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„Ich versichere Ihnen, dass Sie und Ihre Arbeit der Modellfall für das sind, wonach das Bauhaus gesucht hat“, schrieb Walter Gropius im April 1965 an Wilhelm Wagenfeld.

Wie Wilhelm Wagenfeld diesen „Modellfall“, zumindest in Bezug auf ein Designgenre, entwickelt hat, untersucht die Ausstellung „Wilhelm Wagenfeld: Leuchten“ im Wilhelm Wagenfeld Haus Bremen.

Tropfen (l) & Düren (r) by Wilhelm Wagenfeld for Glashütte Peill & Putzler, as seen at Wilhelm Wagenfeld: Lamps, Wilhelm Wagenfeld Haus, Bremen

Treue Leser wissen, dass wir uns häufig über die Monotonie und Homogenität auf Möbelmessen beklagen. Dieselbe Beobachtung machte aber auch jemand anderes. In seinem 2015 erschienenen Buch „Swedish Design: An Ethnography“ beschreibt der Anthropologe Keith M. Murphy einen Besuch der Stockholm Furniture Fair sinngemäß mit den Worten: „Das Problem war, dass sich Vieles so sehr ähnelte und ich habe mich in der Ausstellung nur schwer zurechtgefunden.“ Später fügt er hinzu: „Es werden nicht verschiedene Arten von Objekten gezeigt, sondern viele Objekte derselben Art.“2006 wie 2019. Interessanterweise bemerkt er weiterhin, man könne sich dem Eindruck nicht entziehen, Schweden stehe unter einer Tyrannei einfacher Formen und kräftiger Farben. Heutzutage sind es wahrscheinlich eher Pastelltöne, aber naja …

Das passiert nicht nur in Stockholm, sondern überall, wo sich die Möbelindustrie versammelt. Natürlich gibt es dafür diverse Gründe, die hier den Rahmen sprengen würden. Die Konsequenz ist jedenfalls, dass es auf jeder Möbelmesse zwar viele ansprechende Objekte gibt, sich diese aber wiederholen, stets die gleiche Sprache sprechen und so schnell langweilig werden. Trotzdem gibt es auch Produkte, die etwas Interessantes zu sagen haben und das auch noch intelligent, eloquent und ansprechend. Möglicherweise haben wir einige Schätze verpasst oder nicht verstanden, aber hier kommen unsere High 5 der Stockholm Furniture Fair.

Stockholm Furniture Fair 2019: High Five!!

Frankfurts damaliger Bürgermeister Ludwig Landmann schrieb 1926, eine neue Generation, ein neues Zeitalter, müsse Formen und Haltungen für ihre innere und äußere Welt entwickeln, die ihrem Wunsch nach Wohlbefinden und ihren Idealen entsprechen.1

Die Ausstellung „Moderne am Main 1919-1933“ im Museum Angewandte Kunst Frankfurt zeigt diese Entwicklungen in Frankfurt und Umgebung und beleuchtet besonders den Beitrag, den die Region zum Verständnis von Architektur und Design zwischen den Kriegen geleistet hat und das Erbe davon.

Moderne am Main 1919-1933 @ Museum Angewandte Kunst Frankfurt

Laut den in der Stadt großflächig verteilten Plakaten wollte die IMM Cologne 2019, „1000 Einrichtungsideen für Ihr Zuhause“ präsentieren. Das mag so gewesen sein. Wir haben aber nicht nachgezählt, denn welche Bedeutung hat diese Zahl, wenn die eigentlichen Ideen nicht sinnvoll, logisch und vertretbar sind? Jedenfalls können wir nicht bestätigen, dass es 1000 Ideen gab. Klar ist, dass die Grundidee der IMM Cologne 2019 „Konsolidierung“ war, das heißt die Präsentation bekannter Linien in verschiedenen Farben, Materialien, Höhen, Breiten, etc..

Das ist natürlich ein Kommentar, den wir immer öfter zu Möbelmessen abgeben, und wahrscheinlich wird dieser Eindruck am Ende auch dazu führen, dass wir nicht mehr teilnehmen. Wie immer wollen wir uns nicht beschweren. Es sollte aber nicht immer alles neu, neu, neu sein müssen – schließlich geht es um Möbel und nicht um Mode.

Allerdings gab es auf der IMM Cologne einige sehr intelligente, sinnvolle, logische und absolut gerechtfertigte Konsolidierungen. Trotz allem muss es auch Neues geben, denn einerseits entwickeln sich Technologie und Materialien immer wieder neu und Möbeldesigner, genauer gesagt die Designmöbelindustrie, ist verpflichtet, auf diese Veränderungen zu reagieren. Andererseits verändert sich auch die Gesellschaft immer wieder und so auch die Anforderungen, die wir an unsere Möbel stellen, sei es in funktionaler, ästhetischer oder ökologischer Hinsicht. Auf neue Realitäten zu reagieren, Konventionen herauszufordern, Lösungen zu präsentieren, ist die Grundlage dessen, was die Designmöbelindustrie und Möbeldesigner ausmacht, ihre Zukunft kann nur dort liegen.

In diesem Sinne und wie immer mit dem Hinweis, dass uns einiges entgangen sein mag, unsere High Five der IMM Cologne 2019.IMM Cologne 2019: High Five!!

Die französische Designerin Ionna Vautrin erreichte mit ihrer Binic Leuchte für den italienischen Hersteller Foscarini erstmals ein breites, internationales Publikum. Binic gehört zu den glorreichen, freudigen Momenten in der Geschichte des Lichtdesigns – ein charakterstarkes, aber doch von Eitelkeit freies Werk, universell einsetzbar und doch individuell.

Ionna Vautrin ist jedoch mehr als Binic: Schon vorher hatte die Designerin eine abwechslungsreiche, internationale Karriere, arbeitete mit vielen Designstudios zusammen und sammelte Erfahrungen in verschiedenen Designbereichen.

Um mehr über die Designerin zu erfahren, trafen wir uns mit Ionna Vautrin in Paris.

Ionna Vautrin

2016 veranstaltete Vitra mit einer eigenen Halle auf der Orgatec Köln gewissermaßen eine eigene Messe und teilte Raum und Ideen zur Zukunft der Arbeit mit vielen geladenen Gästen, Freunden und Familie. Das Konzept Work war offenbar erfolgreich, denn auf der Orgatec Köln 2018 wurde es erneut genutzt.

Vitra - Work, Orgatec Cologne 2018

Auf der Mailänder Möbelmesse 2018 geht es (zumindest unter den eher designorientierten Herstellern) im allgemeinen um Konsolidierung, das heißt vor allem um neue Materialien, neue Farben, leichte Änderungen an bestehenden Objekten.  Die eine oder andere Möbelfamilie präsentiert zudem stolz ihre neuesten Mitglieder. Kein Wunder, denn eine Mailänder Spezialität ist traditionell das Neue um des Neuen willen zu präsentieren – der Irrglaube man müsse jedes Jahr etwas Neues auf den Markt bringen. Das muss man nicht!

Man präsentiert etwas Neues, wenn man etwas Neues zu sagen hat, etwas beizutragen hat, das eine neue Bedeutung hat. Ein paar Projekte waren zu finden, die auch etwas Neues zu sagen haben, die etwas Neues, Sinnvolles beisteuern – wenn auch vielleicht gerade mal eine Handvoll. Sicherlich hätten wir ein weiteres Projekt hinzufügen können, um das Quintett vollständig zu machen. Einen Mangel an Kandidaten, aus denen wir hätten wählen können gab es nicht. Aber so wie wir nicht erwarten, dass die Hersteller etwas Neues, sondern um der Qualität willen veröffentlichen, so veröffentlichen wir auch nichts nur damit die Fünf vollständig sind…

Wie immer haben wir nicht alles gesehen, haben ohne Frage Sachen verpasst, die wir nicht hätten verpassen sollen – und bitten hierfür vorab um Entschuldigung. In diesem Sinne aber unsere „Mailänder Möbelmesse 2018: High Four!!“

Milan Furniture Fair 2018 High Five

Es ist wahrscheinlich zutreffend zu sagen, dass uns kein Objekt auf der IMM Cologne 2018 so verwundert hat wie der neue Stuhl 118 von Sebastian Herkner für Thonet. Nicht in einem schlechten Sinne, er hat uns einfach durcheinander gebracht. Schon klar – wer lässt sich schon von einem Stuhl durcheinander bringen. Uns passiert das aber regelmäßig, deshalb leben wir ja in diesem Chaos.

118 by Sebastian Herkner for Thonet, as seen at IMM Cologne 2018

Dem englischen Dramatiker und Komponisten Noël Coward wird nachgesagt, er habe einmal die Meinung geäußert, „dass ein perfekter Martini gemacht werden sollte, indem man ein Glas mit Gin füllt und es dann in die ungefähre Richtung Italiens schwenkt.“ Wir können nicht sagen, ob StudioFaubel aus München bei der Entwicklung ihres „Martini“ Sessels für die Müller Möbelfabrikation auf den Rat des großen Erzählers zurückgegriffen haben. Das Resultat ist aber ebenso zufriedenstellend…

 

Martini Sessel by StudioFaubel for Müller Möbelfabrikation, as seen at IMM Cologne 2018

Im Text „Die Kunst des Krieges“ des chinesischen Militärstrategen Sun Tzu heißt es:

 

Es gibt Straßen, die man nicht gehen soll.

Es gibt Armeen, die man nicht angreifen soll.

Es gibt Städte, die man nicht einnehmen soll.

Es gibt Gebiete, um die man nicht kämpfen soll.

Es gibt Befehle, die man nicht befolgen soll.

 

Wäre Sun Tzus Metier nicht die Kriegskunst, sondern Möbelmessen gewesen, hätte er mit Sicherheit hinzugefügt: Es gibt Objekte, die man nicht produzieren soll.

Die IMM Cologne 2018 ist voll mit solchen Produkten. Das ist nicht der Fehler der IMM; vielmehr ist das Problem in einer Industrie angesiedelt, die Utensilien für den menschlichen Bedarf liefert, Objekte die uns Tag und Nacht umgeben, unsere Abläufe, Sorgen, Triumphe und unsere zeitlich begrenzte Existenz begleiten. Nur tun sie das leider allzu oft nicht mit dem Ziel unsere direkte Umgebung zu verbessern, sei es in ästhetischer, funktionaler oder moralischer Hinsicht, sondern mit dem Ziel, Profit zu generieren. Das unausweichliche Resultat sind zahllose Marken, die alle verzweifelt versuchen unter Beweis zu stellen, dass sie genau das gleiche wie alle anderen machen können, dass sie alle in der Lage sind zu machen, was der Markt angeblich von ihnen verlangt. Und das obwohl uns George Nelson gelehrt hat: produziert nicht für einen vermeintlichen Markt, produziert für euch selbst. Eure Kunden werden euch finden. Und alle anderen sind nicht eure Kunden.

Wie gesagt, es ist nicht der Fehler der IMM. Die IMM ist eine der größten Plattformen der Möbelindustrie weltweit, und so sind die Besucher zwangsläufig mit einer sehr konzentrierten Menge an Unnötigem und Ungehörigem konfrontiert. Allerdings ist die Messe kein gänzlich seelenloses Potpourri aus faulen Appropriationen, es gibt auch Arbeiten, die demonstrieren woran uns Sun Tzu erinnert, und ganz egal was wir auch denken mögen, „Zorn kann sich Leidenschaft verwandeln“. Wie immer nehmen wir nicht für uns in Anspruch alles gesehen zu haben. Mit Sicherheit sind uns einige Schmuckstücke entgangen, oder es gibt wieder andere Projekte, die rückblickend einen Platz in unserer Liste verdient hätten, über die wir uns aber immer noch eine Meinung bilden müssen. Damit im Hinterkopf und in besonderer Reihenfolge – unser IMM Cologne 2018 High Five!

IMM Cologne 2018 High 5

Wie jeder weiß, benötigt ein Echo eine Oberfläche, die es zurückwerfen kann. Ansonsten wird daraus ein Ruf ins Leere. Bei der Ausstellung „Echoes – 100 Years in Finnish Design and Architecture“ im Felleshus in Berlin besteht diese reflektierende Oberfläche aus den Traditionen, Kulturen und Landschaften Nord-Ost-Europas.

Echoes - 100 Years in Finnish Design and Architecture @ Felleshus, The Nordic Embassies, Berlin

So wie das Eames‘sche Sprichwort verkündet, dass „die Details nicht die Details sind, sondern das Produkt ausmachen“, so sind auch die Lehrkräfte einer Designschule nicht das Lehrpersonal, sie machen die Schule aus.

Folglich ist es für ein besseres Verständnis nicht nur einer einzelnen Institution, sondern auch des allgemeinen gegenwärtigen Zustands und möglicher zukünftiger Richtungen der Designausbildung wichtig, mit den Lehrkräften der Designschule zu sprechen und sie zu verstehen; sowohl mit den Vollzeit- Professoren als auch mit den praktizierenden Designern, die die Verantwortung übernommen haben, künftigen Generationen zu lehren.

Praktizierende Designer wie Patrick Frey, Vertretungsprofessor an der Hochschule Hannover.

Patrick Frey. Designer and Assistant Professor, Hochschule Hannover

Während Mailand den Anfang des Sommers einläutet, so markiert Paris das Ende von eben jenem: Die angenehme Wärme der lombardischen Sonne und der kühle Wind der Alpen machen Platz für die rege Knackigkeit von „Maison et Objet“. C’est la vie!

Die 2017er Ausgabe von „Maison et Objet“ war eine befremdliche Mischung aus barocken und malerischen, fantasievollen, skandinavischen Elementen. Fast so als hätte der Philippe Starck der späten 1980er die Idee von Hygge für sich entdeckt. Und in vielerlei Hinsicht ist die „Maison et Objet“ 2017 genauso beängstigend, wie sie sich anhört. Unser einziger Trost besteht darin, dass die Verantwortlichen blind dem Geiste der Mode folgen, und Trends in der Mode gehören immer, wirklich immer, irgendwann der Vergangenheit an. Ein Glück, dass auch einige Objekte ehrlichere Ursprünge haben. Dabei gilt wie immer: Wir konnten uns nicht alles anschauen und möchten uns hiermit bei allen Ausstellern entschuldigen, deren Werke wir nicht betrachtet haben. Nichtsdestotrotz sind hier unsere Top 4 der „Maison et Objet“ Ausstellung vom Herbst 2017. Und ein bisschen 90s Revival…

Die Zeit ist ein komisches Ding: Sie begleitet unser Universum seit Anbeginn, hat die Entwicklung unserer zivilen und sozialen Gesellschaft ermöglicht, sie ist die Grundlage unserer ökonomischen, industriellen und kommerziellen Systeme und führt uns durch jeden Tag, jede Woche, jeden Monat, jedes Jahr und das ganze Leben.

Und trotz allem ist noch immer unklar, ob sie tatsächlich existiert.

Und wenn sie existiert, dann in welcher Form? Wie können wir sie visualisieren und dokumentieren? Hat sie einen inhärenten Wert?

Einige Vorschläge für mögliche Antworten liefert die Ausstellung Designpreis Halle 2017.

Designpreis Halle 2017. White