zu denken. Nicht zuletzt wirkte er über 30 Jahre als Professor an der Fakultät für Architektur der Universität Ljubljana.

Die Ausstellung verspricht eine umfassende Erkundung von Ravnikars Leben und Werk anhand von vier Hauptthemen: seine zahlreichen Denkmäler aus den 1950er Jahren im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg, seine öffentlichen Gebäude in Kranj, seine Stadtplanungsprojekte sowie seinen Platz der Revolution, der heutige Platz der Republik in Ljubljana. Letzterer ist wohl sein bekanntestes Werk und steht in starkem Kontrast zum benachbarten Altstadtviertel. Er spiegelt auch das Slowenien und Jugoslawien der 1960er Jahre wider.

Die Präsentation umfasst Pläne, Skizzen, Fotografien, Modelle und andere Exponate. Diese werden durch Erinnerungen und Beiträge seiner Kollegen und Schüler ergänzt. Zudem gibt es Material zu seiner Lehre und Forschung. Die Ausstellung ermöglicht nicht nur eine umfassende Einführung in Edvard Ravnikar, sein Werk und seine Bedeutung, sondern auch eine differenzierte zeitgenössische Würdigung und möglicherweise eine Neubewertung eines Architekten und Stadtplaners, der heute weitaus bekannter sein sollte. Er hat nach wie vor viel zu den zeitgenössischen Diskursen in Slowenien und weit darüber hinaus beizutragen.

Die Ausstellung „Edvard Ravnikar“ wird am Donnerstag, den 30. November, im MAO, Grad Fužine, Rusjanov trg 7, 1000 Ljubljana, eröffnet und ist bis Donnerstag, den 30. Mai zu sehen. Weitere Informationen finden Sie unter https://mao.si.

Edvard Ravnikar (1907–1993)

Edvard Ravnikar (1907–1993)

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